The Gentlemen – Filmkritik: neuer Gangsterfilmklassiker

Smartes Paar und Power-Duo: Rosalind (Michelle Dockery) und Mickey Pearson (Matthew McConaughey).
Smartes Paar und Power-Duo: Rosalind (Michelle Dockery) und Mickey Pearson (Matthew McConaughey). © LEONINE

Die Kritik:

The Gentlemen - Filmplakat
The Gentlemen – Filmplakat © Universum Film

Fast schon hätte man Guy Ritchie abgeschrieben, nachdem er sich mit den beiden hochbudgetierten „King Arthur“ und „Aladdin“ dem Blockbusterkino zugewandt hat. War sein unterschätzter „Codename U.N.C.L.E.“ noch ein stilvolles und zu wenig gesehenes Aufbäumen, ist „The Gentlemen“ nun eine echte Rückkehr zur Form. Nicht nur das, sein Gangsterfilm findet sich klar in der Tradition seiner kultigen Erstlingswerke, doch Ritchie übertrifft sich in Sachen Raffinesse nochmal und liefert einen gereiften und enorm pointierten Gangsterfilm, der wohl einen neuen Höhepunkt seiner Karriere darstellt. „The Gentlemen“ ist ein echter Ritt, bei dem Ritchie dank genial ausgetüftelter Erzählstruktur, enorm spritziger und einfallsreicher Inszenierung, sowie hervorragend aufgelegten Darstellern den Zuschauer über die gesamte Lauflänge voll in seiner Hand hält.

Im Mittelpunkt der komplex verwobenen und wendungsreichen Geschichte steht der schmierige Privatdetektiv Fletcher (Hugh Grant), der auf charmante Art versucht, dem Nobelgangster Ray (Charlie Hunnam) Informationen über die Konkurrenz von dessen Boss Mickey (Matthew McConaughey) zuzuspielen und ihn damit zu erpressen. Der theatralisch aufgeblasene nächtliche Überraschungsbesuch des skrupellosen Fletcher bei dem ruhig und gerade so neugierigen Ray bildet die Rahmenhandlung von „The Gentlemen“, bei der sich nach und nach die Schichten einer wilden und hochgradig wendungsreichen Erzählung entblättern.

So erfährt man, wie sich der ursprünglich mittellose Exil-Amerikaner Mickey mit Härte und Gewieftheit seinen Weg in die oberste britische Elite geschlängelt hat und schließlich ein gigantisches Marihuana-Imperium aufgebaut hat. Der nobel agierende Gentleman Mickey macht jedoch nicht den Eindruck eines Gangsters, sondern hat ein perfekt verstecktes und hunderte Millionen schweres System aufgebaut, das er mit staatsmännischer Bestimmtheit und Besonnenheit regiert. Doch Mickey will aussteigen, um mit seiner Frau Rosalind (Michelle Dockery) das Leben zu genießen. Hierfür sucht er nach passenden Käufern, wodurch er auf den amerikanischen Milliardär Matthew (Jeremy Strong) trifft, den er in die Machenschaften seines lupenrein organisierten Syndikats einweiht. Doch Mickeys Ausstiegspläne haben sich in London herumgesprochen: Auch der großspurige und völlig rücksichtslose Emporkömmling Dry Eye (Henry Golding) will etwas von Mickeys Imperium abhaben. Doch eine solche Kooperation hat Mickey absolut nicht im Sinn, wodurch das Chaos beginnt…

Matthew McConaughey in The Gentlemen
Matthew McConaughey in The Gentlemen © LEONINE

Es macht allerdings nicht nur gehörigen Spaß, diesen farbenfrohen Figuren und den lustvoll aufspielenden Akteuren zuzuhören und zu -schauen, Ritchies Erzählstruktur sorgt für permanente Überraschungen. Er erschafft zahlreiche perfekt orchestrierte Momente, die für herausragende Pointen und oft urkomischen Humor sorgen. Doch nie erscheint besagter Humor in „The Gentlemen“ aufgesetzt, sondern entwickelt sich ganz organisch aus dem präzise beobachteten Verhalten der fein und hintergründig gezeichneten Charaktere. Ist es zunächst der selten so schmierig gesehene Hugh Grant, der mit seinem vulgären, aber dennoch eloquenten Sprachduktus begeistert, spielt auch Matthew McConaughey nach zuletzt mancher Enttäuschung mit atemberaubender Coolness und selbstbewusster Lässigkeit fabelhaft auf. Doch auch Henry Golding, der dank „Crazy Rich Asians“ und „Last Christmas“ fast schon in einem soften Rollentypus festgefahren schien, begeistert hier mit einer radikalen Kehrtwende zum aalglatten Arschloch, das aber immer noch faszinierend charmant ist.

Charlie Hunnam in The Gentlemen
Charlie Hunnam in The Gentlemen © LEONINE

Dazu kommen ein nicht minder cooler Charlie Hunnam, der aus seiner zunächst passiv ruhenden Zuhörerrolle mehr und mehr in den aktiven Part wechselt und schließlich zur Hauptfigur wird. Hunnam begeistert selbst mit großartigen Filmmomenten und offenbart eine ordnungsliebende Figur, die jederzeit alles unter Kontrolle hat bzw. sie notfalls mit eindrucksvoller Dominanz wiedergewinnen kann. Im Laufe der Story wird auch Colin Farrell als „Coach“ eingeführt, der zunehmend jede einzelne Szene stiehlt, in der er auftaucht. Außerdem sorgt noch der immer gern gesehene Charaktermime Eddie Marsan als verabscheuenswürdiger Verleger eines Klatschblattes für Akzente, während desweiteren „Downton Abbey“-Star Michelle Dockery als Mickeys Gattin ebenfalls mit dominanter Präsenz die Leinwand zum Brodeln bringt.

So erweist sich „The Gentlemen“ als enorm abwechslungsreicher und packender Ritt, den Ritchie mit angenehm zurückgenommener, aber dennoch stylischer Bildsprache elegant einfängt. So verzichtet er weitestgehend auf visuelle Spielereien und verlässt sich auf seine tadellos erzählte Geschichte, von der man sich gerne voll und ganz mitreißen lässt. Der komplex verstrickten, aber klar erzählten Geschichte kann man immer gut folgen, wobei insbesondere der clever inszenierte Schlagabtausch zwischen Grant und Hunnam strukturell bei der Stange hält. Immer fragt man sich, wer hier wirklich die Oberhand hat und wohin diese Reise führt. Gerade, wenn man glaubt, die Antwort zu wissen, wirft Ritchie wieder eine völlig nachvollziehbare und perfekt pointierte Wendung ein. So darf es mit dem wieder erstarkten Ritchie auf jeden Fall weitergehen.

Filmwertung
10/10

Kurzfassung

Guy Ritchie erschafft nichts anderes als einen neuen britischen Gangsterfilmklassiker.

Fazit:

Guy Ritchie liefert mit „The Gentlemen“ nicht nur ein Comeback zu seinen Wurzeln, er erschafft nichts anderes als einen neuen britischen Gangsterfilmklassiker. Mit Shakespeare-artiger Komplexität und eloquenter wie pointierter Sprachebene, einer Fülle an perfekt orchestrierten Momenten und einer Vielzahl fein gezeichneter enorm wendungsreiche Figuren begeistert und unterhält der Film von Anfang bis zum Ende.


von Florian Hoffmann

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