Die Top 10 Filme aus 2023 (von Sebastian Stegbauer)

Leonardo DiCaprio und Lily Gladstone in Killers of the Flower Moon © Apple TV+ Deutschland

Und schon wieder ein Jahr vorbei. Und was ist nicht alles passiert? Am vielleicht bemerkenswertesten an 2023 war, dass viele der größten Blockbuster an den Kinokassen gnadenlos untergingen (darunter auch zahlreiche Superhelden-Produktionen), während Oppenheimer und Barbie Unsummen verbuchen konnten. Wie sich das langfristig auf die großen Filme Hollywoods auswirken wird, muss sich natürlich aber erst noch zeigen.

Knapp an den Top 10 vorbeischlitterte dabei heuer der herrlich magische Wonka, Damien Chazelles wundervoll abgefahrener Babylon und Martin McDonaghs skurrile Tragikomödie The Banshees of Inisherin. Auch Anatomie eines Falls entpuppte sich mit seiner Mischung aus Beziehungsdrama und Gerichtsthriller als ein kleines Highlight, das ich hier unbedingt erwähnen möchte, während es mir gerade bei dem so frischen Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem schmerzt, ihn hier nur so kurz erwähnen zu können.

Denn es sind auch heuer wieder diese so besonderen Filme gewesen, die mich erneut daran erinnerten, warum ich dieses Medium doch so sehr liebe – seien es die kleinen menschlichen Dramen, die mir mehr über das Leben und mich selbst verraten oder die großen Blockbuster, die mich einfach nur auf eine traumhafte Reise entführen. Auch heuer gab es wieder ganz großes Kino zu bestaunen…

 


Platz 10: Evil Dead Rise

Evil Dead Rise kreiert nun mehr als fünfter Teil dieser legendären Reihe erneut mit scheinbar unzähligen Litern von Blut ein gleichermaßen spaßiges, wie schmerzhaftes Horror-Spektakel, das sich nun aber zum ersten Mal von der Hütte im Wald in die Großstadt traut, nach wie vor aber gleichermaßen bedrohlich und klaustrophobisch daherkommt. Die Figuren sind dabei ungemein effektiv gezeichnet und so können wir erneut mit ihnen leiden, wenn sie mit einer morbiden Freude an der Zerstörung des menschlichen Körpers, nach und nach von den Deadites angefallen werden. Und anders als bei so vielen anderen Horror-Franchisen fühlt sich das alles noch immer so liebevoll gemacht, so frisch und so frech an, wie es einst auch das Original war. Das macht Evil Dead so besonders – und seinen neuesten Ableger zu meinem Lieblingshorrorfilm des Jahres.

(auf WOW verfügbar)

Platz 9: The Killer

David Fincher neuestes Werk arbeitet von Anfang an eine etwas verstörende Faszination für seinen Protagonisten und dessen akribische Herangehensweise an das Töten heraus. Michael Fassbender darf dabei nach jahrelanger Pause endlich wieder zeigen, was für ein unglaubliches schauspielerisches Können er in sich trägt, während Fincher selbst diesen Film mit einer solchen Präzision inszeniert, dass der Killer selbst wohl grün vor Neid werden dürfte. Vieles dürfte einem hier durchaus bekannt und vertraut vorkommen, doch fühlt sich The Killer trotzdem so frisch und energetisch an. Wie hier Musik, Kamerabewegungen und Schauspielregie verbunden werden, ließ mich immer wieder sprachlos zurück. The Killer ist keinesfalls der originellste Film des Jahres, arbeitet aber dennoch stetig gegen zahllose Klischees des Genres an – und bietet so letztlich dann doch ein sehr einzigartiges Filmerlebnis.

(auf Netflix verfügbar)

Platz 8: John Wick Kapitel 4

Irgendwie fühlt es sich so an als würde hiermit eine Ära enden. Als der erste Teil der John Wick-Reihe damals 2015 im Kino startete, war das Action-Kino definitiv ein anderes – der Baba Yaga hat seine Spuren hinterlassen. Auch jetzt in Kapitel 4 ist der Grund dafür unschwer zu erkennen. Die Action selbst ist dabei vielleicht sogar besser als je zuvor, da sie mir noch verspielter erschien, noch kreativer. Die Kamera fängt diesen blutigen, so eleganten Tanz der Kugeln, Messer und jetzt auch Nunchaku mit einer solchen Raffinesse und Grazie ein, dass mir über die komplette fast dreistündige Laufzeit der Atem stockte. Wenn das wirklich das Ende der Reihe ist, ist es ein würdiges. Es war mir eine Ehre, Mr. Wick!

(auf Wow verfügbar)

Platz 7: Past Lives

Past Lives kam genau zum richtigen Zeitpunkt in meinem Leben heraus, als ich mich mit Vielem auseinandersetzte, was auch den Figuren hier durch den Kopf spukt. Die Frage nach dem „Was wäre, wenn?“, Gedanken über verpasste Chancen und Liebe, die vielleicht einfach nicht sein hätte sollen. Dabei werden all diese Themen mit einer Hingabe und einem Feingefühl verarbeitet, das mich schwer beeindruckte. Past Lives weigert sich dabei auch nach den üblichen Genre-Konventionen zu spielen, wodurch er sich nur umso echter, authentischer und lebendiger anfühlt – und gerade gegen Ende so bittersüß. Doch die wahrlich brillante Leistung des Films ist dann eben vielleicht, wie er uns selbst den Spiegel vorhält, reflektieren lässt und uns mehr über das Leben und die Liebe selbst verrät.

Hae Sung (Theo Yoo) und Nora (Greta Lee)
© Studiocanal Deutschland

Platz 6: The Fabelmans

Steven Spielberg nimmt uns hier mit auf eine intime Reise in seine eigene Kindheit und schafft gleichzeitig einen Liebesbrief an das Kino, dessen Magie und die Leidenschaft, die sein eigenes Leben bestimmt hat. Dabei dient The Fabelmans durch diese starken autobiographischen Bezüge auch als eine Art Rosetta-Stein für die Filmographie des Regisseurs, die so fortan anders gesehen und diskutiert werden kann. Wenn der kleine Sammy (Spielbergs Avatar im Film) dabei zum ersten Mal mit großen Augen eine Kinoleinwand anstarrt, dürfte nicht nur ich mich genau die Momente erinnert fühlen, als ich für immer und ewig mein Herz an das Kino verloren habe. Der Großmeister, der so viele von uns zu den Filmliebhabern gemacht hat, die wir heute sind, zeigt uns wie er es wurde. Das ist ganz große Kinomagie!

(auf WOW verfügbar)

Platz 5: The Creator

Es ist einfach zu lange her, dass wir eine solch greifbare, liebevoll ausgearbeitete und vor allem originäre Zukunftsvision in solcher Größe zuletzt im Kino bestaunen durften. The Creator ist dabei vor allem visuell einfach atemberaubend und glänzt zusätzlich noch mit einer wundervollen Geschichte über Menschlichkeit, die sich auch traut die eigene Hauptfigur zu einem äußerst ambivalenten Antihelden zu machen. Dabei vermischt The Creator für Genre-Liebhaber altbekanntes mit wundervollen neuen Ideen und wirkt so auch eindrucksvoll erfrischend. Leider ist diese Art von Blockbuster-Kino in den letzten Jahren zur Seltenheit verkommen. Danke an The Creator für die Erinnerung, dass nicht so sein muss. Und vielen Dank für die 133 Minuten purer Freude, die ich hier im Kino erfahren durfte!

(ab 17. Januar 2024 auf Disney+ verfügbar)

Platz 4: Guardians of the Galaxy Volume 3

Bereits die ersten Sekunden warten hier mit emotionalem Magenschieber, den ich so nicht kommen gesehen habe. Gleichzeitig wird uns so bereits früh aufgezeigt wie diese letzte Reise mit diesen so liebgewonnen Figuren ablaufen wird. Es werden Tränen fließen! James Gunn nähert sich seinen Figuren wieder auf eine besonders menschliche Weise und nimmt ihren Schmerz und ihre Probleme stets ernst. Denn Guardians of the Galaxy Volume 3 tut dabei auch immer wieder richtig weh – weiß aber dennoch auch große Blockbuster-Action und Leichtfüßigkeit zu inszenieren, ohne dabei das Innenleben der Figuren zu vernachlässigen und erzählt ganz nebenbei noch eines der schönsten und reifsten Enden des Jahres. Denn was bleibt nach all dem Schmerz und den Tragödien des Lebens noch als mit seinen besten Freunden voller Liebe und Hoffnung an eine neugewonnene Zukunft zu tanzen?

(auf Disney+ verfügbar)

Platz 3: Spider-Man: Across the Spider-Verse

Und doch geht der Preis für den besten Superheldenfilm des Jahres an Spider-Man: Across the Spider-Verse, einen der rein optisch schönsten Filme, die ich je gesehen habe. Dies ist genau die Sorte Kino, bei der man jede Einstellung – jedes Frame sogar – am liebsten ausdrucken und anschließend aufhängen möchte. Diese visuelle Genialität wird dabei noch mit einem einzigartigen Soundtrack auf geniale, rhythmisch Weise kombiniert – und das verzauberte mich bereits innerhalb von wenigen Sekunden. Doch auch das Drehbuch funktioniert genau wie beim brillanten Vorgänger wieder hervorragend. Miles und Gwens so ganz persönlichen Kämpfe und Herausforderungen sind wieder so alltäglich und greifbar, so mitreißend geschrieben und authentisch, wie wir es nur selten bewundern dürfen. Dabei kombiniert Across the Spider-Verse diese Ehrlichkeit mit einer noch frecheren, wilderen und kreativeren Art, als es der erste Teil bereits tat. Genau so müssen Fortsetzungen funktionieren! Mit Beyond the Spider-Verse kann ich Teil drei kaum erwarten…

(auf Netflix verfügbar)

 

Spider-Man/Miles Morales (Shameik Moore) © Sony Pictures Deutschland

Platz 2: Mission Impossible: Dead Reckoning Teil 1

Als Tom Cruise im dritten Akt von Dead Reckoning mit einem Motorrad von einer Klippe springt, hatte ich einen der ganz großen Kinomomente meines Lebens. Wie das Publikum bei jedem meiner vier Kinobesuchte wieder kollektiv den Atem anhielt, war wahrhaft magisch. Mission Impossible ist im heutigen Kino eigentlich ein Unikat. Kaum eine Reihe verpflichtet sich so sehr unserem Vergnügen, erfindet sich dabei mit jedem zusätzlich Teil so clever neu, und bietet dennoch jedes Mal wieder genau das, wonach wir so sehr lechzen. Wir wollen vollkommen in der Immersion verschwinden… Dead Reckoning schafft dies nicht nur wieder durch diese ganz großen Momente der Action in ihrer Perfektion, sondern auch weil uns die Figuren ehrlich am Herz liegen, und ein cleveres Drehbuch, das Tragik und Witz wundervoll miteinander verbindet, diese stetig herausfordert – so können die einzelnen Setpieces umso mehr wirken. Während also pures Adrenalin beinahe drei Stunden lang durch meinen Körper jagt, geschieht hier wahrlich ganz großes Kino, das sich auch beim siebten Teil einfach weigert, weniger als meisterhaft zu sein. An der Seite von Ethan Hunt und seinem Team werde ich diese Missionen immer annehmen!

Platz 1: Killers of the Flower Moon

Martin Scorsese kehrt zurück und nimmt uns erneut mit auf eine unvergessliche Reise in die scheinbar unendlichen Abgründe des Menschseins. Dabei inszeniert er mit einer Energie und Dynamik, wie es nur ein junger Mann können dürfte, gleichzeitig aber mit der Umsicht und der reflektierten Sichtweise eines Altmeisters. Vor der gefühlvollen Stimmung einer schwer zu greifenden Bedrohlichkeit webt er dabei ein komplexes Netz an Figuren, die wundervoll miteinander interagieren und dabei von ihren Darstellern alle geradezu perfekt verkörpert werden. Dabei macht uns Killers of the Flower Moon auf brillante Weise beinahe schon fast selbst zum Schuldigen und hält uns clever den Spiegel vor. So wird Scorseses neuestes Meisterwerk zu einem äußerst einzigartigen, aber letztlich vor allem zu einem ungemein wichtigen Film, der in seinem Publikum eine morbide Faszination mit dem Bösen auslöst, gleichzeitig aber ein großes Herz in sich trägt. Und so spukt mir Killers of the Flower Moon auch heute noch durch den Kopf und will mich einfach nicht aus seinem Bann befreien – und genau das will dieser Film auch, was nicht zuletzt durch das Ende so sehr unterstrichen wird. Dass auch meine Generation noch immer solch meisterhaften Filme von Martin Scorsese im Kino erfahren darf, ist ein ungemeines Privileg. Ich hoffe dieser Mann macht noch ewig so weiter!

(ab 12. Januar auf Apple TV+)

 

 

 

 

 

von Sebastian Stegbauer

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