Tár – Cate Blanchett ist überragend

Cate Blanchett als Lydia Tár in TÁR
Cate Blanchett als Lydia Tár in TÁR © Focus Features

Die Kritik:

„Tár“ ist einer der Filme, welcher bei der diesjährigen Oscarverleihung zu den großen Gewinnern zählen könnte. Der Film von Todd Field („Little Children“) ist für insgesamt sechs Preise nominiert, darunter die prestigereichen Kategorien „Bester Film“, „Bestes Originaldrehbuch“, „Beste Regie“ und „Beste Hauptdarstellerin“. Vor allem Cate Blanchett („Carol“) als Protagonistin Lydia Tár wird eine hohe Chance zugesagt, den begehrten Academy-Award zu gewinnen. Ob das nun wirklich passiert, werden wir erst am 13. März erfahren, doch verdient wären diese Preise allemal. Denn „Tár“ ist einer der einzigartigsten Filme des Jahres.

Das Poster von TÁR © Focus Features

Sie gehört zu den größten Dirigenten der Neuzeit: Lydia Tár (Cate Blanchett). Weltweit wird sie durch ihre Leistungen mit der Berliner Philharmonie verehrt und nun steht sie vor der nächsten Auszeichnung. Der Maestro hat fast den gesamten Zyklus von Mahler gespielt, nur die 5. Sinfonie fehlt noch. Doch ausgerechnet jetzt wird Tár privat auf die Probe gestellt, als in ihrer Ehe Probleme auftauchen, sie eine neue attraktive Cellistin (Sophie Kauer) kennenlernt und eine ehemalige Schülerin von ihr Selbstmord begeht …

Durch den Titel ist es eindeutig, wer im Vordergrund dieser 158 Minuten steht und das ist selbstverständlich Cate Blanchett als Lydia Tár. Sie hat schon einige Preise für ihre Darstellung des Maestro erhalten und dies absolut zurecht. Im gesamten Film weichen wir kaum von ihrer Seite, wodurch der Zuschauer einen ausführlichen Blick auf ihre Figur erhält. Das Beeindruckende: Die Figur Lydia Tár ist so vielschichtig und komplex, dass man glauben könnte, man würde sich eine Biografie ansehen. Diesen Eindruck unterstützt ein Interview am Anfang des Filmes, welches einem direkt einen groben Überblick über ihre Gedanken bietet.

Sophie Kauer als Olga Metkina und Cate Blanchett als Lydia Tár
Sophie Kauer als Olga Metkina und Cate Blanchett als Lydia Tár © Florian Hoffmeister / Focus Features

Es ist nicht nur dem packenden Schauspiel von Cate Blanchett zu verdanken, dass sich Tár wie eine echte Person anfühlt, sondern dies liegt natürlich ebenfalls an dem Drehbuch. Regisseur und Autor Todd Field muss sich tief in die Welt der klassischen Musik eingelesen haben, denn er bekommt für die Darstellung große Lobeshymnen. Ab und an versinkt er zwar zu sehr in Namedroping, wodurch Zuschauer, die sich nicht ausführlich mit klassischer Musik auskennen, nicht immer mitkommen, doch genau dieses Wissen sorgt gleichzeitig für diesen extremen Realismus. Man spürt nämlich allgegenwärtig, dass „Tár“ in unserer Welt angesiedelt ist.

Themen wie Cancel Culture oder die MeToo-Bewegung werden aufgegriffen, gleichwohl bleibt der Film in seiner Bewertung dieser aktuellen Phänomene überraschend neutral. Die Wertung obliegt beim Zuschauer, der sich selbst über diese modernen Geschehnisse Gedanken machen soll. Spannend ist eine weitere Fragestellung, die der Film aufmacht: Inwiefern sollte man die Kunst eines Schaffenden unterstützen, wenn er Einstellungen besitzt oder einen Lebensstil führt, den ich persönlich nicht gutheiße. Auch darüber soll sich der Zuschauer wieder Gedanken machen.

Wohin schaut Lydia Tár?
Wohin schaut Lydia Tár? © Focus Features

Inszenatorisch sollte man sich auf einen sehr ruhigen Stil gefasst machen, der sich auf lange Einstellungen konzentriert. Die Dialoge bleiben sogar lange ohne Schnitt. Dadurch wird den wenigen aber sehr effektiven surrealen Momente eine besondere Wertigkeit gegeben, da sie aus dem Film wirklich hervorstechen. Zudem sind diese Momente auch mit leichten Genreausflügen verbunden, denn „Tár“ ist kein reines Drama. Es gibt immer wieder Momente, in denen sich „Tár“ traut, die Erwartungen des Zuschauers zu überraschen. So fühlt sich „Tár“, trotz der langen Laufzeit, relativ kurzweilig an. Des Weiteren dürfte sich das deutsche Publikum sehr über das Setting freuen, das in Berlin angesiedelt ist. Cate Blanchett spricht sogar teilweise auf Deutsch, welches richtig gut klingt. Auch daran erkennt man das Herzblut und die immense Arbeit, die in dieses Projekt geflossen ist.

Filmwertung
8/10

Kurzfassung

Ein Must-See vor den Oscars 2023.

Fazit:

Der besonderste Aspekt an „Tár“ ist wohl, dass man glauben könnte, hier wirklich ein Biopic über einen real-existierenden Menschen zu sehen. Die Figur Lydia Tár überzeugt durch ihre Vielschichtigkeit und das herausragende Schauspiel von Cate Blanchett. Außerdem begeistert die Detailverliebtheit, denn die Welt der klassischen Musik wird so ausführlich beleuchtet, dass sogar die Musikwelt selbst ihren Hut zieht. Man darf gespannt sein, wie viele Oscars am Ende dafür herausspringen werden.


von Lukas Weinandy

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