Wie Stirb Langsam den Action-Film für immer verändern sollte…

Stirb langsam: Bruce Willis als John McLane
Stirb langsam: Bruce Willis als John McLane © 20th Century Fox

Am 10. November 1988 startete in den amerikanischen Kinos ein Film der das Action-Kino für immer verändern sollte. Ich spreche natürlich von dem zeitlosen Klassiker, und meinem persönlichen Genre-Liebling, Stirb Langsam. Und damit ist nicht gemeint, dass dieser Film Bruce Willis beinahe über Nacht zum Star macht, obwohl diese Leistung auch durchaus beachtlich ist. Um diese nachhaltige Veränderung des Genres aufzuzeigen, muss ich natürlich zunächst die Landschaft des amerikanischen Actionkinos davor skizzieren. Denn dies war die Sternstunde des Machohelden.


Das Genre wurde in den 80ern vor allem von einem Typ von Hauptdarsteller dominiert. Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone waren dabei die bekanntesten. Andere Namen wie Dolph Lundgren, Steven Seagal, Chuck Norris und Co. sind längst den Untiefen der Direct-to-DVD-Abteilung in den Videotheken verschwunden. Hinzuzufügen ist hier, dass schon damals die meisten dieser Filme nicht besonders gut waren, immenser Popularität beim Publikum erfreute man sich dennoch. Das lag vor allem an der enormen Unsicherheit, die der Kalte Krieg mit sich brachte. Die Angst vor einem nuklearen Angriff durch die Sowjetunion war ein ständiger Wegbegleiter. Als Kompensation erschuf das Kino unverwundbare Kampfmaschinen als Helden, die im Notfall ganze Armeen im Alleingang auslöschen konnten, während der böse Russe oft als blasser Gegenspieler herhalten durfte. „Rocky 4“ dürfte wohl den Höhepunkt dieser Bewegung darstellen. Ich empfehle an dieser Stelle auch immer gern „Das Phantom-Kommando“ (im englischen „Commando“) mit Arnold Schwarzenegger. Mehr als diesen Film braucht es absolut nicht, um das damalige Actionkino zu begreifen. Als Guilty Pleasure werde ich diesen immer lieben. Am vielleicht besten sind diese Entwicklungen vielleicht an der „Rambo“-Reihe zu beobachten. Während der erste Teil durch seine düstere und reale Auseinandersetzung mit dem Vietnam-Krieg noch dem sogenannten „New Hollywood“ entspringt, verabschiedete man sich mit der Fortsetzung bereits endgültig in patriotischere Gebiete. Doch musste das Publikum all dem irgendwann zwangsläufig überdrüssig werden…

Stirb langsam: Bruce Willis ist John McLane
Stirb langsam: Bruce Willis ist John McLane © 20th Century Fox

So sprang ein Regisseur auf den Plan, der bereits ein Jahr zuvor bewies, dass er die damaligen Vorgänge im Actionfilm besser versteht als sonst einer seiner Zeitgenossen. John McTiernan schuf mit „Predator“ eine eiskalte Dekonstruktion des sonst gewohnten Einheitsbrei. Indem er seine übliche Truppe an testosterongetriebenen Macho-Helden mit einem ihnen weit überlegenen Jäger gegenüberstellt, entstand nicht nur absoluter Kult, sondern auch ein intelligenter Action-Streifen, der mehr als einmal mit den Genreklischees spielt.

Wie gesagt, McTiernan verstand den Zeitgeist. So schuf er eben im Jahr darauf einen Meilenstein, der sich in vielerlei Hinsicht als absoluter Gegenentwurf zu all den Stallones da draußen herausstellen sollte. So schuf man hier mit John McClane den Alltagshelden schlechthin. Etwas das später noch oft kopiert werden sollte. Er hatte (neben den Gangstern, die ihn töten wollten) ganz normale Probleme. Seine Frau verließ ihn, er hatte Flugangst, er wurde durch die Geschehnisse herausgefordert. Kurzum er war alles andere als perfekt. Plötzlich konnten wir uns mit einem Action-Helden identifizieren, da wir uns selbst in ihm erkannten.

Er sah aus wie wir, schließlich ist Bruce Willis gerade im Vergleich zu einem Schwarzenegger doch sehr schlaksig. Er redete wie wir, hatte keine scheinbar endlose Stange an dümmlichen One-Linern auf Lager (obwohl der ein oder andere doch fällt). Er blutete wie wir. Er handelte wie wir. Genau wie wir es wären, war John mit der Situation heillos überfordert und das, obwohl „nur“ ein Dutzend Schurken auftauchten. Und all dies verlangte seinen Preis, so nahm ihn auch seine erste Tötung im Film sichtbar mit. Kurzum verkörpert Bruce Willis eine Figur, der wir kaum näher hätten sein können, die im Laufe des Films sowohl psychisch als auch körperlich über sich hinauswachsen muss, um nicht nur als Held zu siegen, sondern auch, um ein besserer Mensch zu werden. Wer kann sich damit denn bitte nicht identifizieren? So leiden auch wir, wenn John leidet, wir fühlen, was er fühlt, wir bangen, wenn er bangt. Auch unabhängig von der makellosen Regiearbeit, dem klaustrophobischen Setting und der sonstigen Perfektion, die alle beteiligten zu Tage legen, entsteht so eines der intensivsten Filmerlebnisse, die ich jemals hatte.

Bruce Willis in Stirb langsam 4.0
Bruce Willis in Stirb langsam 4.0 © 20th Century Studios

Nur logisch, dass sich eben fortan auch andere Filme ein Beispiel an „Stirb Langsam“ nahmen. Fortan durften Helden wieder menschlicher sein. Sie hatten Makel und machten Fehler. Sie bewältigten neben ihren Pflichten als Action-Held auch alltägliche Herausforderungen. Ganz deutlich merkt man diesen Paradigmenwechsel am bereits erwähnten „Predator“. Während in Teil 1 eben noch der Muskelberg Schwarzenegger die Hauptfigur verkörperte, stand 1991 im Sequel dann der wesentlich alltäglicher aussehende Danny Glover in erster Reihe, was hier keinesfalls als Beleidigung zu verstehen ist. Natürlich erfand „Stirb Langsam“ diese Art Held nicht erst. Bereits einige Jahre zuvor erblickte dank Steven Spielberg Indiana Jones das Licht der Welt und 1987 schufen Richard Donner und Shane Black mit Roger Murtaugh und Martin Riggs zwei weitere Ikonen, die eher durch ihre Menschlichkeit auffallen und weniger als eindimensionale Muskelberge. Letztlich war es aber eben John McClane, der bis heute das Konzept des Actionhelden nachhaltig beeinflussen sollte.

Bis dato war dieser Typ Held die Ausnahme, danach die Regel. So durfte Bruce Willis in seiner Paraderolle auch in zwei starken Nachfolgern noch einmal brillieren, bevor man mit Teil 4 eine etwas andere Richtung einschlug, die mit „Stirb Langsam 5“ einen neuen Tiefpunkt erreichen sollte. Hier ging man plötzlich in eine Richtung, die dem Geist der Vorgänger vollkommen widersprach. Doch auch neben den eigenen Fortsetzungen inspirierte man unter anderem durch das Setting, den Bösewicht, den Sidekick und generell der Handlung bis heute zahlreiche Nachahmer. Sie alle aufzuzählen würde den Rahmen hier endgültig sprengen (vor allem da viele davon offen gestanden ziemlicher Mist sind), doch inspirierte man auch Jan de Bont, der bei „Stirb Langsam“ noch die Kamera bediente, seine eigene Version zu inszenieren. So entstand mit „Speed“ ein weiterer Klassiker des Actionkinos. Das Genie des Originals ist für mich jedoch bis heute unerreicht.

Kein Wunder also, dass ich seit Jahren jedes Weihnachten wieder Stirb Langsam in meinen Blu-ray Player einlege, und erneut auf ein unvergessliches Abenteuer mit einem alten Freund mitgerissen werde. Eine Tradition, die noch lange fortbestehen wird…

von Sebastian Stegbauer

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