The Painted Bird – Filmkritik: eindrucksvolle Abwärtsspirale

The Painted Bird - Szenenbild
The Painted Bird - Szenenbild © Bildstörung

Die Kritik:

The Painted Bird - Filmplakat
The Painted Bird – Filmplakat © Bildstörung

Das osteuropäische Kino hat in der Vergangenheit mit vielen großartigen Filmen auf sich aufmerksam gemacht. „The Painted Bird“ gehört dabei sicherlich zu den außergewöhnlichsten Werken, denn das fast drei stundenlange Kriegsdrama, welches auf dem gleichnamigen Roman des polnisch-jüdischen Schriftstellers Jerzy Kosiński basiert, ist eine Grenzerfahrung nihilistischen Filmes. Auf 35-mm in einem düsteren schwarz-weiß gedreht, entsteht eine grauenvolle Odyssee, die sich mit den ekelhaftesten Kapiteln der Menschheit auseinandersetzt.

„The Painted Bird“ folgt keiner klaren Handlung, sondern begleitet einen sechsjährigen Jungen (Petr Kotlár) auf einer grausamen Reise, die während des Zweiten Weltkrieges spielt. Ausgelöst durch den Überfall der Deutschen auf Polen verliert er alles, was ihm lieb ist. Ziellos wandert er durch Osteuropa und trifft auf verschiedenste Menschen, die ihm mal besser und mal schlechter zugewendet sind. Durch die Einteilung in Kapitel und die immer schrecklicheren Zustände darf man „The Painted Bird“ nicht als realistisches Kriegsdrama betrachten. Es ist eher ein dunkles Märchen, in welchem der Protagonist eine Abwärtsspirale sondergleichen erlebt. Pädophilie, Sadismus, Unterdrückung und viele weitere grausame Geschehnisse werden in diesen 169 Minuten thematisiert. Der Ton und die Atmosphäre sind also extrem depressiv, erdrückend und vor allem kräftezehrend. Gerade zu Beginn wird ein grausamer Sogeffekt erzielt, der jedoch mit ansteigender Laufzeit leider immer weiter abnimmt. Ab einem gewissen Zeitpunkt wird die Gewalt etwas monoton, zudem ist das Pacing sehr ruhig und langsam, wodurch die lange Laufzeit selber zu einer Qual werden kann. Der Cast überzeugt aber durchgehend.

The Painted Bird - Szenenbild
The Painted Bird – Szenenbild © Bildstörung

Auf den ersten Blick fallen die großen Namen, die bei „The Painted Bird“ beteiligt waren, vielleicht gar nicht auf, doch einige Hochkaräter waren an der osteuropäischen Produktion beteiligt. In kurzen Nebenrollen tauchen nämlich Harvey Keitel („Pulp Fiction“), Julian Sands („Naked Lunch“), Udo Kier („Melancholia“) und Stellan Skarsgård („Good Will Hunting“) auf, die schon alleine durch ihre Präsenz beeindrucken. Das Besondere ist dabei zugleich, dass keiner von ihnen ein Wort Englisch spricht und somit die Authentizität ihrer Rollen immer im Vordergrund steht. Sie reißen überhaupt nicht aus der Atmosphäre heraus. Der große Star bleibt dennoch Petr Kotlár, der trotz seines jungen Alters ganz groß aufspielt. Sein Schauspiel ist eher minimalistisch gehalten und stets nuanciert. Man merkt ihm das auftretende Trauma immer stärker im Laufe des Filmes an, was beispielsweise durch die zunehmende Benommenheit und Akzeptanz der Gewalt dargestellt wird. Obwohl immer eine gewisse Distanz zum Bild existiert, schockieren genügend Szenen und wirken extrem emotional. Eben insbesondere durch den Gedanken, dass er nur ein Kind ist.

The Painted Bird - Szenenbild
The Painted Bird – Szenenbild © Bildstörung

Auch das Produktionsdesign muss erwähnt werden. Die Geschichte setzt zwar nicht auf eine realistische Erzählweise, dafür soll jedoch die Authentizität des Krieges omnipräsent spürbar sein. „The Painted Bird“ will aber nicht, im Gegensatz zu seinem großen Bruder „Komm und Sieh“, das Soldatenleben aus den Augen eines Kindes zeigen, sondern beschäftigt sich mit der Zivilbevölkerung und der Existenz auf dem Land. Gerade die Leute, denen es schon vor dem Krieg nicht gut erging, werden in den Blick genommen, um auf ihre ausweglose Situation hinzuweisen. So wirkt Václav Marhouls Film an einigen Stellen sehr hoffnungslos, obwohl er trotzdem gleichzeitig Hoffnung macht, denn der kleine Junge gibt sich nie auf. Immer geht es weiter, egal wie schlimm die letzte Station war. Und vielleicht möchte „The Painted Bird“ genau das dem Zuschauer mitgeben.

Filmwertung
7/10

Kurzfassung

Eine eindrucksvolle Abwärtsspirale, die leider Pacing-Probleme besitzt.

Fazit:

Stilistisch irgendwo zwischen Malick und Tarkovsky inszeniert Marhoul eine kräftezehrende Geschichte, die dem Zuschauer über fast drei Stunden permanent in die Magengrube schlägt. Das alles ist zwar höchst außergewöhnlich und einzigartig, trotzdem fehlt gegen Ende das Hypnotische, welches einen sogartig vor die Leinwand zieht. Schwierig und vielleicht dadurch so sehenswert.


von Lukas Weinandy

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