Für Sama – Filmkritik: ein wichtiger Film

Waad mit Sama INin Aleppo
Waad mit Sama INin Aleppo © Filmperlen

Die Kritik:

Für Sama Filmplakat
Für Sama Filmplakat © Filmperlen

Gleichermaßen schockierend wie berührend menschlich präsentiert sich der syrisch-britische Dokumentarfilm „Für Sama“, der den syrischen Bürgerkrieg anhand bei der jahrelangen Schlacht von Aleppo aufgezeichneten Bilder schildert. Initiatorin war die einstige Wirtschaftsstudentin Waad Al-Kateab, die zwei Jahre nach Beginn ihres Studiums in Aleppo im Auftrag von Channel 4 begann, die Unruhen in der syrischen Metropole aufzuzeichnen. In einem Zeitraum von fünf Jahren entstanden so nicht nur über 500 Stunden Bildmaterial, sondern auch Al-Kateabs Tochter Sama, an die Al-Kateab ihre Erzählstimme richtet. „Für Sama“, der nach zahlreichen Auszeichnungen auch mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde, ist harter Tobak, der dem Zuschauer einiges abverlangt. Er gibt dem jahrelang in Nachrichten omnipräsenten Konflikt ein menschliches Gesicht, das unglaublichen Horror und zugleich menschliche Widerstandsfähigkeit eindrucksvoll präsentiert.

So nah und intim wie durch Waad Al-Kateabs ruhelose Kamera eingefangen hat man den syrischen Bürgerkrieg sicher noch nicht erlebt. Politische Hintergründe stehen hier weniger im Vordergrund, viel mehr erweist sich „Für Sama“ als eindringlich-persönliche Nachricht an die titelgebende Tochter der jungen Regisseurin. Der Film dient gewissermaßen zum einen als eindringliches und wichtiges historisches Zeitdokument, aber auch als Rechtfertigung, dass Al-Kateab mit ihrem Mann Hamza überhaupt so lange in einer der gefährlichsten Städte der Welt verblieb und sowohl ihre eigene als auch die Sicherheit Samas gefährdete.

„Für Sama“ schildert den Alltag in Aleppo mit eindrucksvoller Beiläufigkeit. Er erzählt Waad Al-Kateabs Geschichte, zeigt, wie sie von der politisch wachsamen Studentin in einer friedlichen Großstadt plötzlich wie Millionen andere in einen bedrohlichen Ausnahmezustand geriet, bei dem der Tod an jeder Ecke lauert. Er zeigt, wie Al-Kateab in diesem Trubel, bei dem der Anblick von Leichen auf den Straßen und schreiende Angehörige zur Tagesordnung wurde, auch ihre große Liebe fand. Sie heiratet Hamza, einen aufopferungsvoll und mit voller Hingabe kämpfenden jungen Arzt und steht unermüdlich an dessen Seite. Sie hält das tägliche Grauen mit unglaublich direkten, nahen und ungeschönten Bildern fest und bewegt sich in dieser Homevideo-Ästhetik und einem oft starrenden Blick nahe an der Grenze zum Voyeurismus. Doch Al-Kateab rechtfertigt ihr Handeln mit der Wichtigkeit der Bilder, die die Welt sehen muss und eben nicht in Nachrichten geliefert bekommt.

Waad al Kateab
Waad al Kateab © Filmperlen

So ist ihr Film sicher absolut nichts für Zartbesaitete: Sind es zunächst etliche auf den staubigen Straßen aufgebahrte Leichen mit Kopfschüssen, erlebt man im Krankenhausalltag auch gerade durch Bombenanschläge getötete Kinder. Noch schlimmer als der Anblick dieser leblosen Körper sind dann die Angehörigen, die diesen Horror durchleben und markerschütternd klagen und weinen. So ist es kaum zu ertragen, wie eine Mutter ihr gerade getötetes Kind fassungslos auf den Armen aus dem Krankenhaus trägt. „Für Sama“ offenbart so einen ungeschönten, ungefilterten Blick auf eine grausame Realität und erschlägt den Zuschauer zunehmend.

Doch dann ist es eben die Geschichte von Waad und Hamza, die auch auf menschlicher Ebene so nahegeht. Ihre Liebe bietet den Kontrast zu dem ebenfalls menschgemachten Horror um sie herum, während insbesondere Hamzas warmherzige Art und unablässiges, unglaublich mutiges Handeln eine wahre Inspiration darstellt. So zeigt „Für Sama“ sämtliche Facetten der menschlichen Erfahrung, stellt Tod und Elend neben enormes Durchhaltevermögen und Kraft. Schockiert der Film in einer kaum erträglichen Szene, bei der Wiederbelebungsversuche an einem gerade per Notkaiserschnitt geborenen Baby durchgeführt werden, überrascht er im nächsten Moment mit dem größtmöglichen Wunder. Leben und Tod sind hier ständige Partner.

Sama in Aleppo
Sama in Aleppo © Filmperlen

Die Bedrohung in „Für Sama“ ist von Beginn an allgegenwärtig. Ständig kommt es zu plötzlichen Bombeneinschlägen, einmal wird das Nachbarhaus von Waad und Hamza komplett zerstört. Dass das Paar um ein Haar getötet wurde, liest man anhand ihrer Gesichter kaum ab. Hamza gießt sogar danach die eingestaubten Pflanzen und fragt sich ganz nüchtern, ob diese überhaupt noch gerettet werden können. So macht der Film ganz anschaulich verständlich, wie Menschen in Extremsituationen überleben können, wie ihr Instinkt beruhigt und nach Normalität strebt. Gleichzeitig muss man sich selbst die Frage stellen, wie man in einer derartigen Situation agieren würde, denn eins ist klar: Waad und Hamza sind Menschen, die sich in ihrem Lebensstil und -umfeld keineswegs von der westlichen Bevölkerung unterscheiden, wodurch der Film erschreckend universell erscheint.

Al-Kateab, die den Film gemeinsam mit dem britischen Dokumentarfilmemacher Edward Watts zusammenstellte, ist weniger daran interessiert dem Film zu viel politischen Kontext zu geben. Die Tatsache, dass Syriens Präsident Baschar Al-Assad die von Rebellen besetzten Teile Aleppos bombardieren ließ und dass die mit der Regierung verbündeten Russen immer wieder gezielt Krankenhäuser angriffen, stellt der Film jedenfalls unmissverständlich klar. So bleibt ein harter, aber wahrlich augenöffnender Film, der trotz oder gerade wegen des bebilderten Horrors unbedingt sehenswert ist.

Filmwertung
8/10

Kurzfassung

Ein wichtiger Film, der gesehen werden muss.

Fazit:

„Für Sama“ gibt dem syrischen Bürgerkrieg ein unmissverständlich menschliches Gesicht. Anhand intimer und ungefilterter Aufzeichnungen der jungen Regisseurin Waad Al-Kateab erhält man einen selten gesehenen Einblick in das Grauen der jahrelangen Schlacht um Aleppo, während der Film zugleich unglaubliche menschliche Widerstandskraft präsentiert. Ein wichtiger Film, der gesehen werden muss.


von Florian Hoffmann

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