Greenland – Filmkritik zum Katstrophenfilm mit Gerard Butler

Greenland - Artwork
Greenland - Artwork © Tobis Film

Die Kritik:

Es war kaum zu erwarten, jedoch entpuppt sich der in den USA mehrfach verschobene und dort schließlich zu einem VOD-Start im Dezember verdonnerte „Greenland“ als einer der besten Katastrophentriller der letzten Jahre. In zahlreichen Ländern konnte sich der Film bereits in den Sommermonaten auf Platz 1 setzen, nun soll auch in Deutschland ein für die Lichtspielhäuser so wichtiger Erfolg eingefahren werden. Wer bei dem Gerard Butler-Film jedoch ein gigantisches Spektakel à la „Deep Impact“, „Armageddon“ oder „2012“ erwartet, liegt falsch: Wie auch schon bei ihrer vorigen Zusammenarbeit „Angel Has Fallen“ sorgt Regisseur Ric Roman Waugh („Snitch“) für willkommene Erdung und legt statt dem Bombast eines herkömmlichen Heranrasender-Komet-bedroht-die-Erde-Films den Fokus eher auf menschliches Drama und Spannung. Das ist oft überraschend effektiv und sorgt besonders in der ersten Hälfte für einige starke Momente, bei denen die Bedrohung für die Erde und ihre Bewohner erschreckend greifbar und realistisch daherkommt. Doch „Greenland“ ist letztlich vor allem durch seine menschliche Beobachtung eines Ausnahmezustands interessant, die sich in diesem Pandemie-Jahr als durchaus zeitgemäß erweist.

Greenland - Filmplakat
Greenland – Filmplakat © Tobis Film

Im Fokus steht der auf Hochhäuser spezialisierte Bauingenieur John Gerraty (Gerard Butler), der sich gerade in einer eher angespannten Ehesituation mit seiner Frau Allison (Morena Baccarin) befindet. Bei den Vorbereitungen zu einer nachbarschaftlichen Grillparty steht das aktuelle Ereignis eines sich in Richtung der Erde bewegenden Kometen im Mittelpunkt, der jedoch laut Medienberichten keine ernsthafte Bedrohung für den Planeten darstellen soll. Der aus einem fremden Sonnensystem stammende Himmelskörper soll laut Berechnungen größtenteils in der Erdatmosphäre verglühen, während ein kleiner Teil ins Meer stürzen soll. Zahlreiche Militärflugzeuge am Himmel und Panzerwägen am Boden sprechen jedoch eine andere Sprache. Als John einen automatisch generierten Anruf vom Department of Homeland Security erhält, der ihm mitteilt, dass er sich mit Alison und Sohn Nathan (Roger Dale Floyd) auf einer Militärbasis einfinden soll, um von dort aus zu einem Schutzbunker transportiert zu werden, wird der Ernst der Lage plötzlich unmissverständlich deutlich…

Von Beginn an setzt Waugh, der zuvor besonders mit seinen authentisch beobachteten Knastfilmen „Felon“ und „Shot Caller“ überzeugt hat, auf eine ruhige Inszenierung und präzise Bildsprache. Er klebt an seiner Hauptfigur und etabliert in klaren Tönen dessen Lebenssituation, ohne viele Worte verlieren zu müssen. Fast schon im Stile eines Steven Spielberg engt Waugh seinen Fokus ein und erzählt die drohende Katastrophe fast beiläufig aus Sicht der Familie. Diese intim beobachtete Alltagsinszenierung mit der im Hintergrund schwelenden Bedrohung kommt dementsprechend gewichtig und erstaunlich nachvollziehbar daher. So sorgt die unheilvolle Nachricht, die John während eines Einkaufs auf sein Handy bekommt als beängstigend, denn hier wird klar, dass er mit seiner Familie zur Rettung auserkoren wurde, während die Menschen um ihn herum nichtsahnend davon ausgehen, dass der Komet für keine schwerwiegenden Folgen sorgen wird.

Greenland: Gerard Butler und Morena Baccarin
Greenland: Gerard Butler und Morena Baccarin © Tobis Film

Hier ergibt sich natürlich interessantes dramaturgisches und moralisches Potential, wenn den befreundeten Gästen auf der Grillparty klar wird, dass sie eben nicht zu den ausgewählten Wenigen gehören. Waugh zieht die Spannungs- und Bedrohungsschraube gekonnt behutsam an, wenn sich die fatale Situation zunehmend herauskristallisiert und ein ganzes Land in eine plötzliche Hysterie verfällt, bei der es vom einen zum anderen Moment ums nackte Überleben geht. Wenn die Gerratys jeweils einen Koffer packen und sich ins Auto Richtung Militärstützpunkt setzen und ihre flehenden Freunde mit Kindern zurücklassen müssen, generiert „Greenland“ emotional aufgeladene und höchst effektive Momente, die tatsächlich unter die Haut gehen.

Auch die folgenden Szenen, in denen die Straßen voll sind und die Panik der Menschen spürbar wird, bestechen durch ihre Glaubwürdigkeit, die durchaus an das beklemmende Gefühl von Spielbergs „Krieg der Welten“ heranreichen. „Greenland“ erweist sich gerade in der ersten Stunde als überaus packend, gerade weil Waugh und „Buried“-Drehbuchautor Chris Sparling gekonnt dramaturgische Konfliktsituationen einbauen, bei der das Familiengefüge bedroht wird. Dass Sohnemann Nathan etwa permanent mit Insulin versorgt werden muss, ist so ein erzählerischer Katalysator, der schließlich nochmal für eine ganz neue Ausgangslage sorgt.

Greenland: Gerard Butler als John Garrity
Greenland: Gerard Butler als John Garrity © Tobis Film

Waugh inszeniert die äußere Bedrohung und das daraus resultierende Spektakel sowie die Massenszenen überaus überzeugend. Schwächen offenbart der Film nur dann, wenn sein überraschend geringes 35 Millionen Dollar-Budget zumindest teilweise keine besseren visuellen Effekte zugelassen hat. Doch auch wenn mancher „Money Shot“ nicht ganz überzeugen kann und „Greenland“ gerade in der zweiten Hälfte hier und da etwas billig wirkt, macht der Film das durch seine ansonsten starke Spannungsinszenierung wieder wett. Essentiell ist ohnehin die menschliche Komponente, bei der Waugh und Sparling immer wieder Klassenkonflikte und hysterisches Verhalten offenbaren. Hier wird ganz unmissverständlich deutlich, dass sich jeder selbst der nächste ist und in Extremsituationen meist das Schlechteste im Menschen zum Vorschein kommt. Waugh offenbart, wie fragil das Konstrukt einer Zivilisation ist und wie wenig es eigentlich braucht, um Menschen zum Äußersten zu treiben. Die unterschwellige Kritik und das Misstrauen an einem unbarmherzigen bürokratischen Apparat ist zudem stets spürbar.

Getragen wird der Film von der gewohnt starken Präsenz von Gerard Butler, der seine Stellung als eines der letzten Alphamännchen des Kinos erneut überzeugend unter Beweis stellt. Hier darf der Schotte jedoch mal weniger Actionheld sein und stattdessen als weitgehend hilfloser Normalo und sorgender Familienvater fungieren. Seine zahlreichen Fans werden auch mit „Greenland“ zweifelsohne ihre Freude haben, auch wenn Butler diesmal keine übermächtige Kampfmaschine ist. Fast schon gleichberechtigt ist jedoch Morena Baccarin, die ebenfalls mit einer emotional anspruchsvollen Rolle überzeugt. Das gleiche darf von Jungdarsteller Roger Dale Floyd behauptet werden, der einige starke Momente ausspielen darf.

Greenland: Flugzeug Explosion
Greenland: Flugzeug Explosion © Tobis Film

Letztlich fällt „Greenland“ nach zugegebenermaßen fulminantem Beginn und überhaupt sehr gelungener erster Hälfte dann doch kontinuierlich ab. Zunehmend werden die Limitierungen des Budgets deutlich und auch dramaturgisch verliert der Film zumindest an manchen Stellen dann doch seine so stark etablierte Glaubwürdigkeit. Das passiert gerade dann, wenn Butler doch heroisch agieren muss und Waugh damit eher konventionelle Wege beschreitet, die er zuvor so gekonnt vermieden hat. Damit tritt dann auch eine Spur Pathos ein, die der Film ebenfalls nicht nötig hätte. Dennoch, „Greenland“ darf durchaus als angenehme Überraschung gewertet werden, die für überzeugendes und so sehr vermisstes Popcornkino sorgt, das durchaus auch zum Nachdenken anregt.

Filmwertung
6.5/10

Kurzfassung

Einer der besten Katastrophenfilme der letzten Jahre.

Fazit:

„Greenland“ erweist sich als einer der besten Katastrophenfilme der letzten Jahre und damit als eine der angenehmeren Überraschungen des Kinojahres. Regisseur Ric Roman Waugh inszeniert die Bedrohung eines möglicherweise alles irdische Leben zerstörenden Komenten erstaunlich glaubwürdig und geerdet. Hier steht die menschliche Dimension ganz klar im Vordergrund, wodurch sich der Film gerade in seiner spannenden ersten Hälfte als überaus packend und beklemmend erweist.


von Florian Hoffmann

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