Die Fabelmans: Spielbergs Blick in die Kindheit – Blu-ray Kritik

Die Fabelmans
(from left) Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle), Mitzi Fabelman (Michelle Williams), Burt Fabelman (Paul Dano), Natalie Fabelman (Keeley Karsten), Reggie Fabelman (Julia Butters) and Lisa Fabelman (Sophia Kopera) in The Fabelmans, co-written, produced and directed by Steven Spielberg. © Universal Pictures

Die Kritik:

Handlung:
In der Familie Fabelman konkurriert die Kunst mit der Wissenschaft. Die Mutter Mitzi (Michelle Williams) spielt Klavier und ist künstlerisch geprägt, während der Vater Burt (Paul Dano) als Ingenieur sein Geld verdient. Darin wächst Sammy (Kind: Mateo Zoryan Francis-Deford, Jugend: Gabriel LaBelle) mit seinen Schwestern auf, der durch seinen ersten Besuch im Kino eine Faszination am Medium entwickelt. Mit der Kamera seines Vaters fängt er an, seine Umgebung einzufangen, seine Affinität für das Inszenieren steigt über die Zeit ins Unermessliche. Geplagt von innerfamiliären Konflikten, etlichen Umzügen und dem Prozess des Erwachsenwerdens wird das Filmemachen zu einem immer größer werdenden Traum, den er versucht, nicht aus den Augen zu lassen.

Die Fabelmans - Blu-ray
Die Fabelmans – Blu-ray © Universal Pictures

Kritik:
Mittlerweile gehört es als Regisseur schon fast zum guten Ton, in einem Film den eigenen Werdegang zu verarbeiten. In Belfast porträtierte Kenneth Branagh (Thor, Mord im Orient Express) seine Kindheit inmitten des Nordirlandkonfliktes. Der dieses Jahr erschienene Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten gewährte dem Zuschauer einen Blick tief in Alejandro González Iñárritus (The Revenant, Birdman) Psyche. Auch Steven Spielberg entschied sich nach jahrzehntelangem ringen, seine Jugend auf der Leinwand neu aufleben zu lassen. Spielberg erzählt in Die Fabelmans etappenweise von seiner Kindheit, aber auch von seiner Faszination am Medium Film, das er, so viel sei gesagt, direkt an den Zuschauer weitergibt.

Die Fabelmans eröffnet mit einer Szene, bei welcher von subtil nicht die Rede sein kann. Sammy steht mit seinen Eltern in der Schlange eines Kinos, währenddessen bekommt er und der Zuschauer eine kurze Erklärung dessen, was gleich geschieht. Der Vater geht sofort auf die technische Seite ein, wie ein Projektor funktioniert und wie unser Auge einzelnen Bilder zusammenfügt. Die Mutter hingegen sagt: „Filme sind wie Träume“. Spielberg veräußert direkt zu Beginn den Konflikt, der sich wie ein roter Faden durch den Film, aber auch seine Filmografie zieht. Bei seinem neuesten Werk spürt man bereits zu Beginn, dass es sich dabei um ein absolutes Herzensprojekt handelt.

Ebenso liebevoll ist der Film ausgestattet, Spielberg und seine Schwestern rekonstruierten deren verschiedene Eigenheime, so gut wie es ihre Erinnerung und Videomaterial zulassen. Spielberg ist vollkommen in seinem Element, das Inszenieren gelingt ihm wie eh und je. Obwohl er seine junge Version gelegentlich zu sehr übertüncht, weicht er nie ins Absurde ab und emotionale Momente gelingen ihm. In unzähligen großartigen Einstellungen brennt er sich in die Netzhaut der Zuschauer, zweckmäßig ist hier kein einziges Bild.

Die Fabelmans
Die Fabelmans: Bennie Loewy (Seth Rogen), Burt Fabelman (Paul Dano), Mitzi Fabelman (Michelle Williams), Natalie Fabelman (Keeley Karsten), Lisa Fabelman (Sophia Kopera) und Reggie Fabelman (Julia Butters) © Storyteller Distribution Co.

Ähnlich wie bei Babylon erfährt man als Beobachter eine Menge über das Medium und die damals verwendete Technik. Für Sammy ist es eine Spielwiese, auf welcher er Kontrolle hat. Kontrolle, die er in seinem Familienleben oft verliert, durch das Filmen aber vollkommen erlangt. Man begleitet die ersten Gehversuche im Regieposten, die trotz ihrer anfänglichen Amateurhaftigkeit seine Ambitionen und Stilistik durchscheinen lassen. Die Fabelmans macht aber auch klar, was für eine Macht von dem Medium ausgehen kann. Filme erzählen fantastische Geschichten und lassen der Kreativität freien Lauf, können aber auch die Realität abbilden oder diese auf den Kopf stellen.

Womit man aber Schwierigkeiten haben kann, sind die Erwachsenendarsteller. Michelle Williams (Blue Valentine, Manchester by the Sea) pendelt zwischen ungreifbar und charismatisch, Paul Danos (The Batman, Prisoners) Rolle als Vater wirkt erst gegen Ende hin authentisch, sein Verhältnis zu Sammy weicht aber viel zu oft Michelle Williams. Seth Rogen (The Interview, Bad Neighbors) als kauziger Freund der Familie ist gewohnt sympathisch, wenn auch ungewohnt in dieser Rolle. Judd Hirschs (Taxi, Ordinary People) passt als Schlüsselfigur ins Gesamtkonstrukt, richtig genial ist aber der junge Spielberg. Gabriel LaBelle (American Gigolo, Predator – Upgrade) hatte zuvor lediglich kleinere Rollen, hier stiehlt er aber Allen die Show. Träumerisch, entsetzt, zerrüttet oder euphorisch: Er kann wirklich alles spielen und ist die größte Neuentdeckung an Die Fabelmans. Und auch wenn manche Formulierungen überdimensioniert wirken und Momente etwas zu sehr dramatisiert werden, ist Die Fabelmans ein Film, dessen Herz zu jeder Sekunde schlägt.

Bild:

Großartig gefilmt, wunderschön ausgestattet und wirkt wie eine nostalgische Zeitreise ins letzte Jahrhundert. Spielberg lässt sich nichts zu Schulden kommen und entlässt einen mit einer der besten Schlussszenen jemals.

Ton:

Der Film markiert die 50-jährige Zusammenarbeit zwischen Spielberg und John Williams. Der Komponist, der für ikonische Melodien aus Indiana Jones, Jurassic Park und Der weiße Hai bekannt ist, präsentiert auch hier einen wahrhaft magischen Score.

Extras:

Nach einem solch persönlichen Werk braucht es einen Blick hinter die Produktion, die glücklicherweise in Form des Bonusmaterials ausreichend beleuchtet wird. In über 40 Minuten richtet sich Spielberg selbst, aber auch die wichtigsten Schauspieler, Produzenten, Kostümdesigner und viele mehr ans Publikum und klappern dabei sämtliche Themen ab. Die Dokumentation ist ausreichend ausführlich und lässt keine Wünsche offen, definitive Empfehlung.

Blu-ray Wertung
  • 9/10
    Film - 9/10
  • 8/10
    Bild - 8/10
  • 8.5/10
    Ton - 8.5/10
  • 9/10
    Extras - 9/10
9/10

Kurzfassung

Semi-biographisches Drama über Spielbergs Kindheit.

Fazit:

Spielbergs Ausflug in die Vergangenheit romantisiert vieles, aber hätte man etwas anderes erwartet? Die episodenhafte Geschichte funktioniert, kann für manche aber zu pathetisch werden. Blickt man darüber hinweg, sieht man einem Meister bei seinem Handwerk zu und erhält dabei eine riesige Wertschätzung für das Medium Film.


von Thomas Stadler

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