The Marvels – Kurzweiliges, aber substanzloses Superheldenkino

Iman Vellani als Ms. Marvel/Kamala Khan, Brie Larson als Captain Marvel/Carol Danvers und Teyonah Parris als Captain Monica Rambeau, Photo by Laura Radford. © 2023 MARVEL.

Die Kritik:

Viel wird über Marvel geredet und geschrieben, viel wird kritisiert und diskutiert, nicht wenige renommierte FilmemacherInnen sehen im Superhelden-Genre auf lange Sicht gar den Untergang des Medium Film als Kunstform. Und tatsächlich ist beim Publikum ein schwindendes Interesse am MCU zu erkennen, was sich in einer generellen Abwärtstendenz in Sachen Einspielergebnis relativ unmissverständlich offenbart. Unter keinem guten Stern steht nun also „The Marvels“, bei dem es Berichten zufolge hinter den Kulissen sogar kräftig rumorte. Doch kann man wirklich Wunder vom 33. Film einer Reihe erwarten, die mit „Avengers: Endgame“ und „Spider-Man: No Way Home“ bereits ihren Höhepunkt hatte? Gelingt es der jungen Regisseurin Nia DaCosta vielleicht doch nochmal frischen Wind in ein zunehmend stagnierendes Universum reinzubringen? Die Antwort ist leider größtenteils nein. „The Marvels“ ist leider der bislang vielleicht generischste und schlichteste Film in der 15-Jahre andauernden Reihe, bei der echte Überraschungen oder gar eine gewisse Handschrift einer eigentlich vielversprechenden Regisseurin weitestgehend ausbleiben. Lediglich eine gewisse Kurzweiligkeit bei einer dann doch mal erfrischend kurzen Laufzeit von 105 Minuten kann dem Film attestiert werden. Außerdem positiv zu benennen ist auch Iman Vellani als Kamala Khan alias Miss Marvel, die dem Film eine dringend nötige jugendlich-freche Dynamik verleiht.

Brie Larson als Captain Marvel/Carol Danvers © 2023 MARVEL.

Über Plotdetails hält man sich bei Marvel-Filmen ja gerne eher bedeckt. Tatsächlich gibt es hier auch gar nicht allzu viel zu berichten: „The Marvels“ ist zum einen ein Team-Film, bei dem sich drei völlig unterschiedliche Frauen wider Willen zusammenfinden, um mal wieder zur Überraschung aller die Welt zu retten – Dinge geschehen, es wird viel geschlagen, getreten und geschrien, es tun sich Löcher im Himmel und mitten im Weltraum auf, Gebäude stürzen ein, kleine und große Laser werden geschossen, One-Liner werden abgesetzt. Dazwischen versucht ein zunehmend schlafwandelnder Samuel L. Jackson als Nick Fury die Dinge weitestgehend zusammenzuhalten. Dazu kommen zahlreiche süße und ebenso befremdlich computergenerierte Alien-Katzen, die – wie bereits im Vorgänger „Captain Marvel“ zu sehen – mit gigantischen Tentakeln Gegenstände oder gar Lebewesen verschlingen.

Angetrieben wird dieser sehr rudimentäre Film von einem konventionellen Racheplot: Rächen möchte sich Dar-Benn (Zawe Ashton), eine Kree-Kriegerin, deren Heimatplanet durch einen Bürgerkrieg in große Mitleidenschaft gezogen wurde. Abgesehen hat sie es zum einen auf Ressourcen wie Luft oder Wasser, die sie durch den Angriff auf mehrere Planete an sich reißt. Zum anderen hegt sie aber auch einen Groll auf Carol Danvers alias Captain Marvel (Brie Larson), die mit dem Leid ihres Volkes wohl irgendwie etwas zu tun hat. In dieser Konstellation finden sich plötzlich Kamala Khan und Monica Rambeau (Teyonah Parris) wieder, die merkwürdigerweise mit Captain Marvel immer wieder dann im Universum Plätze tauschen, wenn sie ihre Kräfte anwenden. Gemeinsam versuchen die Frauen nun herauszufinden, warum das so ist, während sie sich gleichzeitig mit Fury einer neuen (austauschbaren) intergalaktischen Bedrohung stellen.

Iman Vellani als Ms. Marvel/Kamala Khan © 2023 MARVEL.

Man kann es „The Marvels“ und Nia DaCosta schon fast hoch anrechnen, dass es hier schnell zur Sache geht und man auf eine ausgedehnte Exposition größtenteils verzichtet. Das ist Fluch und Segen zugleich, denn insbesondere, wenn man mit den mittlerweile zahlreichen Marvel-Serien nicht vertraut ist, fällt es hier zu Beginn schon schwer zu folgen. Mit gewisser Selbstverständlichkeit greift der Film Handlungsstränge und Figuren von „Miss Marvel“, „WandaVision“, „Secret Invasion“ und sogar „Hawkeye“ auf. Dennoch, so richtig kompliziert ist es dann natürlich auch nicht, da der eigentliche Plot erwartungsgemäß sehr simpel gestrickt ist und die Frauen eben auch erst zueinander finden müssen. Ein gewisser Grad an Verwirrung wird bei vielen Zuschauern aber nicht ausbleiben, die ihren Master-Abschluss in der MCU-Lore noch nicht gemacht haben.

Wenn der Film Stärken hat, dann ist es sicherlich das Zusammenspiel der drei Protagonistinnen. Hier ragt ganz klar wie bereits erwähnt Iman Vellani heraus, die nicht nur den Anfang des Films fast komplett an sich reißt. Eine sehr hübsche Sequenz, bei der man in Kamals lebendig gewordene Comiczeichnungen und ihre Traumvorstellungen eines Zusammentreffens mit ihrem Vorbild Carol Danvers eintaucht, deutet zudem noch einfallsreichere gestalterische Ideen von DaCosta an. Zunehmend verschwinden diese dann aber im visuell sehr anonymen und oft nicht gerade ansehnlichen CGI-Einerlei, wobei es ihr zumindest gelingt die zahlreichen Kampfsequenzen sehr dynamisch, spaßig und mit klarem Blick zu inszenieren. Dass jedoch ein Kamera-Meister wie Sean Bobbitt („12 Years a Slave“, „Shame“, „Judas and the Black Messiah“) hinter diesen glatten Bildern steckt, ist absolut verblüffend.

Zawe Ashton als Dar-Benn and Daniel Ings als Ty-Rone © 2023 MARVEL.

In den Nahkampfmomenten verfügt der Film jedoch immer wieder über einen gewissen jugendlichen Esprit, der sich auch in einem sehr gut zusammengestellten Soundtrack mit den Beastie Boys, Skrillex oder M.I.A. niederschlägt. Sehr schön anzusehen und kleines Highlight ist auch die eingelebte familiäre Dynamik Kamalas mit ihren Eltern Muneeba (Zenobia Shroff) und Yusuf (Mohan Kapur) sowie ihrem großen Bruder Aamir (Saagar Shaikh). In diesen kleineren bzw. menschlicheren Momenten fühlt sich der Film am wohlsten, während sich der ganze Action-Teil (abgesehen von den Kämpfen) eher wie eine lästige Pflicht für DaCosta anfühlen. Vellanis staunende Blicke und freche Sprüche sorgen hingegen für solide Lacher, ihre lockere Ausstrahlung für viele Sympathiewerte. Ganz nett, aber viel zu wenig daraus gemacht wird aus einem farbenfrohen Planeten, den das Trio besucht: Hierfür wurden für die Bewohner nicht nur sehr hübsche Kostüme angefertigt, für die Szenen wurde auf der kalabrischen Insel Tropea gedreht, wodurch „The Marvels“ seltene Momente der Greifbarkeit erhält. Dass die Figuren sich fast ausschließlich singend verständigen, ist eine spaßige Idee, die aber auch schnell wieder abgehandelt wird.

Leider erweist sich die Tonalität des Films dann auch als sehr wechselhaft und entlarvt so wohl am ehesten die schwierige Produktionsgeschichte: DaCosta geht häufig sehr augenzwinkernd und frisch an die Sache ran, dann gibt es aber auch einen nicht ganz so wirkungsvollen ernsthaften Unterton in dem Racheplot, wo es eben auch mal ganz nebenbei zu Genoziden kommt. Ein Gefühl echter Konsequenz und Bedrohung kommt hier nie auf. Zawe Ashton nimmt ihren Part ernst, geht aber auch in einem Film unter, der nicht so viel Interesse an ihrem Bösewicht-der-Woche-Part und dem ganzen Brimborium hat.

Goose the Flerken, Photo by Laura Radford. © 2023 MARVEL.

Das gelingt einem James Gunn dann um ein Vielfaches besser, der dieses Jahr mit „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ nochmal für ein echtes Marvel-Highlight gesorgt hat, der Humor und Gravitas fantastisch verbunden hat. Ein gewichtiges Gefühl für Mythologie bleibt bei „The Marvels“ somit aus, wodurch er in seinen schwächsten Momenten leider fast schon wie teures Cosplay daherkommt. Wie so oft bei Marvel fehlt es dem Film letztlich einfach an Gewicht, um am Ende trotz einigermaßen solider Unterhaltung für mehr als ein recht unberührtes Achselzucken zu sorgen. So ist „The Marvels“ zwar kein Desaster, aber eben nur recht müdes Mittelmaß.

Filmwertung
5/10

Kurzfassung

„The Marvels“ ist kurzweiliges, aber völlig austauschbares Superheldenkino, das zu den bisherigen Marvel-Tiefpunkten gezählt werden muss

Fazit:

„The Marvels“ ist dank meist spritziger und kurzweiliger Inszenierung sowie einer gut aufgelegten Iman Valleni als Miss Marvel kein Debakel. Durch eine leider sehr generische Story ist einem dieses austauschbare Spektakel, das nicht ansatzweise wie eine 275 Millionen Dollar teure Produktion daherkommt, leider einer der Tiefpunkte des bisherigen MCU.


von Florian Hoffmann

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