City under Fire – Die Bombe tickt: Non-Stop-Action – Blu-ray Kritik

City under Fire - Szenenbild
City under Fire - Szenenbild © Koch Films

Die Kritik:

Keinen Monat nach Raging Fire, dem fulminanten letzten Film der Hongkonger Film-Legende Benny Chan (Jackie Chan ist Nobody, New Police Story), erscheint mit City under Fire – Die Bombe tickt ein weiterer Hoffnungsträger für das angeschlagene Hongkonger Actionkino auf Blu-Ray und DVD. Regisseur Herman Yau, der zuletzt mit The White Storm 2: Drug Lords und Shock Wave große kommerzielle Erfolge an den Hongkonger Kinokassen feierte, liefert einen seiner besten Filme, der ungeachtet einiger nerviger Klischees und eines völlig überreizten Plots, bildgewaltiges und actiongeladenes Hong Kong Action Cinema der Spitzenklasse garantiert.

City under Fire - Blu-ray
City under Fire – Blu-ray © Koch Films

Die großen Zeiten der Kung Fu Craze sind lange vorbei. Mitte der 90er Jahre erlebte die Hongkonger Filmindustrie einen regelrechten Kollaps, nachdem sie in den 70er und 80er Jahren zu einer der stärksten Filmindustrien weltweit gehört hatte (Hongkong war geraume Zeit lang drittgrößter Filmproduzent, direkt nach den USA und Indien). Dass sich so eine erfolgreiche und innovative Filmindustrie in einer Sonderverwaltungszone, die nicht einmal halb so groß ist wie Luxemburg, entwickeln konnte, lag auch an den außergewöhnlichen politischen und geografischen Gegebenheiten der Millionenmetropole. Dem südchinesischen Festland vorgelagert, war Hongkong bis 1997 eine von China unabhängige britische Enklave, in der sich westliche und fernöstliche Kulturelemente auf einzigartige Weise miteinander verbanden. Diese kulturelle Allianz führte zur Ausprägung einer einzigartigen Filmindustrie, die, weitestgehend unberührt vom Einfluss der chinesischen Zensurbehörden, zu einem Leuchtfeuer liberaler und experimenteller Filmkunst in Ostasien wurde. Auch wenn das Hongkonger Kino seine internationale Vormachtstellung heute verloren hat und nur noch unter dem strengen Blick der chinesischen Zensur existiert, so hat es sich im Kern doch seine unbändige Lust an kinematografischen Experimenten und seinen Hang zum Subversiven bewahrt. Raging Fire ist ein subtiler Beleg für diesen ungezähmten Kern, und dafür, dass das Hongkonger Kino (noch) nicht gänzlich dem chinesischen Kino einverleibt wurde.

Die Story von Raging Fire ist der helle Wahnsinn. Anders als der Originaltitel Shock Wave 2 suggeriert, handelt es sich lediglich thematisch um eine Fortsetzung von Shock Wave, eine Praxis, die im Hongkonger Actionkino Tradition hat. Der Vorzeigepolizist und Bombenspezialist Poon Sing-fung verliert bei einem Einsatz den linken Fuß und ihm wird trotz eines eindrucksvollen Genesungsprozesses samt Training-Montage die Rückkehr in seine Einheit versagt – viel zu gefährlich sei es einen Invaliden wie ihn weiterhin im Außendienst zu beschäftigen und seit seiner Verletzung nervt er sowieso nur noch. Fünf Jahre später wird derselbe Poon Sing-fung dann als Hauptverdächtiger bei einem Terroranschlag festgenommen. Ist der in Ungnade gefallene Ex-Polizist aufgrund seiner Wut auf das System zum Terroristen geworden? Oder war er womöglich ein Undercoveragent in der Terrororganisation, die nun droht, Hongkong mit einer Atombombe vom Rest der Welt abzuschneiden? Poon Sing-fung weiß es selbst nicht, denn seit dem Anschlag leidet er an Amnesie. Mithilfe seiner ehemaligen Geliebten Pong Ling versucht er die Terrororganisation zu infiltrieren, um so seine Erinnerungen wiederzuerlangen und die Terroristen zu stoppen.

City under Fire - Szenenbild
City under Fire – Szenenbild © Koch Films

Große Teile dieses Plots werden in zahlreichen Flashbacks erzählt, und zwischen den rasanten Kampfszenen und Verfolgungsjagden kann es manchmal passieren, dass man den Überblick darüber verliert, ob man sich nun grade in der Gegenwart oder einer der zahlreichen Vergangenheiten befindet. Man ist fast versucht aufzugeben und sich einfach zwei Stunden lang von der bildgewaltigen Action berauschen lassen, doch dann würden einem womöglich einige bemerkenswerte Nuancen entgehen, die Yau bedächtig in die Storyline seines Films eingewoben hat. Raging Fire ist nämlich auch eine subtile Kritik am Hongkonger Polizeiapparat, eine Organisation, die bei den Hongkonger Massenprotesten 2019 und 2020 zum verlängerten Arm und gewaltsamen Instrument chinesischer Interessen in der Sonderverwaltungszone wurde. Die Staatswillkür, deren Opfer Poon Sing-fung wird, die Wut und Ohnmacht, die er erlebt, sein rapider moralischer Verfall – all das sind feine Fingerzeige auf die sukzessive Aushöhlung der Hongkonger Demokratie durch den chinesischen Staat. Diese Kritik ist grade so vage, so punktuell zwischen den unzähligen Explosionen, Verfolgungen und Schießereien eingestreut, dass sie an den chinesischen Zensurbehörden vorbeigeht und doch bei genauerer Betrachtung den unbändigen Geist des Hongkonger Kinos offenbart. Auch das Thema Erinnerungsmanipulation kommt in einem verwirrenden Nebenplot auf – der Staat selbst greift in die Erinnerungen von Poon Sing-fung ein und formt sie nach seinen eignen Zielen, das Individuum wird zum bloßen Objekt staatlicher Interessen – eindeutiger könnte eine uneindeutige Kritik am chinesischen Kontroll- und Repressionsapparat kaum sein.

Visuell ist Raging Fire ein einziger Genuss. Verfolgungsjagden durch die Straßenschluchten von Hongkong, Atombombenexplosionen, die ganze Landstriche vaporisieren, Sets, die mit viel Liebe zum Detail eingerichtet wurden und Kampfchoreografie, in denen man es kaum wagt zu blinzeln. Da kann man auch über die zahlreichen Klischees hinwegsehen, die der Film trotz aller Innovation auch immer wieder hartnäckig bedient: Es gibt einen Amnesie-Plot, eine Beerdigung wird aus der Ferne beobachtet, es gibt eine Trainings-Montage, eine Dienstmarke wird demonstrativ über einen Tisch geschoben, der Bösewicht hat eine besonders idiotische Frisur und nachdem eine Reinigungskraft stirbt, stellt sich allen Ernstes heraus, dass es ihr letzter Tag vor der Rente war – was auch sonst. Der Film hätte sich hier ruhig selbst etwas weniger ernst nehmen können, aber letztendlich sind all diese Klischees zugleich auch beliebte Tropen des (Hongkonger) Actionkinos und tragen so zu dem willkommenen Gefühl des altbekannten Neuen bei, den für viele der Genuss von Actionfilmen mit ausmacht.

City under Fire - Szenenbild
City under Fire – Szenenbild © Koch Films

Bild:

Hier lohnt sich der Griff zur Blu-ray, Regisseur Yau ist von Beruf nicht nur Regisseur, sondern auch Kameramann und weiß die rasanten Actionszenen geschickt in teilweise wirklich atemberaubende Kamerafahrten durch Hongkongs Großstadtdschungel einzubetten. Überhaupt ist City under Fire zuallererst ein visuelles Erlebnis und das sollte (wenn denn möglich) mit der entsprechenden Hardware gewürdigt werden. Je größer und hochauflösender der Bildschirm, desto mehr Spaß bereiten die zahlreichen aufwendig animierten Riesenexplosionen im Film.

Ton:

Kristallklarer Sound dank DTS-HD MA 5.1 in der Originalsprache Kantonesisch, und wahlweise synchronisiert auf Deutsch und Englisch (Untertitel nur auf Deutsch).

Extras:

Neben dem Hauptfilm gibt es eine überschaubare Auswahl von Extras, darunter drei Trailer, einen Teaser, ein etwa 40-minütiges Making-of und eine Bilderserie ausgewählter Filmsets. Außerdem gibt es ein Musikvideo, in dem die beiden Hauptdarsteller Andy Lau und Ni Ni ein rührseliges Duett singen. Das Ganze wirkt etwas befremdlich, wenn man nicht weiß, dass sich spätestens seit den 2000er Jahren ein Großteil der Hongkonger Actionstars auch als Popsänger betätigen.

Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7/10
  • 8/10
    Bild - 8/10
  • 8/10
    Ton - 8/10
  • 6/10
    Extras - 6/10
7/10

Kurzfassung

Furioses Non-Stop-Actionkino narrativen Schwächen.

Fazit:

Genrefans werden den neuen Actioner von Herman Yau lieben, und auch Neulingen bietet der Film trotz einiger narrativer Schwächen einen mitreißenden Einstieg in das Hongkonger Actionkino der Gegenwart.


von Jan Niklas Breuer

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