Jeanne du Barry – Kritik des opulenten Sittengemäldes

Maïwenn und Johnny Depp © Ste'phanie Branchu - Why Not Productions

Die Kritik:

Plakat © Wild Bunch Germany

Jeanne du Barry ist sicherlich eine interessante historische Figur: Die bewegte Geschichte der Mätresse, die sich aus nicht-adligen Verhältnissen entgegen aller Widerstände im innersten Kreis um Frankreichs König Ludwig XV. eingefunden hat, bietet zweifelsohne auch großes dramaturgisches Potential. Regisseurin und Hauptdarstellerin Maïwenn hat ihr mit ihrem Cannes-Eröffnungsfilm dementsprechend ein Monument gebaut, das trotz bester Absichten dann aber leider nur mittelmäßiges und vor allem angestaubt wirkendes Kostümfilmkino bietet, das nicht genug in die Tiefe geht.

Sie schildert, wie die neugierige junge Jeanne Vaubernier bereits in Kindheitstagen aus ihrer Umgebung heraussticht, da sie über einen ausgeprägten Wortschatz verfügt und ein ungewöhnliches Interesse an Literatur offenbart. Doch die Gesellschaft hat anderes mit ihr vor, denn Jeanne wird schließlich zur in den höheren gesellschaftlichen Kreisen von Paris gefragten Mätresse. Das ruft dann auch den opportunistischen Grafen du Barry (Melvil Poupaud) auf den Plan, der sie mithilfe des einflussreichen Herzog von Richelieu (Pierre Richard) Frankreichs amtierendem König Ludwig XV. (Johnny Depp) subtil vorstellen möchte, um selbst aufzusteigen. Der angesichts eines monotonen Hofalltags in Lethargie verfallene Ludwig beißt an und verliebt sich in Jeanne, der sie zu seiner favorisierten Hof-Mätresse macht. Auch der Umstand, dass Jeanne schließlich den Grafen ehelicht und damit auf dem Papier dem Adel angehört, bessert ihre Außenseiterposition am Hof allerdings nicht: Insbesondere die fast schon karikaturartigen Töchter des Königs blicken mit Argwohn und Spott auf die „Kreatur“ und wollen sie schnellstmöglich aus dem Verkehr räumen. Doch trotz aller Zwietracht und Missgunst entwickelt sich nicht nur echte Liebe zwischen den ungleichen Liebhabern, mit ihrem rebellischen Auftritt (sie trägt gerne „Männerkleidung“ und die Haare offen) wird sie auch zur inoffiziellen Stilikone des Hofes.

Maïwenn ist hier spürbar bestrebt, die Geschichte einer Frau und Außenseiterin zu erzählen, die sich entgegen aller Umstände erhebt und sich und ihren Werten treu bleibt. Das höfische Treiben mit all seinen Traditionen und dem steifen Gehabe beobachtet sie minutiös genau und entlockt insbesondere dem Zusammenspiel mit dem König die besten Momente des Films.

Melvil Poupaud und Maïwenn © Ste’phanie Branchu – Why Not Productions

Die Überraschungs-Besetzung Johnny Depp macht dabei eine gute Figur, vordergründig überzeugt er mit einer überraschend warmen, sympathischen und etwas verschlossenenen Präsenz. Er legt seine Rolle grundsätzlich zurückhaltend und subtil an, jedoch sind es seine charakteristisch augenzwinkernden und etwas albernen Momente, die einen feinen Unterschied machen und diesen eher trockenen Film willkommen auflockern. Seine Figur wird hier bewusst als ungewöhnlicher Monarch portraitiert, der all das steife höfisch-zeremionelle Brimborium in Anwesenheit von Jeanne über sich ergehen lässt, aber sich eigentlich mit kleinen Grimassen darüber amüsiert. Dass Depp hier zum ersten Mal französisch spricht, erweist sich genau wie seine in dieser Umgebung eines französischen Kostümfilms potentiell irritierenden Präsenz als Nebensächlichkeit. Vielleicht nicht mit absoluter Perfektion, aber dennoch mit weitestgehend unangestrengter Bravour überzeugt Depp mit dieser für ihn zumindest auf Filmebene ungewohnten Sprache, wodurch man sehr schnell nicht mehr daran denken muss und ihm diesen Part einfach abkauft.

Johnny Depp © Ste’phanie Branchu – Why Not Productions

Man hat bei „Jeanne du Barry“ stets das Gefühl, dass hier ein guter Film in all dem Pomp schlummert, er stößt jedoch nie vollständig unter der Oberfläche hervor. Der auf 35mm-Film gedrehte Film ist erwartungsgemäß prunkvoll und detailverliebt ausgestattet, die Originalschauplätze – unter anderem Versailles – kommen prächtig zur Geltung und oftmals muten die tableauartigen Innenraumkompositionen wie lebendig gewordene Gemälde an. Stephen Warbecks aufdringliche klassische Filmmusik trägt hingegen leider zu dick auf und schreit förmlich Drama, was den Film in manchen Momenten sogar nahe an den Rand der Selbstparodie bringt. Die Geschichte um Jeanne du Barry mag interessant, ein wenig komisch und auch vor allem tragisch sein, dieser Film ist jedoch weitestgehend eintönig und in seiner letzten halben Stunde schließlich auch ermüdend.

Maïwenn und Johnny Depp © Ste’phanie Branchu – Why Not Productions

Hier suhlt sich der Film im Elend und der Tragik des kommenden Todes, während Maïwenn einige Momente überreizt und den Film spürbar in die Länge zieht. So kann man den Eindruck kaum abschütteln, dass das alles eben nicht die gute Art von eingelebtem, sondern von steifem, behauptetem und performance-artigem Kostümfilm ist. Die erste Hälfte weiß durchaus zu unterhalten, da Jeannes Aufstieg und ihre rebellische Haltung zum konformen Hofalltag durchaus interessant und einsichtsreich geschildert wird. Richtig mitreißend wird es hier allerdings dann auch nur bedingt und trotz des vorhandenen Stilwillens mangelt es dem Film am besonderen Etwas, an einer frischen Herangehensweise, wie es etwa Sofia Coppola mit ihrem unterschätzten Pop-Kostümfilm „Marie Antoinette“ gelang. Trotz bester Bestrebungen lässt dieser Film und auch die Hauptfigur leider meistens auf Distanz, was nicht durch eine gewisse Eintönigkeit und einem Gefühl von erzählerischem Auf-der-Stelle-stehen in der zweiten Hälfte gebessert wird. Letztlich fehlt es dem Film auch einfach an Ausdruck, Bestimmung und thematischer Relevanz, sodass man am Ende doch eher achselzuckend als bewegt zurückbleibt.

6.5/10

Kurzfassung

Klassisches und opulentes Kostümkino, dem es am gewissen Etwas fehlt

Fazit:

Mit „Jeanne du Barry“ bietet Regisseurin und Hauptdarstellerin Maïwenn betuliches, altmodisches und opulent ausgestattetes Kostümfilmkino, dem trotz bester Absichten das gewisse Etwas fehlt. Vor allem mangelt es dem Film aber an einer wirklich mitreißenden Erzählung, wodurch sich nach einer soliden ersten Hälfte ein Gefühl von Eintönigkeit breit macht.


von Florian Hoffmann

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