Die Kritik:
Matt Damons Bill Baker trägt in seiner ersten Szene, er arbeitet auf als einfacher Arbeiter in einem beinahe zerstörten Haus, eine Kappe mit US-amerikanischer Flagge. Als er daraufhin nach Marseille reist, um dort seine Tochter im Gefängnis zu besuchen, die dort zu Unrecht wegen des angeblichen Mordes an ihrer Freundin sitzt, isst er dort lieber Pizza oder ein Sandwich von Subway statt die lokale Küche auszuprobieren. Alles an ihm schreit typisch Amerikaner. Wie er sich bewegt, sein Bart, seine Kleidung, die Sonnenbrille. Er hat zwei Waffen zu Hause, eine Flinte und eine Glock. Das alles mag seine Figur zwar auf den ersten Blick nicht allzu sympathisch machen und ihn (zumindest für mich) etwas entrücken, doch erweitert Matt Damon in einer grandiosen Rolle diese Figur um ungeahnte Nuancen und eine charakterliche Tiefe. Er verinnerlicht diesen Charakter vollkommen, lässt dabei aber auch spüren, wie viel unter der Oberfläche eines Menschen bebt, der den Kontakt zu seinen eigenen Emotionen nie finden kann, und so auf ewig verdammt ist, seine Fehler zu wiederholen.
Das clevere Skript nutzt aber diese ur-amerikanische Figur auch, um Kritik an der Interventionspolitik Amerikas zu spinnen, genauso wie an der grundlegenden Mentalität dieses Staates. Baker ist nicht nur der besorgte Vater, der seine Tochter wiederhaben will, sondern trifft auch einige mehr als fragwürdige Entscheidungen. Die Konsequenzen werden in einigen harten und unbarmherzigen letzten Minuten zu Ende gedacht, die mich in ihrer Bedeutung und Tragik noch lange beschäftigen werden.
Relativ früh trifft Baker dabei auf die Mutter Virginie, die hier in einer kraftvollen und doch betont weiblichen Performance von einer zauberhaften Camille Cottin zum Leben erweckt wird. Ihre Tochter Maya, gespielt von einer wundervollen Lilou Siauvaud, steht ihr dabei in nichts nach. Das gesamte Trio hat eine umwerfende Chemie miteinander, ergänzt sich gegenseitig wunderbar und wächst einem so sehr schnell ans Herz.
Stillwater erzählt in 140 min über die Härte des Lebens und kaputte Menschen, die dieses nie so ganz bewältigen können, versteht es dabei aber immer wieder die schönen Seiten aufzuzeigen und in tollen Bildern herauszuarbeiten. Hierbei glänzt auch immer wieder der tolle Soundtrack, der das Geschehen schön akzentuiert und kommentiert. Bei all dem ist Stillwater weniger „Taken“, wie der Trailer vermuten lässt, sondern erinnerte mich dabei oft an Denis Villeneuves Geniestreich „Prisoners“. Ganz an die Qualität von jenem Meisterwerk reicht er jedoch nicht heran. Dazu gerät der Mittelteil auch einfach zu lang. Natürlich kann ich verstehen, was Regisseur und Co-Autor Tom McCarthy und sein Team damit bezwecken wollen, den langsamen aber unabänderlichen Abstieg unserer Hauptfigur von ihrem Höhepunkt. Und doch würde eine rundere Dramaturgie hier die Emotionen tatsächlich noch etwas verstärken.
Filmwertung
Kurzfassung
Menschlich, berührend und ein grandioser Matt Damon.
Fazit:
Mit Schritttempo in den Abgrund. Stillwater ist menschlich, berührend und hat einen grandiosen Matt Damon zu bieten.
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