Vergiftete Wahrheit – DVD Kritik: sensationeller Film

Die Kritik:

Ob Insider, Erin Brockovich, Spotlight oder The Report – sie alle basieren auf wahren Begebenheiten und behandeln die Aufdeckung von Skandalen, sei es die Tabakindustrie in Insider, die Trinkwasserverseuchung bei Erin Brockovich, der Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Spotlight oder die unrechtmäßige Folter von Gefangenen in The Report. Die genannten Filme haben auch eines gemeinsam; sie besitzen allesamt eine unglaublich hohe Qualität. Nahtlos einreihen kann sich hier der neueste Film von Todd Haynes „Vergiftete Wahrheit“ über einen Umweltverschmutzungsskandal, der mit Mark Ruffalo als Hauptfigur sowie Anne Hathway, Tim Robbins und Bill Pullman in den Nebenrollen nicht nur einen grandiosen Cast vorweisen kann, sondern auch erzählerisch und – vor allem losgelöst von der filmischen Ebene – inhaltlich den Zuschauer schlichtweg in allen Belangen zutiefst beeindruckt und ihn äußerst nachdenklich zurücklässt.

Vorweg sei gesagt, dass der Film nahezu makellos ist und sicherlich der beste Film ist, der 2020 in den deutschen Kinos gestartet ist. Man hat hier eine klassische David gegen Goliath – Geschichte, die sich hier durch den juristischen Streit zwischen dem milliardenschweren Chemie-Konzern DuPont und dem Unternehmensanwalt Rob Billot darstellt. Die Rollen sind hier klar verteilt sowie auch die Sympathien der Zuschauer. Doch der Film ist alles anderes als eine simple Schwarz-Weiß-Malerei. Er seziert diesen Skandal und die Aufarbeitung des Falles präzise, bereitet die Geschichte für den Zuschauer äußerst zugänglich auf, ohne zu komplex zu werden, aber jedoch dem Zuschauer gleichzeitig die Komplexität der Problematik nie vorenthält. Was Todd Haynes hier insbesondere sehr effektiv schafft, ist, dem Zuschauer die Schwere der Thematik, die Allgegenwärtigkeit dessen im Alltag eines jeden Menschen und die Tragweite des Skandals näher zu bringen. So sitzt der Zuschauer zum einen mit fortschreitender Laufzeit immer stärker gebannt vor dem Bildschirm, zum anderen ist man auch immer entsetzter, je mehr hier von Mark Ruffalos Figur aufgedeckt wird. Denn der Film ist vieles, aber gewiss keine Feel-Good-Kost, jedoch so unglaublich wichtig, auch nicht für Film-Interessierte, sodass man Dark Waters – so der Originaltitel – mindestens einmal gesehen haben muss.

Auf Details zur Handlung oder zum Skandal selbst, wird in dieser Kritik nicht eingegangen, da ein erzählerischer Mehrwert des Films auch darin liegt, dass das Verbrechen des Konzerns sukzessive aufgedeckt wird und man die Dimensionen des Falles im Laufe der Handlung schrittweise erfährt. Doch Vergiftete Wahrheit ist nicht nur ein gesellschaftlich relevanter und informativer Film, sondern auch vor allem ein höchst spannender Streifen. Durch eine kühle authentische Inszenierung, die sich durch eine kalte Farbgebung und einer ruhigen Kamera auszeichnet, einem subtil geschriebenen Drehbuch mit starken Dialogen und zunehmender Spannung und letztlich einem famosen Schauspiel, auf das später näher eingegangen wird, hat hier Todd Haynes einen Film erschaffen, der Aufklärung und Unterhaltung zugleich bietet, ohne dies gegeneinander auszuspielen. Mit seiner dichten Atmosphäre zieht der Film den Zuschauer in seinen Bann und lässt ihn bis zum Schluss nicht los. Mit dem Abspann und den Texttafeln am Ende kommt eher noch eine zusätzliche kalte Dusche dazu, die den Zuschauer etwas fassungslos zurücklässt.

Wie schon angedeutet, ist ein großer Pluspunkt des Films, das Schauspiel. Bill Pullman als unterstützender Umweltanwalt, Tim Robbins als geschäftsführender Vorsitzender der Kanzlei, der Gerechtigkeitssinn, profitables Denken und Empathie gewissermaßen vereint und Anne Hathaway als fürsorgliche Mutter und Ehefrau, die ihren Mann, wo es nur geht, unterstützt, jedoch auch bei ihr die nervliche Belastung mit der fortschreitenden Dauer des Falles anzumerken ist, spielen stark und glaubwürdig auf und meistern ihre Aufgabe mit Bravour. Insbesondere Hathaway glänzt hier auch im Zusammenspiel mit Mark Ruffalo, welcher mal wieder sein ganzes Können aufweist und bei dem man sich fragt, wo hier die vierte Golden Globe- und auch vierte Oscarnominierung blieb. Denn was Ruffalo hier zeigt, ist großartig. Es beginnt hier schon in der ersten Szene in der Kanzlei bei einer Besprechung. Die Mimik von Ruffalo, gerade was die Mundpartie angeht, die Sitzhaltung und die Gestik – es wirkt so als Ruffalo komplett mit der Rolle verschmolzen ist. Er spielt sich hier nicht in den Vordergrund, dafür ist die Geschichte zu brisant und wichtig, doch er trägt die Handlung unnachahmlich bis zum Schluss und ist der moralische Anker und Held in dieser Geschichte, an der sich der Zuschauer orientiert. Es ist eine wirklich klasse schauspielerische Leistung, die sicherlich zu den besten seiner Karriere gehört.

Bild:

Leider war als Rezensionsexemplar lediglich eine DVD verfügbar. Grundsätzlich bietet der Film jedoch keine großen Schauwerte eines bildgewaltigen Blockbusters, so dass es generell zu verschmerzen ist. Die Bildqualität lässt die Schärfe einer Blu-ray vermissen, weist jedoch keine störende Unschärfe auf, weder in den Aufnahmen am Abend oder bei Tag noch in den Szenen in Büroräumen oder Außenaufnahmen.

Ton:

Hier gibt es keine nennenswerten negativen Punkte. Die Wiedergabe des recht dialoglastigen Films ist erhaben, im Einklang mit dem begleitenden, aber zurückhaltenden Soundtrack, sodass die Dialoge allesamt verständlich sind. Die Synchronisation des Films ist ebenfalls sehr gelungen.

Extras:

Hier bietet der Film zum einen eine Bildergalerie, den Originaltrailer sowie zwei deutsche Trailer. Darüber hinaus gibt es Interviews mit Mark Ruffalo, Anne Hathaway, Tim Robbins sowie ein Ausschnitt aus einem Promo-Interview mit Todd Haynes. Daneben gibt es ein kleines Making-of, das überwiegend wiederum aus Ausschnitten aus dem Trailer und den Interviews sowie aus Aufnahmen von hinter der Kamera besteht, sodass man es eher als eine kleine Zusammenfassung des Bonusmaterials betrachten kann. Die drei Featurettes lassen die Betroffenen und den echten Rob Billot zu Wort kommen, auch den Rest der Crew und des Casts, wie Bill Pullman, zu Wort kommen und geben Einblick in deren Sicht der Dinge. Es geht hier auch um die die Problematik und den DuPont-Skandal selbst sowie auch um die Entstehungsgeschichte und Produktion des Streifens. Ruffalo, der auch den Film produzierte, hebt hier noch einmal die Bedeutung der Thematik hervor. Alles in allem wird ein insgesamt ansehnliches Bonusmaterial geboten, wenn auch teilweise werbelastig.

Fazit:

Der DuPont-Skandal beginnt zwar in der Vergangenheit, spielt aber auch in der heutigen Zeit und im Leben vieler Menschen eine große Rolle. Vergiftete Wahrheit zeigt die Ausmaße dieses Skandals, die Geschehnisse rund um die Gerichtsprozesse und die Komplexität und scheinbare Ausweglosigkeit gegen einen so großen Konzern in einen juristischen Streit zu gehen, in einer authentischen und atmosphärischen Inszenierung mit einem stark geschriebenen, spannenden und subtilen Drehbuch. So ist Vergiftete Wahrheit der wichtigste und zugleich beste Film des vergangenen Jahres.