Priscilla – Filmkritik zu Sofia Coppolas Biopic

Cailee Spaeney mit Jacob Elordi
Cailee Spaeney mit Jacob Elordi © MUBI

Die Kritik:

Als krasser Gegenentwurf zum erst kürzlich erschienenen Publikumserfolg und mehrfach Oscar-nominiertem Biopic „Elvis“ erscheint nun passenderweise „Priscilla“. Ist in Baz Luhrmanns fast dreistündiger Glitz-und-Pomp-Oper noch fast jede Subtilität im Krawall untergegangen, geht Sofia Coppola bei ihrem sinnlich-verträumten Charakterportrait erwartungsgemäß weit feinere Wege. Als Adaption von Priscilla Presleys bereits 1985 veröffentlichter Autobiografie „Elvis and Me“ gibt Coppola nun konsequent dem weiblichen und bisher immer auf die Nebenrolle reduzierten Part dieser Geschichte eine gebührende Stimme – wobei der King selbst nicht allzu gut wegkommt.

Jacob Elordi als Elvis Presley mit Cailee Spaeney
Jacob Elordi als Elvis Presley mit Cailee Spaeney © MUBI

Mit „Priscilla“ spinnt Coppola zudem ihren thematischen roten Faden weiter, den sie zuvor bereits mit „The Virgin Suicides“, „Lost in Translation“ oder „Marie Antoinette“ gelegt hat. Denn auch hier steht eine junge Frau im Mittelpunkt, die sich statt einem königlichen Palast oder der Anonymität von Tokio in einem goldenen Käfig – in diesem Fall Graceland – wiederfindet. Priscilla Presleys Emanzipationsprozess schildert Coppola recht streng nach Schilderung der Buchvorlage über den Zeitraum des Kennenlernens von dem damals in Bad Nauheim stationierten Elvis im Jahr 1959 bis zu ihrer Scheidung im Jahr 1972.

Schon die Coppola-typischen Eröffnungsbilder des Films, bei denen Priscillas lackierte Fußnägel durch einen rosafarbenen hochflorigen Teppich streifen, etablieren nicht nur die Atmosphäre des Films: Sie entfalten auch mehr Sinnlichkeit und ein Gefühl für Haptik als Luhrmanns plastikartiger Hochglanzstreifzug durch Elvis Leben. Coppola beweist auch bei „Priscilla“ ein Händchen für intime Figurenzeichnung, so erlebt man den Film ganz nah und zart aus der Perspektive seiner Hauptfigur. Dabei steht ihr zugegebenermaßen auch eine kongeniale Partnerin in Form von Cailee Spaeney zur Verfügung, die Priscilla mit bemerkenswerter Glaubwürdigkeit in einer Zeitspanne von 14 bis 27 Jahren fantastisch portraitiert. Dafür gab es völlig verdient den Preis für die beste Darstellerin bei den Filmfestspielen von Venedig, der in den letzten Jahren auch häufig ein Indikator für eine spätere Oscar-Nominierung war.

Cailee Spaeney mit Jacob Elordi
Cailee Spaeney mit Jacob Elordi © MUBI

Mit größter Behutsamkeit fängt Coppola das Gefühl junger Verliebtheit ein, das das gelangweilte 14-jährige Air Force-Mädchen 14-jährige Priscilla umgibt. Sie zeigt, wie sie vom damaligen zehn Jahre älteren Weltstar Elvis (Jacob Elordi) umgarnt, aber auch immer auf Distanz gehalten wird. Coppola ist nicht am Mythos Elvis interessiert, sie gibt ihm direkt eine ganz menschliche und nachvollziehbare Note. Von dieser Sachlichkeit profitiert der Film ungemein, denn nur durch Entmystifizierung kann man sich einer überlebensgroßen Figur wie Elvis wirklich nähern. Dennoch steht der Mann hier natürlich nicht im Mittelpunkt, viel mehr schildert Coppola das Gefühl, dass Priscilla empfunden hat, wenn der King sie in sein Orbit gelassen hat. Elvis ist hier eine sprunghafte, nicht greifbare und kaum einschätzbare Figur, die gerade dadurch magisch anziehend und letztlich süchtig machend für eine junge und unschuldige Frau wie Priscilla ist. Trotz allem: Dieser Elvis ist kein Monster, sondern ein Mensch mit schwachen Momenten.

Jacob Elordi mit Cailee Spaeny
Jacob Elordi mit Cailee Spaeny © MUBI

So sendet Elvis klare Zeichen eigener Verliebtheit aus, recht früh ist auch allen klar, dass Priscilla offiziell die Frau an seiner Seite ist. Doch dann ist Elvis auch wieder weg aus Deutschland, sein Militärdienst endet und Priscilla bleibt allein mit ihrer Familie in Hessen zurück. Coppola schildert eindrücklich ihren Herzschmerz und Liebeskummer, denn Elvis ist monatelang nicht zu erreichen, meldet sich nicht und Gerüchte einer Affäre mit Nancy Sinatra machen die Runde in Klatschmagazinen. Doch plötzlich meldet sich ihr Schwarm wieder, der Priscilla schließlich zu sich nach Graceland einlädt.

Hier spielt natürlich der Hauptteil des Films, der diese junge Frau in schwelgerischem Luxus, aber eben auch in sehr großer Langeweile und eben auch Ungewissheit zeigt. Statt Versailles in „Marie Antoinette“ ist der goldene Käfig hier das prunkvoll-kitschige Anwesen in Memphis, Tennessee, jedoch ist klar, dass Priscilla alles andere als eine Königin ist. Sie hat nichts zu sagen, nicht mal einem Nebenjob in einer Boutique darf die noch jugendliche Frau nachgehen – „entweder ich oder die Karriere“ heißt es ganz lapidar, als wäre das die nachvollziehbarste Logik. Elvis Personal behandelt Priscilla zumindest mit Fürsorglichkeit und Respekt, jedoch steht hier ihre Einsamkeit im Mittelpunkt, denn nie werden die Schlagzeilen von Affären mit Co-Stars wie Ann-Margret abreißen und für quälende Unsicherheit sorgen. Der so häufig wegen Dreharbeiten abwesende Elvis wiegelt solche Anschuldigungen immer wieder schnell ab und verhält sich sogar die meiste Zeit äußerst liebevoll und fast väterlich. Doch dann fliegen eben plötzlich auch mal Stühle oder Elvis schlägt eine Trennung auf Zeit wiederholt vor, was er fast genauso schnell wieder revidiert.

Cailee Spaeney
Cailee Spaeney © MUBI

Elvis behandelt Priscilla fast schon als Heiligtum, sodass jedes Anbahnen von Leidenschaft über Jahre ausgebremst wird, denn Sex kann erst nach der Ehe vollführt werden. Jacob Elordi ist zunächst eine etwas befremdliche Präsenz, da er keine wirkliche Ähnlichkeit zu seinem realen Vorbild aufweisen kann. Doch zunehmend gewöhnt man sich an diesen Umstand und ist mehr und mehr fasziniert von dieser enigmatischen Präsenz, die Elordi ausstrahlt. Sein Elvis ist eine gequälte Seele, ein kindlich agierender Mann, der von seinem Ruhm und all den damit einhergehenden Anforderungen überfordert ist. Was hier im Grunde eine toxische Beziehung ist, wird von Coppola so dankbarerweise nicht eindimensional oder den Männerpart dämonisierend dargestellt. Hier wird eine sehr komplexe Liebesgeschichte gezeigt, die einfach nie wirklich funktioniert, ein verqueres Abhängigkeitsverhältnis, bei der der Mann die Bedürfnisse seiner Frau meist nicht sieht und von seinen eigenen zahlreichen Schwächen selbst gequält wird.

Man mag dem Film wie auch anderen Coppola-Filmen vorhalten, dass sich der dramaturgische Treibstoff spätestens zur Hälfte etwas aufgebraucht hat und die geschilderten Ereignisse eine gewisse Redundanz haben. Jedoch ist Coppola in dieser Herangehensweise nur authentisch und gibt ein klaustrophobisches Gefühl wieder, das sich in sehr subtilen Zügen wiedergibt. Priscillas kathartischer Emanzipationsprozess von Elvis Strahlkraft geblendeter zu selbstbestimmter Frau wird so äußerst feinfühlig und subtil geschildert, ohne dass man auf allzu große dramaturgische Kniffe und Holzhammermethoden setzen muss. All dem liegt eine wunderbar feine Melancholie zugrunde, eine gespenstische Traurigkeit, die sich ganz langsam unter der Haut festsetzt. So ist hier ein wunderbarer und sehr gelungener Film zu sehen, der problemlos zu Coppolas bisher besten Arbeiten gezählt werden darf.

Filmwertung
8/10

Kurzfassung

„Priscilla“ ist ein intimes und zärtliches Portrait einer jungen Frau und ihres Emanzipationsprozesses

Fazit:

„Priscilla“ funktioniert als melancholisch-zärtliches Gegenstück zu Baz Luhrmanns Ikonenbild „Elvis“ und zugleich als Fortsetzung der Sensibilitäten Sofia Coppolas. So ist auch ihr achter Spielfilm ein intimes Portrait einer jungen Frau, die sich in einem goldenen Käfig wiederfindet. Das ist sensibel inszeniert, gefühlvoll und differenziert betrachtet und zudem herausragend von Hauptdarstellerin Cailee Spaeny gespielt.


von Florian Hoffmann

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