The Son – Filmkritik zum Drama mit Hugh Jackman

The Son - Peter (Hugh Jackman)
The Son - Peter (Hugh Jackman) © LEONINE

Die Kritik:

Welchen Effekt hat das Verhalten, ja jede kleine Lebensentscheidung von Eltern auf ihre Kinder? Wie groß ist die Verantwortung, insbesondere von Vätern in der Entwicklungszeit von Heranwachsenden? Gibt es im Angesicht einer Krankheit wie Depression überhaupt Mittel und Wege, als Angehöriger einen vernünftigen Umgang zu finden? Das alles versucht Autor und Regisseur Florian Zeller mit der Adaption seines gleichnamigen Theaterstücks zu ergründen. Was zuvor in seinem Oscar-gekrönten Alzheimer-Drama noch so außergewöhnlich differenziert, authentisch und mit bemerkenswertem Feinsinn gelungen ist, fällt in seinem mit Spannung erwarteten Nachfolgewerk leider in fast allen Bereichen ab: „The Son“ ist das erwartbar gewichtige, kraftvolle und – mit Abstrichen – sehr gut gespielte Prestigekino, das jedoch mit dramaturgischen Holzhammermethoden und einem Gefühl mangelnder Aufrichtigkeit und Tiefe mit seinen großen Themen Vater-Sohn-Konflikt und jugendlicher Depression letztlich frustriert und einen faden Beigeschmack hinterlässt.

Peter (Hugh Jackman) führt eigentlich ein zufriedenstellendes Leben: Ein Topjob in einer New Yorker Anwaltskanzlei mit Aussicht auf Beförderung in eine noch bessere Stelle nach Washington D.C., mit Beth (Vanessa Kirby) hat er zudem eine jüngere Frau an seiner Seite, die ihm gerade einen Sohn und insgeheim einen Neuanfang geschenkt hat. Doch als seine Ex-Frau Kate (Laura Dern) vor der Tür steht, ändert sich alles: Sie kann keine Verbindung mehr zu ihrem gemeinsamen 17-jährigen Sohn Nicholas (Zen McGrath) aufbauen und bittet Peter um Hilfe. Nicholas schwänzt schon seit Wochen die Schule, durch depressives Verhalten ist er unberechenbar geworden und möchte nun bei seinem Vater leben. Peter nimmt sich der Sache an und auch wenn es zwischenzeitlich scheint, als ginge es mit seinem Sohn wieder nach oben, wird klar, dass die Herausforderung weit größer ist als erwartet.

The Son - Peter (Hugh Jackman) und Beth (Vanessa Kirby)
The Son – Peter (Hugh Jackman) und Beth (Vanessa Kirby) © LEONINE

Die Ausgangslage und der dramatische Konflikt sind hier eigentlich ganz klar umrissen. Nicholas bewundert seinen Vater, jedoch sind seine Vorwürfe eindeutig – Peter ist schuld an seinem mentalen Zustand, denn mit der Trennung von seiner Mutter und seiner plötzlichen Abwesenheit ist seine heile Familienwelt zusammengestürzt. Für Peter, der eigentlich immer so viel gegeben hat, wie er im Kontext seines beruflichen Lebens konnte, sind die Anschuldigungen schwerwiegend. Schließlich war es einfach so, dass seine alte Beziehung nicht mehr funktioniert hat, weshalb er sein Leben ganz legitim neu ausgerichtet hat. In seinen Augen hat er seinen Sohn nicht mal allzu sehr vernachlässigt, ohne aber zu ahnen, dass Nicholas an einer schwerwiegenderen Depression leidet.

Mit dieser Erkenntnis kommen bei ihm auch eigene Wunden zum Vorschein, denn er wurde selbst in seiner Jugend noch mehr von einem ständig abwesenden und emotional unerreichbaren Vater (Anthony Hopkins) vernachlässigt. Aus diesem Grund hat er sich eigentlich geschworen, nicht die gleichen Fehler bei seinem eigenen Sohn zu begehen. Die Realisation, dass er trotz bester Intentionen plötzlich vor einem Scherbenhaufen steht, sorgt bei Peter für eine schmerzhafte Katharsis, die letztlich ausweglos erscheint.

Und hier liegt die große Schwäche von „The Son“, denn man fragt sich zunehmend, was dieser Film im größeren Kontext vermitteln möchte. Geht es wirklich darum, ein flammendes Plädoyer gegen das Kinderkriegen zu sein? Das ist nämlich die Botschaft, die man hier angesichts all des offensiv vorgetragenen Elends mitnimmt. Denn es ist klar, Peter ist an sich kein schlechter Vater oder gar Mensch, bestimmte Faktoren in seiner Beziehung zu Kate haben schlicht zu einer Trennung geführt, die nun aber scheinbar verheerende Folgen hat. Auch wird klar, dass tief in ihm hinter der positiven Fassade immer noch ein verletzter Junge sitzt, der sich selbst nie ganz von seiner Beziehung zu seinem Vater erholt hat. Zeller ist dann denkbar unbarmherzig in seinen dramaturgischen Methoden, denn er will Peter scheinbar am Boden sehen. Die Aussage ist klar, man kann noch so viel Liebe geben, am Ende ist man – gerade wenn es um so eine vernichtende Krankheit wie Depression geht – machtlos. Geht Zeller so hart mit seinen Figuren um, weil er glaubt, dass sie ihr Leid verdient haben oder sucht er nach eher plumpen Schocktaktiken, um das Publikum am Boden zu sehen? Oder geht es um genau diese Unbarmherzigkeit der menschlichen Existenz? All das erscheint oberflächlich betrachtet für den Moment kraftvoll, im Stile eines typischen TV-Films kann man sich von den spannenden Fragen, die „The Son“ anreißt auch problemlos mitreißen lassen. Doch bei einem genaueren Blick erscheint der Film merkwürdig zynisch, undifferenziert und vor allem zu konstruiert, gerade weil sein thematischer Kern so viel hergibt und zur regen Diskussion anregt.

The Son - Beth (Vanessa Kirby) mit ihrem Sohn
The Son – Beth (Vanessa Kirby) mit ihrem Sohn © LEONINE

Das macht „The Son“ dann eben so frustrierend: Kraftvolle Momente gibt es hier durchaus einige, das Aufeinandertreffen von Peter und seinem Vater ist dabei besonders hervorzuheben. Hier stiehlt Anthony Hopkins für einen Moment mal wieder die Show, wenn er aus seinem scheinbar fest im Leben stehenden Sohn mit grausamer und unbarmherziger Dominanz ohne jedes Schuldbewusstsein zu einem in seinen Augen wehleidigen Kind degradiert, das doch endlich mal über die Vergangenheit hinwegkommen soll. Später ist es eine Szene mit Nicholas und einem Psychotherapeuten, bei der ein spannender moralischer Konflikt für das geschiedene Elternpaar effektiv aufgebaut wird. Überhaupt darf Hugh Jackman einmal mehr sehr überzeugend und mit meist stiller wie verletzlicher Kraft seine Präsenz und Schauspielmuskeln spielen lassen. Auch Laura Dern und Vanessa Kirby dürfen ebenfalls starke Akzente in diesem Kammerspiel setzen, während Newcomer Zen McGrath leider in einer zugegeben undankbaren Rolle ein wenig eindimensional daherkommt.

„The Son“ entpuppt sich letztlich also als sehr zwiespältige Angelegenheit: Viele starke Zutaten in Form von hervorragenden SchauspielerInnen, eine vielversprechende Prämisse sowie wichtigen Themen sind vorhanden, treffen aber auf eine insgesamt zu vereinfachte, manipulative und dramaturgisch zu gewollte wie vorhersehbare Erzählweise. Seine wuchtigen Themen Erziehung und Depression sollten aber so oder so für jede Menge Diskussionsstoff sorgen, wodurch der Film dann letztlich eine Empfehlung wert ist. Wäre Zeller nur so differenziert und klar mit einem so komplexen Thema umgegangen wie er es noch bei „The Father“ getan hat, wäre hier ein weiterer großer Wurf gelungen.

Filmwertung
6.5/10

Kurzfassung

„The Son“ entpuppt sich letztlich als sehr zwiespältige Angelegenheit.

Fazit:

Stark gespielt, mit kraftvollen Momenten ausgestattet und angetrieben von wichtigen wie komplexen Themen, sollte „The Son“ nach „The Father“ eigentlich ein weiterer großartiger Film sein. Doch dramaturgische Holzhammermethoden und ein zu eindimensionaler Umgang mit den Themen Depression und Vater-Sohn-Konflikt schwächt Florian Zellers neuen Film leider ab.


von Florian Hoffmann

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