The Assistant: Drama über den Missbrauch in Hollywood

Julia Garner in The Assistant
Julia Garner in The Assistant © Ascot Elite

Die Kritik:

The Assistant - Blu-ray
The Assistant – Blu-ray © Ascot Elite

Der Missbrauchsskandal um Filmproduzent Harvey Weinstein vor 3 Jahren erschütterte nicht nur die Filmwelt, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes weltweit. Dieses absolut sensible Thema und auch der Fall Weinstein (wenn auch nicht namentlich) wird im Film The Assistant aufgegriffen und dem Zuschauer eindringlich, subtil und schonungslos aufbereitet. Das Drama erzählt in seinen knapp 87 Minuten einen Arbeitstag einer noch jungen Berufseinsteigerin in ihren ersten Monaten bei einer großen Produktionsfirma und fokussiert sich hierbei auf ihre Alltagsroutinen, den Umgang der männlichen Kollegen mit ihr und auch der Umgang von „ihm“ mit ihr. „Ihm“, „er,“ oder „ihn“ ist der nicht namentlich erwähnte Chef der Produktionsfirma, der im Kontext der behandelten Thematik eindeutig auf Harvey Weinstein hindeutet. The Assistant ist für die allermeisten Zuschauer womöglich ein sperriger, trockener Streifen, der viel Geduld und Aufmerksamkeit verlangt. Dennoch ist es ein höchst brisanter, filmisch interessanter, hervorragend gespielter und äußerst wichtiger Film, der es schafft die Problematik beispielhaft zu skizzieren und dem Zuschauer schlichtweg sublimes Kino bietet, ohne prätentiös zu sein.

Mit The Assistant ist ein Film entstanden, der zwar beim bisher kleinen Publikum eher solide bis schwach bewertet wurde (IMDb-Wertung 6,1 bei ca. 10 Tausend Bewertungen), jedoch einen Metascore von 79 besitzt. Die größte Diskrepanz zwischen Zuschauer und Kritiker sieht man bei der Rotten Tomatoes-Bewertung, wo er bei Kritikern einen Score von 92% hat, bei Zuschauer lediglich 25%. Das ist nicht besonders verwunderlich, ist der Film womöglich für das breite Publikum viel zu trocken und zäh. So passiert auch in der Handlung selbst nicht viel. Der Film erstreckt sich über einen langen Arbeitstag von ca. 7 Uhr bis 22 Uhr und beobachtet viel. Man sieht die Routinetätigkeiten von Jane, welche sensationell gespielt ist von Julia Garner, die hier mit sehr nuanciertem Schauspiel, die Verunsicherung, aber den Ehrgeiz von Jane glaubwürdig verkörpert. Es ist beeindruckend wie sie mit ihrer Mimik und besonders mit ihren Augen dem Zuschauer ihr Wohlbefinden und ihren Charakter vermittelt. So ist sie von der ersten bis zur letzten Sekunde der emotionale Bezugspunkt des Zuschauers, was sie dank ihres eindrucksvollen Spiels ermöglicht.

The Assistant: Jane (Julia Garner) am Schreibtisch
The Assistant: Jane (Julia Garner) am Schreibtisch © Ascot Elite

Die vorhin erwähnten Routinetätigkeiten reichen vom Kochen des Kaffees, dem Aufbereiten des Frühstücks, dem Hochfahren des Laptops bis hin zu den ersten Gesprächen, Telefonaten und Mails. Selbst das Anschalten der Deckenleuchten bekommt eine Extra-Szene. So passiert in den ersten 30 Minuten des Films recht wenig, wenn man das ganze oberflächlich betrachtet. Wenn man ignorant ist, kann man gar behaupten, der Film erzähle in seinen 87 Minuten recht wenig. Aber The Assistant erfordert vom Zuschauer das berüchtigte „Zwischen den Zeilen lesen“ in einem besonderen Ausmaß, wie selten ein Film. Das macht ihn letztlich zu einem außergewöhnlichen Streifen.

Das Drama versucht das Problem in seinen kleinen Feinheiten zu sezieren. Doch was ist genau „das Problem“? Das lässt sich in einem Satz gar nicht beschreiben. Jane wird hier nicht Opfer sexuellen Missbrauchs oder sexueller Belästigung. Die Thematik, insbesondere am Arbeitsplatz, ist noch tiefer verwurzelt, bevor der eigentliche sexuelle Aspekt eine Rolle spielt. So ist der unterkühlte Umgang miteinander, die teils herablassenden Blicke männlicher Kollegen, die fehlende Herzlichkeit und eine eher aufgezwungene Kollegialität in einem Männer-dominierenden Arbeitsumfeld, bei der eine gewisse Ellenbogen-Mentalität vorherrscht, eine von vielen Facetten, die das Dilemma und die Herausforderungen aufzeigen, welche viele junge Frauen im Arbeitsalltag bewältigen müssen. An Brisanz gewinnt der Film in seiner Handlung als eine junge Frau, noch völlig ohne Erfahrung, aber äußerst attraktiv, als neue Assistentin eingestellt wird. Jane begleitet sie zu ihrer provisorischen Unterkunft, die ihr Chef organisiert hat, wird jedoch skeptisch hinsichtlich der Absichten ihres Chefs, weshalb er ausgerechnet sie eingestellt hat, da sie offensichtlich keine ausreichenden Qualifikationen besitzt. Was darüber hinaus passiert, wäre für eine ausreichende Analyse von Nöten gewesen zu beschreiben, wird jedoch, um spoilerfrei zu bleiben, nicht weiter ausgeführt.

The Assistant: Jane (Julia Garner) recherchiert
The Assistant: Jane (Julia Garner) recherchiert © Ascot Elite

Nichtsdestotrotz gewinnt der Film an Spannung und Intensität und analysiert die Problematik viel tiefgreifender. Denn er zeigt mit fortschreitender Lauflänge, wenn auch unangenehm, aber mit der nötigen Direktheit, weshalb es so lange brauchte, bis es solch einen Fall, wie der von Harvey Weinstein in die Öffentlichkeit schaffte und Bewegungen wie Me too oder Time‘s Up hervorbrachte. Es ist die Ohnmacht der Zeugen und Betroffenen in ihrer Position auf der Arbeit solche Fälle zu melden. Man schenkt ihnen kein Gehör oder erpresst sie und fordert sie auf, dies unter dem Teppich zu kehren, sonst hätte es Konsequenzen für die berufliche Zukunft desjenigen. Natürlich ist das keine bahnbrechende Erkenntnis, die hier The Assistant offenbart. Aber so zeigt der Film binnen 80 Minuten (ohne Abspann) mit einfachen Mitteln, einer natürlichen Inszenierung, einer präzisen Erzählweise und einem unglaublichen Feingefühl sowohl beim Drehbuch als auch bei der Inszenierung und dem Schauspiel, die Komplexität und Ausweglosigkeit dieser Problematik. Denn auch trotz Time‘s up, Me too und dem ganzen Ruck durch die Gesellschaft – der Fall Harvey Weinstein war kein Einzelfall und bleibt nicht der letzte Fall und auch der Alltag von Jane ist der Alltag vieler junger Frauen auf der ganzen Welt. Daher kann man dem Film vorwerfen, dass er den Film etwas zugänglicher hätte inszenieren können, um ein größeres Publikum zu gewinnen. Dennoch bleibt er in seiner Art und Weise schlichtweg beeindruckend und äußerst effektiv.

Bild:

The Assistant ist als eine Art „Bürofilm“ kein bildgewaltiger Streifen. Die Farben sind eher kühl. Das Bild offenbart aber keine Schwächen oder Makel, die stören. Auch Filmkorn oder Unschärfe in den dunklen Aufnahmen sind nicht zu erkennen.

Ton:

Der Film wurde in der deutschen Fassung gesehen. An manchen Stellen wirkt die Synchronisation der Nebenfiguren etwas aufgesetzt. Ansonsten bringt die Disc die knackigen Bürogeräusche (Tastatur, Tacker, Drucker usw.) wirkungsvoll und satt über die Lautsprecher rüber. Die Dialoge am Telefon und auch die persönlichen Unterhaltungen im Film unterliegen einer guten Tonmischung, sodass man kein großer Raum für Kritik ist.

Extras:

Hier gibt es leider lediglich den Trailer in der Originalfassung und in der deutschen Version.

Blu-ray Wertung
  • 8/10
    Film - 8/10
  • 8/10
    Bild - 8/10
  • 9/10
    Ton - 9/10
  • 1/10
    Extras - 1/10
7.5/10

Kurzfassung

Kitty Greens Drama The Assistant überzeugt mit starkem Schauspiel und einer intelligenten Aufbereitung einer komplexen Problematik.

Fazit:

The Assistant spaltet Kritiker und Publikum. Man versteht dies nach Betrachten des Films. Dennoch muss man The Assistant allein aufgrund seiner wichtigen Thematik eine Chance geben. Julia Garner spielt hier großartig auf, das Drehbuch ist präzise geschrieben, die Problematik subtil aufbereitet und die Inszenierung äußerst glaubwürdig, sodass der Streifen insgesamt ein smarter, realistischer und interessanter Einblick in eine komplexe und unangenehme Thematik ist.


von Morteza Wakilian

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