Silent Night – Stumme Rache: Action ohne Dialoge?

Protagonist Godlock (Joel Kinnaman) auf seinem Rachefeldzug
Protagonist Godlock (Joel Kinnaman) auf seinem Rachefeldzug ©Leonine

Die Kritik:

Filmplakat Silent Night
Filmplakat Silent Night © Leonine

Action-Virtuose John Woo kehrt mit Silent Night erneut aus Hongkong nach Amerika zurück, und macht es großen Genre-Klassikern wie Stirb Langsam und Lethal Weapon nach. Er kontrastiert die feierliche Stimmung von Weihnachten mit viel Action, etwas Tragik und einer räumlichen Verortung in wärme Regionen. Aus dem Fest der Liebe wird dabei schnell das Fest der Hiebe und mörderischen Triebe (Ho ho ho.)

Silent Night ist dabei irgendwo gefangen zwischen Hongkong-Blood-Opera, realistischem Rache-Thriller, John Wick-Klon und extremem Melodrama, ohne irgendwas davon so wirklich zu sein. Am innovativsten ist dabei noch Woos Herangehensweise. Silent Night kommt dabei nämlich fast vollkommen ohne Dialoge aus – wann dann aber doch geredet wird, wirkt dann aber doch immer wieder etwas befremdlich. Generell wirkt dieser Versuch einen Actionfilm ohne unnötiges Fett auf den Rippen zu konzipieren nicht vollkommen zu Ende gedacht, da sich mir gerade unter diesem Aspekt das Melodrama als zu aufgebläht entpuppte. Dennoch findet man hier ein interessantes filmisches Experiment, das das Prinzip „Show, don´t tell“ durchaus faszinierend ausgestaltet.

Generell gestaltet sich der Film, wie für John Woo oft typisch, als ungemein theatralisch, das beginnt bei den ausschweifenden Gesten der Figuren und endet bei den obligatorischen Rückblenden, in denen der verstorbene Sohn in Zeitlupe auf unseren Protagonisten zuläuft (untermalt natürlich von Kinderlachen). Das Drehbuch gibt diesem Aspekt dabei leider viel zu viel Zeit, Bis es zur ersten größeren Actionsequenz kommt, dürfte der Geduldsfaden von einigen Zuschauern bereits überstrapaziert sein. Immerhin werden nach der Tragödie die Entfremdung und fehlende Kommunikation zwischen unserem Helden Godlock und seiner Frau ganz nett mit der tatsächlichen Sprachlosigkeit unserer Hauptfigur betont.

Das Ehepaar Godlock nach dem Tod ihres Sohnes
Das Ehepaar Godlock nach dem Tod ihres Sohnes ©Leonine

Joel Kinnaman darf dabei als Hauptdarsteller immer wieder durch seine beeindruckende Physis wirken. Die Kamera befindet sich dabei oft sehr nah an ihm, um uns sein Gefühlsleben, wenn schon nicht durch die Dialoge, dann immerhin durch seine Augen näher zu bringen. Generell ist diese fast immer in Bewegung ohne dabei aber wie bspw. die in Michael Bays Ambulance  zu einer Farce zu verkommen.

Punktuell versucht man auch immer wieder mit den Klischees des sehr festgefahrenen Rache-Genre etwas zu brechen. Wenn Godlock schließlich sein erstes Opfer gefunden hat, läuft die ganze Sache nicht ganz so rund ab, wie man es eigentlich gewohnt ist. Für mich war das durchaus erfrischend.

Dabei ist man sich der Lächerlichkeit des ganzen durchaus bewusst. Bereits die ersten Einstellungen in Close-Ups mit einem Kinnaman, der in einem Weihnachtspulli in Zeitlupe voller Blut dahinläuft, während ein Glöckchen um seinen Hals baumelt, machen das klar. Und das ist auch wichtig, um die etwas lächerlicheren Elemente des Films als Publikum akzeptieren zu können (z.B., wenn unser Protagonist all seine tödlichen Nahkampffähigkeiten erlernt über YouTube-Tutorials).

Die Action selbst ist dabei wieder einmal stark choreographiert, übersichtlich und dennoch dynamisch gefilmt und belohnt sein Publikum schließlich auch für seine Geduld. Nur hatte ich dennoch stets das Gefühl das meiste einfach schon mal gesehen zu haben. Gerade an den John Wick-Filmen hat man sich merklich orientiert. Wie in Silent Night mit Pistolen im Nahkampf gespielt wird oder immer wieder im unpassendsten Moment nachgeladen werden muss, macht zwar Spaß, hat bei Stahelski und Co. aber mehr Eindruck hinterlassen.  So findet sich natürlich auch wieder einmal eine beeindruckende Plansequenz in einem Treppenhaus vor, die allerdings nach all diesen One-Shot-Actionszenen der letzten Jahre einfach nicht mehr dieselbe Wirkung bei mir hinterlässt. Und dennoch schaffte Silent Night es dann doch gegen Ende mich auch durch die fehlenden Dialoge in einen kleinen Rausch der Gewalt zu versetzen.

Filmwertung
7/10

Zusammenfassung

Etwas unentschlossen, und dennoch super spaßig.

Fazit:

Silent Night ist ohne Zweifel mit einigen Fehlern behaftet, darunter das für mich zu ausufernde Melodrama. Dennoch ist John Woos neuestes Werk gerade durch die wenigen Dialoge und die coole Action dann doch interessantes und unterhaltsames Action-Kino, das einen Gang ins Kino gerade für Genrefans definitiv Wert sein dürfte.


von Sebastian Stegbauer

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