Bombshell in der Blu-ray Kritik: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Megyn Kelly (Charlize Theron), Gretchen Carlson (Nicole Kidman) und Kayla Pospisil (Margot Robbie) im Aufzug von FOX NEWS.
Megyn Kelly (Charlize Theron), Gretchen Carlson (Nicole Kidman) und Kayla Pospisil (Margot Robbie) im Aufzug von FOX NEWS. © Wild Bunch Germany

Die Kritik:

Bombshell - Das Ende des Schweigens - Blu-ray Cover
Bombshell – Das Ende des Schweigens – Blu-ray Cover © Eurovideo

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist die traurige Realität vieler Frauen auf der ganzen Welt, unabhängig des Berufszweiges. Seit der Me-Too-Debatte und der darauffolgenden Time‘s-Up-Kampagne in den USA im Zuge des Weinstein-Skandals rückte dieses unangenehme, aber immens wichtige Thema in den Vordergrund. Doch im Jahr 2016 gab es noch einen Skandal im Kontext sexueller Belästigung, der in Europa bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit erhielt, wie in den USA. Dieser Skandal rund um den CEO von Fox News Roger Ailes wird in Jay Roachs Drama „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ auf kompakte Art und Weise in 109 Minuten verfilmt. Der Film überzeugt mit Kurzweiligkeit in der Erzählweise ohne große Umschweife zu machen, mit starken Dialogen, gut geschriebenen Figuren, einer Prise schwarzen Humor und einer technisch sauberen Inszenierung. Mit seinen starken Darstellern und einer oscarprämierten Make-up-Arbeit ist zwar Bombshell aus verschiedenen Gründen, auf die später näher eingegangen wird, nicht das Meisterwerk, das es hätte sein können, jedoch ein überaus sehenswerter und vor allem wichtiger Film geworden.

Was nach wenigen Sekunden auffällt, ist die hervorragende Make-up-Arbeit bei John Lithgow, der Roger Ailes verkörpert und Charlize Theron, welche die Reporterin Megyn Kelly spielt. Während bei Charlize Theron in besonderem Maße die Augenpartie verändert wurde, sodass sich Kelly und Theron zum Verwechseln ähnlich sehen, war das Make-up bei Lithgow nochmal deutlich aufwendiger. John Lithgow, welcher wesentlich schlanker ist als der mittlerweile verstorbene Roger Ailes, ist kaum wieder zu erkennen in seiner Rolle in Bombshell. Die Oscar-Auszeichnung für das beste Make-up für Kazuhiro Tsuji, der bereits im Vorjahr seinen ersten Oscar für die Transformation von Gary Oldman zu Winston Churchill in Die dunkelste Stunde erhalten hatte, war daher völlig verdient und zu erwarten. Dessen Arbeit in diesem Film wird in einem der Featurettes beim Bonusmaterial näher beleuchtet, was überaus interessant und sehenswert ist. Auch darüber hinaus fällt auf, dass der Film ein enormes Erzähltempo aufweist, welches durch schnelle Schnitte eine gewisse Dynamik bekommt. Die Kamera bewegt sich zügig gleitend durch das Großraumbüro und in die einzelnen Büros. Es gibt keine langen Takes. Oftmals wird auch die 4. Wand gebrochen. So ist Bombshell generell vom Handwerk und der technischen Inszenierung ein besonderer Film, der die Thematik unterhaltsam aufbereitet, ohne die Seriosität und den Respekt zu verlieren.

Gretchen Carlson (Nicole Kidman) zieht in den Kampf gegen Roger Ailes. © Wild Bunch Germany

Der Film besitzt nämlich keine bedrückende Atmosphäre bis auf eine Szene zwischen Margot Robbie und John Lithgow, auf die später eingegangen wird, wenn die schauspielerische Darbietungen näher beleuchtet werden. Er zeigt überwiegend mit einer gewissen Leichtigkeit auf, wie die Missstände unter den Teppich gekehrt und halbherzig wahrgenommen werden. Es sind in diesem Fall kein brutaler Missbrauch, keine harte Gewalt oder eine Vergewaltigung. Es ist die Summe anzüglicher Sprüche, Blicke oder Gesten, die eine verdorbene Männerkultur in einem konservativen TV-Sender charakterisieren und in diesem Film anschaulich skizziert werden. Dabei integriert der Streifen drei unterschiedliche Hauptfiguren ins Zentrum des Geschehens und erzählt den Belästigungsskandal um seine Protagonistinnen herum und zeigt dabei auf, wie unterschiedlich sie davon betroffen sind und wie verschieden damit umgangen wird. Hiermit versucht der Streifen die unterschiedlichen Facetten des Skandals als solches, aber auch die unterschiedlichen Frauentypen, die jedoch allesamt Opfer sexueller Belästigung sind, darzustellen. Somit ist dem Film im Gesamten die Aufbereitung der Problematik und die Schaffung eines erträglichen Zugangs zu dieser unangenehmen Thematik für den Zuschauer äußerst gelungen.

Kritisch ist jedoch die Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber der Hauptfiguren, nämlich Fox News Channel, zu sehen. Hier fehlt eine kritische Grundhaltung. So zeigt der Film auf, dass Trump im Wahlkampf über die Reporterin Megy Kelly sexistisch herzog und dutzende herablassende Tweets über mehrere Monate verfasste. Dass sich Fox News in den letzten vier Jahren zu einem Hofsender Donald Trumps entwickelte und von einem konservativen Republikaner-freundlichem Sender zu einem rechtspopulistischen Nachrichtensender mutierte, wird nur am Rande beleuchtet. Inmitten der ersten Hälfte des Films wird die Figur von Nicole Kidman in einem Supermarkt von einer Frau verbal angegriffen und für ihre Arbeit bei Fox News kritisiert. Unklar ist jedoch, was mit dieser Szene beabsichtigt wurde. Denn Mitleid empfindet man für Gretchen Carlson, so der Name der Figur, welche von Kidman gespielt wird, keineswegs. Daher besitzt der Film in gewissen Teilen einen faden Beigeschmack, der zwar kein großes negatives Gewicht im Film hat, jedoch nicht zu leugnen ist. Was dem Film ebenfalls bis auf einige Ausnahmen fehlt, ist eine dramaturgische Fallhöhe und eine engere emotionale Bindung mit dem Schicksal der Mitarbeiterinnen. So fällt es bis auf eine Szene, die von einem Telefonat zwischen Margot Robbie und Kate McKinnon handelt, schwer, das Leid zu spüren oder überhaupt zu sehen, da Bombshell leider nicht nur die Oberflächlichkeit der Gesellschaft zeigt, sondern im Umgang mit seinem Thema zuweilen oberflächlich umgegangen ist.

Kayla Pospisil (Margot Robbie) © Wild Bunch Germany

Eine große Stärke des Films ist der namhafte Cast, der auch in den kleinsten Nebenrollen namhaft besetzt ist. Die Hauptrollen werden von Charlize Theron, welche den Film mitproduziert hat, sowie Nicole Kidman und Margot Robbie verkörpert. Des Weiteren gibt es John Lithgow als Roger Ailes, Connie Britton als seine Ehefrau, Kate McKinnon als Arbeitskollegin und Freundin von Margot Robbies Figur, Mark Duplass als Megyn Kellys Ehemann, Malcolm McDowell als Rupert Murdoch sowie Allison Janney als Roger Ailes leitende Anwältin zu sehen und damit einen unglaublich talentierten Cast mit immenser Erfahrung und großem Talent. Hervorheben muss man hierbei Charlize Theron, Margot Robbie und John Lithgow. Oscarpreisträgerin Charlize Theron bekam hierfür ihre insgesamt dritte Nominierung für den Academy Award, die sie sich redlich verdient hat. Was in der deutschen Synchronfassung nicht auffällt, ist Therons Stimme und Dialekt, welcher sich 1 zu 1 dem der echten Megyn Kelly gleicht. Ohne eine intensive Vorbereitung ist dies nicht möglich und daher sehr lobenswert. Darüber hinaus ist das eine überaus souveräne und überzeugende Darbietung. Charlize Theron verschmilzt, nicht nur dank des Make-up, vollends mit ihrer Figur, sondern vor allem auch durch sehr präzises Schauspiel und Darstellung all der Facetten ihrer Figur.

Ebenfalls oscarreif war die Darbietung von Margot Robbie als Kayla, welche die junge aufstrebende, aber auch etwas verblendete und naive Frau spielt, die dabei ist auf der Karriereleiter aufzusteigen, jedoch kritisches Reflektieren in unterschiedlichen Lagen vermissen lässt. In der entscheidenden und wichtigsten Szene des Films spielt Robbie groß auf und hat sich die Oscarnominierung als beste Nebendarstellerin ebenfalls verdient. Hierbei zwingt Roger Ailes ihr ohnehin kurzes Kleid etwas weiter höher zu ziehen, damit er ihre Beine „in voller Pracht“ sehen kann. Es handle sich ja um ein „visuelles Medium“ laut Ailes. Hierbei bringt er sie dazu, ihr Kleid immer weiter hochzuziehen bis man ihren Slip sieht. Robbie stellt hier mit ihren Gesichtszügen die Verunsicherung, Angst und die Scham nahezu perfekt dar und bietet Schauspiel auf hohem Niveau. Was aber auch John Lithgow in dieser Szene auf der anderen Seite bietet. Lithgow, der meist als lieber und lustiger Familienvater in Komödien zu sehen ist, spielt den sexistischen, im Kern oftmals höflichen und freundlichen, aber populistischen und gierigen Chef und Gründer des Senders mit beängstigender Authentizität und hat mit die besten Szenen im Film.

Bild:

Es ist ein sehr helles Bild mit satten Farben, welche durch die HD-Qualität einer Blu-ray dementsprechend hochauflösend wieder gegeben werden. So liegen die Stärken auch bei den stark ausgeleuchteten Studio- und Büroaufnahmen. Insbesondere bei den Nahaufnahmen an die Gesichter erkennt man die Schärfe der Disc.

Ton:

Die Power einer DTS-HD MA 5.1-Tonspur ist, wenn überhaupt beim Soundtrack zu vernehmen, aber hier auch mehr als positiv. Ansonsten sind die Dialoge stets verständlich. Die Tonabmischung funktioniert auch besonders gut, wenn im Großraumbüro viel durcheinander und im Hintergrund gesprochen wird. Die Dialoge im Vordergrund sind dabei letztlich immer gut verständlich.

Extras:

Das Bonusmaterial hat es in sich. In knapp 95 Minuten werden in mehreren Featurettes unterschiedliche Bereiche des Films besprochen. Seien es die realen Hintergründe und Personen, die Wahl des Regisseurs und der Besetzung von Roger Ailes, die Dreharbeiten, die Make-Up-Arbeit, das Szenenbild, die Entstehungsgeschichte, das Drehbuch, die Produktion und vieles mehr. Es ist nicht repetitiv, äußerst informativ, sehr kurzweilig und gibt einen intensiven Einblick hinter den Kulissen.

Blu-ray Wertung
  • 7.5/10
    Film - 7.5/10
  • 8/10
    Bild - 8/10
  • 8.5/10
    Ton - 8.5/10
  • 9.5/10
    Extras - 9.5/10
8/10

Kurzfassung

Überzeugen kann der Film mit seinen Darstellern und der Inszenierung, während er erzählerisch diverse Schwächen aufweist.

Fazit:

Bombshell bietet einen hervorragenden Cast, gute Dialoge und eine interessante Inszenierung. Die teils oberflächliche Behandlung seiner Thematik und fehlender kritischer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber seiner Figuren fallen negativ auf.


von Morteza Wakilian

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