Filmkritik zu Challengers

Mike Faist, Zendaya und Josh O'Connor in CHALLENGERS
Mike Faist als Art, Zendaya alsTashi und Josh O'Connor alsPatrick in CHALLENGERS, Credit: Metro Goldwyn Mayer Pictures © 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

Die Kritik:

Es gibt wohl keinen Filmemacher heutzutage, der ein dermaßen scharfes Auge für Körperlichkeit, Sinnlichkeit, Lust und Verlangen hat wie Luca Guadagnino. Das beginnt schon in der wenig gesehenen italienischen Coming-of-Age-Geschichte „Melissa P.“ und führt sich mit vielen erinnerungswürdigen Momenten in „A Bigger Splash“, „Call Me By Your Name“ oder zuletzt „Bones and All“ fort. Sein neuer Film „Challengers“ erweist sich nun als bisher zugänglichstes Destillat von Guadagninos Obsessionen, womit das Mainstream-Kino wohl mit dem erotisch aufgeladensten Film in einer ganzen Weile belohnt wird. „Challengers“ erweist sich darüber hinaus als enorm kurzweiliger, anregender wie packender Film, der nicht nur dank seines fantastischen Schauspieler-Trios Zendaya, Josh O’Connor und Mike Faist ein fast perfekter Genuss und echtes Highlight ist.

Die Trailer zum Film haben ein bisweilen irreführendes Bild des Films gemalt, das mit der ambitionierten Erzählstruktur des finalen Films nur wenig gemein hat. Guadagnino und sein Drehbuchautor Justin Kuritzkes erzählen hier eine Geschichte über einen Zeitraum von 13 Jahren, jedoch auf erfrischend unkonventionelle Art. Im Mittelpunkt steht die wilde Dreiecksbeziehung zwischen den beiden besten Kindheitsfreunden Patrick Zweig (Josh O’Connor) und Art Donaldson (Mike Faist) sowie Tashi Duncan (Zendaya). Die drei einigt ihre Berufung, nämlich das Tennisspiel, bei dem insbesondere die 18-jährige Tashi bereits auf dem Weg in die Spitzenklasse ist – den lukrativen Adidas-Vertrag hat sie jedenfalls schon in der Tasche. Ihr Weg kreuzt sich mit den aussichtsreichen Talenten Patrick und Art, die in der bildhübschen Athletin gleichermaßen ihre Traumfrau sehen und fortan im Duell um ihre Gunst stehen.

Mike Faist als Art und Josh O’Connor als Patrick CHALLENGERS
Mike Faist als Art und Josh O’Connor als Patrick CHALLENGERS
Photo credit: Niko Tavernise
© 2024 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

Mehr sollte man in diesem in mehrfacher Hinsicht aufgeladenen Szenario schon fast nicht verraten. Der Film springt häufig in den Zeitebenen umher, wobei ein bestimmtes Match bei einem regionalen US Open-Qualifikationsturnier in New Jersey das Grand Finale bildet. Der Clou ist, dass dieses Spiel von Anfang an im Mittelpunkt steht und Guadagnino immer wieder in der Chronologie zurückspringt, um die Wege der drei Protagonisten zu diesem entscheidenden Punkt hin zu schildern. Für manche Zuschauer kann das frustrierend sein, jedoch ist diese Herangehensweise überaus clever und frisch gewählt: So ergibt sich eine ganz besondere Spannung, da man sich ständig die Frage stellen muss, wie die Lebenswege der Beteiligten so unterschiedlich verlaufen konnten, dass man sich in derart auseinander gelebter Konstellation wieder trifft. Vor allem: was ist die Motivation der einzelnen Charaktere in diesem wilden Spiel? Zum anderen ist es natürlich nur passend, dass sich ein derart aufgeladener Film dann eben auch ein wenig wie Sex anfühlt, denn immer kurz vorm filmischen Höhepunkt schaltet Guadagnino wieder einen Gang zurück und lädt erneut mit einer Rückblende auf. Kurzum: gerade diese Erzählstruktur ist eine der ganz großen Stärken dieses herausragenden Films.

Keine Frage, „Challengers“ ist ein ungemein sinnlicher, ungestümer und erotischer Film. Die sexuelle Anspannung zwischen den drei Protagonisten ist förmlich greifbar, jedoch gewährt Guadagnino auch hier nie einen Höhepunkt und verzichtet zudem auf explizite Szenen. Alles ist letztlich ein Spiel, bei dem nie ganz klar ist, wer gerade die Zügel über die Jahre und in einzelnen Momenten in der Hand hält. Guadagnino erweist sich dabei erneut als faszinierter Betrachter menschlicher Körper, sowohl in der Liebe wie auch auf dem Tennisplatz: Einstellungen von Gliedmaßen, von Haut, Schweiß und Berührungen, sinnlichen Küssen oder mit von Churro-Zucker verschmierten Gesichtern sorgen hier für einen Film, der einfach nur durch die Bank sexy ist – insbesondere eine Dreier-Kussszene entpuppt sich sofort als Moment für die Ewigkeit. Doch wie angedeutet steht weit mehr als das pure ausgestellte Verlangen im Mittelpunkt: „Challengers“ ist dann eben auch ein thematisch dichter Film über Egos, über Macht, Ambition, Eifersucht, Verbitterung, Freundschaft und Loyalität.

Spätestens mit diesem Film sollte sich Zendaya mit großem Nachdruck im Kino einen Namen machen – „Challengers“ ist das perfekte Vehikel für sie, ein origineller Film eines großen Studios, der sich mit erwachsenen Themen auseinandersetzt und zugleich perfektes Unterhaltungskino verkörpert. In diesen so stark von Franchisedenken geprägten Zeiten ist so ein Film immer ein Geschenk, besonders dann, wenn er eben auch so gelungen ist wie dieser. Zendaya erweist sich als herausragend ausdrucksstarke Präsenz, die zunächst geheimnisvoll daherkommt und dann ihre Emotionalität jederzeit spürbar macht. Zwischen Dominanz, Verletzlichkeit und Verspieltheit springt sie jedenfalls mühelos umher. Auch mit ihrer grazilen wie hochgradig athletischen Körperlichkeit setzt sie zweifellos fantastische Akzente, die diesem Film hervorragend stehen. Eine erste Oscar-Nominierung sollte hiermit sicherlich keine Überraschung sein.

Zendaya spielt Tashi in CHALLENGERS
Zendaya spielt Tashi in CHALLENGERS – Photo credit: Niko Tavernise
© 2024 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

Ihre Spielpartner O’Connor und Faist, ihrerseits selbst gefragte Shootingstars, erweisen sich als mehr als ebenbürtig und formen faszinierende Charaktere, deren Eigen- und Innenleben sich jederzeit stark über Blicke und kleine Gesten nach außen transportiert. Gerade der enorm charismatische O’Connor fasziniert mit seiner manchmal aalglatten, unbekümmerten, egogetriebenen wie auch zwielichtigen und gefährlichen Art, sodass man nie ganz weiß, woran man bei ihm eigentlich ist. Denn eins ist klar: hier sind keine hundsgewöhnlichen Menschen vorzufinden, sondern erfolgsgetriebene und manipulative Charaktere, die sich über Macht, ihren Erfolg im Sport und ihren Status definieren. Oder vielleicht ist alles eben doch nur ein Spiel.

Guadagnino inszeniert das alles mit enorm hohem Tempo und oft entfesselter Kamera, die besonders auf dem Tenniscourt kaum eine Perspektive auslässt: Hier wird eine wild-kinetische Kraft in enorm dynamischen Bildern losgelassen, bei denen die Bälle nur so durch die Gegend pfeifen und man sich oft fast schon ducken möchte. Unterstützt wird das alles noch von einem manchmal aufdringlichen, aber für sich herausragenden Score von Trent Reznor und Atticus Ross, der hier passend elektronisch, pulsierend und treibend daherkommt. Dann ist es dem Film natürlich auch hoch anzurechnen, dass er trotz aller rohen Emotionalität und Intensität mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit ausgestattet ist, die keine Schwere oder aufgesetztes Drama zulässt. Der Spaß und Genuss steht hier jedenfalls klar im Vordergrund.

Tennis ist hier natürlich eine Metapher für ein Spiel des Lebens, mit dem realen Sport hat das oft nicht allzu viel zu tun. Dafür ist jeder Ballwechsel und jede Geste (insbesondere eine wiederkehrende, bei der der Ball demonstrativ gegen den Schlägerhals gehalten wird) auf dem Platz mit symbolischer Bedeutung aufgeladen. Das kommt dann insbesondere im ausgedehnten Finale zum Vorschein, wenn Guadagnino es möglicherweise ein wenig mit exzessiven Zeitlupen und einem Hang zur Überinszenierung übertreibt. Das ist letztlich aber nur ein kleines Manko in einem herausragend konstruierten, auf den Punkt geschnittenen und aufregenden Film, der nahe an der Perfektion ist und schon jetzt als einer der besten und aufregendsten des Jahres gezählt werden darf.

Filmkritik zu Challengers
9/10

Kurzfassung

„Challengers“ ist fesselndes Unterhaltungskino für Erwachsene der besten Sorte – schon jetzt einer der besten Filme des Jahres

Fazit:

„Challengers“ erweist sich als bestes Unterhaltungskino mit Anspruch: kurzweilig, rasant, fesselnd, sexy, stylisch und aufregend. Der dynamisch inszenierte Film begeistert mit seiner cleveren Erzählstruktur und macht einfach richtig Spaß, was insbesondere auch an dem fabelhaften Darsteller-Trio liegt. Schon jetzt ist das einer der besten Filme des Jahres!


von Florian Hoffmann

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