Die letzte Fahrt der Demeter – Klassischer Horror auf hoher See, dem es zunehmend an Biss fehlt

Corey Hawkins, Aisling Franciosi ©Universal

Die Kritik:

Die Idee ist so offensichtlich wie genial: Ein Film über das Kapitel „Logbuch der ‚Demeter‘“ aus Bram Stokers Vampirklassiker „Dracula“, in dem der Kapitän des gleichnamigen Handelsschiffes schildert, wie das ungesehene Böse seine Mannschaft auf der Fahrt von Transsylvanien nach England nach und nach dezimiert. Drehbuchautor Bragi Schut hatte bereits vor über 20 Jahren die Idee aus dieser Prämisse eine Art „Alien“ auf hölzernem Schiff zu gestalten. Nachdem in diesem Zeitraum zahlreiche Regisseure mit dem Projekt verbunden waren (darunter auch die Deutschen Robert Schwentke und Marcus Nispel), erscheint der Film nun schließlich unter der Regie von André Øvredal („Trollhunter“, „The Autopsy of Jane Doe“). Entstanden ist ein sichtbar aufwändig produzierter und vor allem atmosphärisch stimmiger Gruselfilm, dem es allerdings ein wenig an echter Spannung und Inspiration mangelt, um richtig Biss zu entwickeln.

Plakat © Universal

Das kurze Kapitel in Bram Stokers Horrorklassiker ist betont vage gehalten und lässt dem Leser sehr viel Raum für die eigene Vorstellungskraft. Schuts Drehbuch, das durch einige Autorenhände ging, ist nun zwangsläufig darum bemüht zahlreiche Lücken zu füllen und eine dreidimensionale Geschichte zu erzählen. So nimmt „Die letzte Fahrt der Demeter“ die Perspektive des jungen in Cambridge ausgebildeten Arztes Clemens (Corey Hawkins) ein, der sich an der osteuropäischen Küste als helfende Hand für die Besatzung des Frachtschiffes Demeter anbietet. An Bord des Schiffes unter der erfahrenen Führung von Kapitän Eliot (Liam Cunningham) kommt es jedoch zu merkwürdigen Vorkommnissen: Sämtliche Nutztiere im Frachtraum werden getötet aufgefunden, während Clemens eine bewusstlose junge Frau (Aisling Franciosi) in einer aufgebrochenen und mit Erde gefüllten Holzkiste findet. Der Argwohn der abergläubischen Crew richtet sich zunächst auf die blinde Passagierin und das gebildete neue Besatzungsmitglied Clemens, der die Frau mittels Bluttransfusionen versorgt. Doch schnell wird klar, dass sich eine ganz andere Bedrohung an Bord befindet…

Gleich fällt auf, dass dieser in Babelsberg und Malta produzierte Film eine angenehm altmodische Eleganz, Hochwertigkeit und Ernsthaftigkeit aufweist, die in vergleichbaren Studioproduktionen heute nicht mehr allzu häufig zu bewundern sind. Regisseur André Øvredal lässt sich zudem viel Zeit in Sachen Erzählungs- und Figurenaufbau, wobei er Umgebungen wirken lässt und so gekonnt subtile Spannung aufbaut. Vordergründig erscheint „Die letzte Fahrt der Demeter“ zunächst also als sehr ansehnlicher, da hübsch ausgestatteter und fotografierter Film über das Leben auf hoher See am Ende des 19. Jahrhunderts. Auch dank sehr guter Schauspieler, allen voran Corey Hawkins und renommierten Charakterdarstellern wie Liam Cunningham und David Dastmalchian (als erster Maat Wojchek) baut dieser Film eine wohlig-klassische Glaubwürdigkeit fernab von billiger Effekthascherei auf.

Dass man dieses Schiff und seine Mannschaft kennenlernt, dass Beziehungen, Spannungen und rauer Schiffsalltag in groben Zügen etabliert werden, ist essentiell, sonst bleibt hier auch letztlich nicht viel über. Øvredal nimmt sich hier ganz offensichtlich die großen Genrevorbilder zu Herzen, denn auch Ridley Scotts „Alien“ funktioniert nach ähnlich bewährtem Muster: ein glaubwürdiges Setting und gerade so dreidimensionale Figuren mit der ein oder anderen Eigenschaft aufbauen, während die Bedrohung lange nur in der Dunkelheit angedeutet wird, um sie dann schließlich effektiv und immer weiter zuspitzend zur Geltung kommen zu lassen. Tugenden, die „Die letzte Fahrt der Demeter“ zumindest oberflächlich betrachtet, aber eben auch absolut vorhersehbar und etwas mechanisch abarbeitet.

Corey Hawkins und Aisling Franciosi © Universal

Der Elefant im Raum, das weiß jeder halbwegs vorgebildete Zuschauer, ist dann offensichtlich Graf Dracula, der sich hier zunächst geschwächt an der Besatzung der Demeter labt, um zu Kräften zu kommen. Hier erweist sich der Film dann eben nur als solider Grusler, der ohne große Überraschungen sein Programm handwerklich ordentlich abspult und den vielversprechenden Anfang nur bedingt belohnen kann. So richtig gelingt es Øvredal dabei nicht, echten Terror aufzubauen und vor allem aufrecht zu erhalten – natürlich auch deshalb, da es immer ausgiebigere Ruhephasen tagsüber gibt, wenn sich die Bedrohung im Schatten aus bekannten Gründen zurückziehen muss. Abgesehen von den genannten Hauptfiguren und auch dem jungen Kapitänsenkel Toby (Woody Norman) hängt man eben auch nicht wirklich an den Figuren. Vielleicht mangelt es dem Film dann auch ein wenig an Plausibilität, denn was auf Buchebene noch auf abstrakte Weise funktioniert, lässt hier Fragezeichen aufkommen: Würde es der Mannschaft wirklich nicht gelingen, den Blutsauger beim Absuchen des Schiffes zu finden?

David Dastmalchian, Chris Walley und Corey Hawkins © Universal

Das ist dann aber auch nur eine Randnotiz. Obwohl es letztlich an der ganz großen Spannung und einem Gefühl von eskalierender Angst fehlt, bleibt „Die letzte Fahrt der Demeter“ bis zum Ende zumindest sehr ansehnlich. Dracula, der vom zweimetergroßen Kreaturfilmveteran Javier Botet mit Hilfe von aufwändiger Maske verkörpert wird, wird nach und nach mehr offenbart und ist ganz offensichtlich stark vom drahtigen, spitzohrigen und -zahnigen Erscheinungsbild Max Schrecks in „Nosferatu“ inspiriert. Hier würde man sich jedoch wie so oft etwas mehr Mut zu weniger CGI wünschen, denn in einigen Momenten verliert die Figur so durch ihre artifizielle Erscheinung spürbar an Schrecken. Noch entscheidender: Dieser Dracula kommt leider daher wie ein ganz gewöhnliches Filmmonster. Letztlich erhofft man sich bei dem Namen Dracula eben wohl einfach eine ikonischere Präsenz mit mehr Charakter und der charakteristischen tragischen Menschlichkeit, die dieser Film leider nicht bieten kann und damit eher eine zahnlose Erfahrung bleibt.

Filmwertung
6.5/10

Kurzfassung

Angenehm klassischer und atmosphärischer Grusler, der letztlich etwas zu überraschungsarm und wenig spannend daherkommt

Fazit:

Auf dem Papier und vor allem in seiner angenehm klassischen ersten Hälfte zeigt diese Adaption eines kurzen Kapitels aus Bram Stokers „Dracula“ viel Potential auf. Doch leider gelingt es Regisseur André Øvredal letztlich nicht, echte Überraschungen und vor allem Spannung aufzubauen, wodurch „Die letzte Fahrt der Demeter“ am Ende nur ansehnlich produziertes Mittelmaß bietet.


von Florian Hoffmann

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