Asteroid City – Filmkritik

Asteroid City
Asteroid City: Liev Schreiber, Steve Carell, Stephen Park, und Hope Davis © Universal Pictures

Die Kritik:

Man kommt einfach nicht umher, es bei jedem neuen Film von Wes Anderson erneut zu erwähnen: Ja, der Texaner ist mehr denn je zu einer Marke geworden, die einen äußerst eigenwilligen Stil verkörpert, den mittlerweile sogar fast jeder Laie erkennt. War Anderson einst eine gefeierte Außenseiter-Ikone des Independent-Kinos, ist seine Handschrift längst Teil des popkulturellen Mainstreams geworden – sogar TikTok ist voller Clips, die seinen perfekt manikürten Stil imitieren. „Was wäre, wenn Wes Anderson diesen oder jenen Film inszeniert hätte“ ist inzwischen YouTube-Standard geworden. Gerade gingen dann auch noch mehrere KI-generierte Videos durch die Decke, die Andersonsche „Star Wars“-, „Herr der Ringe“- oder „Spider-Man“-Varianten erschreckend akkurat präsentieren – was den eigentlichen Macher selbst übrigens sehr irritiert.

Nun erscheint sein bislang elfter Film „Asteroid City“ als ganz eigener Science-Fiction-Wüstenfilm mit standesgemäßem Furor wenige Wochen nach seiner Gala-Premiere beim Festival von Cannes bereits in den Kinos und bietet mit großer Zuverlässigkeit ziemlich genau das, was man von dem Filmemacher mit der Puppenhaus-Ästhetik erwartet: Makellos präzise komponierte und symmetrische Bildkompositionen, markante, auf den Punkt verdichtende oder parallele 360 Grad-Kamerafahrten und ein verspieltes, vor Details überbordendes und bewusst artifizielles Szenenbild sind nur die offensichtlichsten ästhetischen Details, die auch hier wieder zur formalen Perfektion eingesetzt werden.

Asteroid City -Hauptplakat
Asteroid City -Hauptplakat © Universal Pictures

Überraschungen gibt es oberflächlich betrachtet erst mal keine, doch auch dieser Film strotzt nur so vor visuell hochgradig kreativen Feinheiten und fantastischen Ideen, für die ein mehrmaliges Ansehen alleine lohnen. Mit seinem herrlich liebevollen, pastellfarbenen und wunderbar sonnigen 50er Jahre Space Age-Wüstenstadtsetting setzt sich „Asteroid City“ dann aber zumindest alleine durch einen frischen Schauplatz und neue Genre-Versatzstücke von seinen bisherigen Filmen ab. Überhaupt, dieser etwas entsättigte und angenehm weiche 35mm-Look erweist sich als absolutes Unikat und ist auch für Anderson-Verhältnisse außergewöhnlich.

Mittlerweile bis zur Übertriebenheit gesteigert ist dann allerdings eben auch der äußerst manierierte Schauspielstil, der hier von einer erneut sagenhaften Who’s Who-Schauspielerriege vorgetragen wird. Dieser staubtrockene und fast schon mechanische wie auch teils manische Vortrag von Andersons feinen, geistreichen und intellektuellen Dialogen sorgt gepaart mit zurückhaltender Körpersprache und der extrem akribisch kontrollierten Ästhetik dann entweder für Distanz und Desinteresse oder eben auch wahlweise für Genuss beim Zuschauer – das ist einfach Geschmacksache. War es schon insbesondere bei dem Vorgänger „The French Dispatch“ oft schwierig, den Rat-Tat-Tat-Dialogen zu folgen, erwartet auch dieser Film volle Aufmerksamkeit. Erneut ist Andersons Vision so speziell und vollgepackt, dass hier einmaliges Ansehen einfach kaum genügen kann, um den Film vollständig zu fassen und wertzuschätzen. Selbst wenn „Asteroid City“ emotional auf Distanz hält, dieser eigenwillige und skurrile Film wirkt nach, denn dass hier thematisch viel schlummert, ist – auch wenn nicht immer greifbar – offensichtlich. Man will manchmal aus rein optischen Gründen innehalten, oft aber auch, um das Gesagte wirklich zu verstehen und einzuordnen.

Das liegt auch an einem erzählerischen Novum für Anderson, denn er nutzt für seine tragikomische Geschichte über mal wieder entfremdete Familien-Konstellationen, jugendliche und erwachsene Romanzen, Angst vor dem Unbekannten und vor allem Trauerbewältigung eine hintergründige und etwas aufgesetzt wirkende Meta-Rahmenhandlung, die diesen ohnehin verschachtelten Film nochmal mehr verschachtelt. Schauplatz des Geschehens ist wie bereits angedeutet das fiktive US-Wüstendörfchen Asteroid City (mit stolzen 87 Einwohnern). Größte Sehenswürdigkeit neben einem Diner, einer Autowerkstatt, einer Tankstelle, einem Motel und einem Observatorium ist ein riesiger Meteoritenkrater, der hier vor tausenden Jahren entstanden ist, gibt es nicht. Gelegentliche Atombombentests erschüttern dann ganz selbstverständlich diese kleine Wüstenoase.

Hierhin nach einer Autopanne verschlagen hat es den kürzlich verwitweten Kriegsfotografen Augie Steenbeck (Jason Schwartzman) und seine vier Kinder, zu denen er ein momentan bestenfalls emotional zurückhaltendes Verhältnis führt. Auch vor Ort sind die Hollywood-Schauspielerin Midge Campbell (Scarlett Johansson) inklusive Tochter Dinah (Grace Edwards), später Augies entfremdeter Schwiegervater Stanley Zak (Tom Hanks) sowie zahlreiche Lehrer (darunter Maya Hawke), hochbegabte Schüler und Eltern, die in Asteroid City zur jährlichen Junior Stargazer-Convention (einem Wissenschaftswettbewerb) einkehren. Als dann ein Raumschiff inklusive Alien das verschlafene Örtchen heimsucht, stellt Stargazer-Gastgeber General Grif Gibson (Jeffrey Wright) Asteroid City unter eine strikte militärische Quarantäne…

Steve Carell in ASTEROID CITY
Steve Carell in ASTEROID CITY © Credit: Courtesy of Pop. 87 Productions/Focus Features

Doch was man sich hier ansieht, ist – kein Spoiler – nur ein sich zunächst in Entstehung befindliches und schließlich zigfach aufgeführtes Theaterstück namens „Asteroid City“, das in der Rahmenhandlung von Autor Conrad Earp (Edward Norton) verfasst und im Stile einer 50er Jahre-Fernsehshow von einem unbenannten Gastgeber (Bryan Cranston) dem Publikum vorgestellt wird. Hier wechselt der Film immer wieder die Perspektive zwischen der 4:3-Schwarz-Weiß-Ästhetik der TV-Show und dem bonbonfarbenen Breitbild der Theaterstückhandlung, während die Figuren gelegentlich ganz im Meta-Stil die Sinnhaftigkeit ihrer Dialoge kommentieren oder gar die Kulisse verlassen und dann auch Teil einer Fernsehverfilmung des Stücks sind. Insgesamt ist hier ein erzählerischer Kniff zu sehen, der schlussendlich mehr verwirrt als wirklich zum Filmgenuss bzw. Spaß beizutragen und innerhalb dieses lose dahinerzählten Films viele Fragen aufwirft.

Das klingt alles dennoch durchaus kreativ wie hintergründig und sicher hat Anderson hier auch etwas zum Erzählen selbst und Sinn des Lebens zu sagen, der Funke springt nur leider nicht so wirklich über, wodurch der Film trotz vieler Genussmomente immer ein wenig auf Distanz bleibt. Man kann Andersons immensen Stilwillen bewundern, doch man muss zwangsläufig eben auch die ganze Zeit an den sich zumindest potentiell abnutzenden Stil als solchen inklusive aller bekannten Manierismen denken. Die emotionale und fein melancholische Ebene, die zumindest gelegentlich angedeutet wird, kommt hier einfach nicht mehr wie bei seinen wundervollen früheren Filmen (besonders „Rushmore“ und „The Royal Tenenbaums“) zur Geltung.

Vielleicht entfaltet dieser Film aber auch eine neue Ebene, denn interessanterweise kann gerade der emotionslos vorgetragene Inhalt von sehr tragischen Sachverhalten dazu führen, dass man als Zuschauer zur Selbstreflexion gezwungen wird und sich tatsächlich berühren lässt. „Asteroid City“ ist damit eine sehr spezielle Seherfahrung, die letzten Endes aber nicht ganz so verkopft und sperrig ist wie etwa der Vorgänger „The French Dispatch“. Komplett aufgesogen und an die Hand genommen wird man dennoch nie, es sind mehr sehr viele feine Momente und Details, die diesen sympathisch-verschrobenen Film besonders machen.

Filmwertung
7.5/10

Fazit:

Es ist eigentlich ganz einfach: Liebt man Wes Andersons immer weiter ausufernden ganz eigenen Stil, wird man zwangsläufig auch Gefallen an seinem zweifelsohne sehr originellen und oft wundervollen neuen Film finden. Erzählerisch und thematisch geht Anderson durchaus ebenso ambitioniert vor wie auch in ästhetischer Hinsicht, drohen der Stilwille, der übermäßig manierierte Stil und das etwas zu verkopfte Handlungsgerüst potentiell für eine gewisse Distanz und ein trotz aller Kreativität herausforderndes Filmerlebnis.


von Florian Hoffmann

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