Everything Everywhere All at Once: Der kreativste Film des Jahres – Filmkritik

Everything Everywhere All At Once - Michelle Yeoh
Evelyn (Michelle Yeoh) kann auf die Kampftalente ihrer anderen Personifikationen zurückgreifen. © LEONINE

Die Kritik:

Multiversen sind gerade im Superhelden-Kino in Mode. Das MCU hat sein Multiversum schon letztes Jahr eingeführt und setzt dieses mit dem bald erscheinenden Blockbuster „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ fort und auch bei DC wird nächstes Jahr in „The Flash“ nicht nur Ben Affleck als Batman-Darsteller zu sehen sein; Michael Keaton ist ebenso dabei. Mit „Everything Everywhere All At Once“ könnten wir nun jedoch schon den Film bekommen haben, der das Multiversum als Thematik am kreativsten aufgreift. Der Geheimtipp aus dem Hause A24, welches schon seit einiger Zeit eine Marke für innovatives Filmemachen ist, begeistert momentan Zuschauer und Presse, weshalb man dieses Spektakel nicht verpassen sollte.

Everything Everywhere All At Once - Filmplakat
Everything Everywhere All At Once – Filmplakat © LEONINE

Das Leben von Evelyn Wang (Michelle Yeoh) verläuft nicht perfekt, denn die Waschsalon-Besitzerin hat Probleme mit der Steuer und Ärger mit ihrer Familie. Tochter Joy (Stephanie Hsu)  ist enttäuscht von ihrer Mutter, da Evelyn nicht hinter der sexuellen Orientierung ihrer Tochter steht und ihr Ehemann Waymond (Ke Huy Quan) möchte die Scheidung. Außerdem muss sie sich um die Geburtstagsfeier ihres Vaters (James Hong) kümmern, der jedoch nie zufrieden mit ihr war. Auf dem Weg zur Steuer-Sachbearbeiterin Deirdre Beaubeirdra (Jamie Lee Curtis) wird das Leben Evelyns aber auf den Kopf gestellt, da sie erfährt, dass das Schicksal des Multiversums von ihrem Handeln abhängig ist. Ein Bösewicht bedroht nämlich die Existenz von Evelyn und ihren Liebsten…

Alle paar Jahre erscheint ein Film, der von eigentlich jedem geliebt wird, da er perfekt in unsere Zeit passt und einfach kreativ ist. 2019 war dies der südkoreanische Genremix „Parasite“ und nun könnte diese Rolle „Everything Everywhere All At Once“ zuteil werden, obwohl die Filme natürlich unterschiedlicher kaum sein könnten. „Everything Everywhere All At Once“ begeistert momentan jegliche Zuschauer, die den Film sehen. Auf Letterboxd ist die Action-Komödie momentan der bestbewertete Film der Plattform und auf IMDB steht der Film gerade bei einer Wertung von 8,9. Der Siegeszug von A24 wird also fortgesetzt, denn das Produktionsstudio hat mal wieder auf spannende Indie-Filmemacher vertraut und das Ergebnis zahlt sich anscheinend aus.

Die Regisseure hinter „Everything Everywhere All At Once“ sind Daniel Kwan und Daniel Scheinert. Diese sind bekannt geworden durch ihren cleveren „Swiss Army Man“, der sich zu einem absoluten Publikumsliebling entwickelt hat. Die Skurrilität, die „Swiss Army Man“ schon ausgemacht hat, wird hier aber noch einmal auf die Spitze getrieben durch die zahlreichen innovativen Ideen, die mit den verschiedenen Universen zu tun haben. Dabei ist das „Hot Dog-Finger“-Universum ein absolutes Highlight, bei dem man Tränen lacht, immer wenn es auftaucht. In einem Universum spielt Hauptdarstellerin Michelle Yeoh („Tiger and Dragon“) sogar eine Version von sich, in welchem sie ein erfolgreicher Martial Arts-Star geworden wäre, was in Anbetracht ihrer Vergangenheit extrem lustig ist, denn sie war jahrelang in Martial Arts-Produktionen tätig. Insgesamt gehört Yeoh zu den wichtigen Elementen des Filmes, denn die Schauspielerin aus Malaysia besitzt ein unvergleichbares Charisma und ist zudem fit wie eh und je, womit sie die ganzen 139 Minuten mit Leichtigkeit auf ihren Schultern tragen kann.

Everything Everywhere All At Once - Jamie Lee Curtis
Everything Everywhere All At Once – Steuerprüferin Deirdre Beaubeirdra (Jamie Lee Curtis) nimmt es sehr genau. © LEONINE

Auch der restliche Cast macht richtig viel Spaß. Stephanie Hsu („Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“) als Tochter Joy überragt in einer Doppelrolle, von der an dieser Stelle jedoch nicht zu viel vorweg genommen werden soll. Ihre Enttäuschung gegenüber Evelyn stellt die Schauspielerin grandios dar, denn „Everything Everywhere All At Once“ ist zugleich eine Abrechnung mit Eltern, die ihre Kinder nicht ausreichend unterstützen. Bei Waymond, dem Ehemann von Evelyn, denkt man sich die ganze Zeit, dass man ihn kennt, aber man weiß nicht genau woher. Tatsächlich war Ke Huy Quan Shorty in „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ oder Data in „Die Goonies“, bis er für lange Zeit von der großen Leinwand verschwand. Nun kehrt Ke Huy Quan mit viel Witz zurück und begeistert gerade, wenn er den Waymond aus einer anderen Dimension spielen muss. James Hong („Blade Runner“) soll natürlich auch nicht vergessen werden, doch die wirklich eindrucksvollste Performance aller Nebendarsteller liefert Jamie Lee Curtis („Halloween“) ab, die mit ungeahnter Selbstironie verzückt und äußerst viel Spaß in einer richtig grotesken Rolle macht. Lustig ist ebenfalls, dass die Russo-Brüder, bekannt als die Regisseure von „Avengers: Infinity War“ oder „Avengers: Endgame“, „Everything Everywhere All At Once“ produziert haben.

In einer Action-Komödie ist selbstverständlich die Action und ihre Inszenierung wichtig, welche man in diesem Fall beinahe als makellos bezeichnen könnte. „Everything Everywhere All At Once“ hat um die 25 Millionen Dollar gekostet und es ist schon fast unverschämt, wie gut der gesamte Film dafür aussieht, wodurch Scheinert und Kwan selbst aktuelle Blockbuster in den Schatten stellen. Die Choreografien sind detailreich und eine klare Hommage an einige Martial Arts-Klassiker. Insbesondere Yeoh hat es mit ihren 59 Jahren immer noch drauf. Visuell ist das Bild auch häufig vollkommen überladen, weshalb viele Sinneseindrücke auf einmal einprasseln und durch diese Reizüberflutung gibt es unendlich viel zu entdecken. Es wird sich also sehr wahrscheinlich lohnen, „Everything Everywhere All At Once“ mehr als einmal zu sehen.

Everything Everywhere All At Once - Michelle Yeoh und Li Jing
Everything Everywhere All At Once – Evelyn (Michelle Yeoh) wird in einer Parallelwelt von ihrer Ausbilderin (Jing Li) in Kampfkunst unterrichtet. © LEONINE

Obwohl die Action hervorragend ist und mit skurrilen Ideen überzeugt, steht im Kern des Filmes ein berührendes Mutter/Tochter-Verhältnis, weshalb das Finale nicht die nächste große CGI-Schlacht ist, sondern im Dialog der Figuren stattfindet. Weniger ist manchmal mehr und das verstehen die beiden Regisseure. So sind diese letzten 20 Minuten äußerst emotional. „Everything Everywhere All At Once“ hat immer seine Figuren im Blick, die komplett ausgearbeitet werden. Wenn man sich auf die 140 Minuten einlassen kann und die Einzigartigkeit zu schätzen weiß, wird man einen der besten Filme der letzten Jahre sehen und vielleicht einen der kreativsten Filme, die jemals erschaffen wurden. Ein Kinobesuch ist somit Pflicht.

Filmwertung
10/10

Kurzfassung

Der kreativste Film, den ihr dieses Jahr sehen werdet.

Fazit:

„Everything Everywhere All At Once“ ist ein kreatives Action-Feuerwerk, welches mit skurrilen Ideen und einer stylischen Inszenierung begeistert. Trotzdem steckt im Kern der Geschichte eine berührende Figurendynamik, weshalb das Finale im Herzen der Charaktere stattfindet. So hat A24 mal wieder einen Film veröffentlicht, der nicht einfach nur gut ist, sondern jetzt schon zu den besten des Jahres gehört. Dieses Erlebnis darf man im Kino nicht verpassen.


von Lukas Weinandy

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