The Devil all the Time: Kritik zum Netflix Film

The Devil all the Time: Tom Holland als Arvin Russell
The Devil all the Time: Tom Holland als Arvin Russell © Netflix / Glen Wilson

Endlich reit sich mal wieder ein Netflix-Film mehr in die Spate von The Ballad of Buster Scruggs, The Irishman oder Auslöschung ein, und weniger in die von 6 Underground und Polar.


The Devil all the Time - Filmplakat
The Devil all the Time – Filmplakat © Netflix

The Devil all the Time beweist, dass auch im herkömmlichen Netflix-Kosmos noch aufstrebende Filmemacher ein Ausrufezeichen setzen können. Es ist beeindruckend wie Antonio Campos zahlreiche (und ich meine ZAHLREICHE) verschiedene Handlungsstränge hier gekonnt miteinander verknüpft, dabei liegt es nur in der Natur der Sache, dass nicht alle gleich interessant sein können. Doch alle haben sie etwas gemeinsam. Sie erzählen von der zerstörerischen und korrumpierenden Macht von Religion, Kirche und Glaube. Beginnend bei Willard Russels grausamen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg bis zu fanatischen Mördern ist Religion allgegenwärtig. Einzig dem Handlungsstrang von Sebastian Stans Kleinstadtsheriff geht diese thematische Verknüpfung etwas ab. Hier reduziert man sich auf Machtmissbrauch. Intelligent in die Dramaturgie des Films ist dieser aber dennoch eingebunden, auch wenn der Film seinen Höhepunkt etwas verfrüht erreicht.

So erarbeitet sich ein über Generationen erstreckendes langsam erzähltes, aber ungemein kraftvolles amerikanisches Kleinstadtdrama in der Nachkriegszeit. Durch wunderbare Wide shots, gefüllt von scheinbar unzähligen Details und fantastischen Sets, erhält die Handlung dabei eine Größe und bisweilen Epik, die ich in diesem Ausmaß lange nicht mehr gesehen hat. Dennoch verliert Campos, der mit seinem Bruder Paulo das Drehbuch verantwortete, nie seine tragischen Einzelschicksale aus den Augen, wodurch der Film gleichermaßen groß, wie auch intim daherkommt. In nahen, schmerzhaften, aber oft brillant komponierten Einstellungen treibt er die Handlung voran, immer wieder erzählt gerade die Kamera durch intelligentes Blocking über diese harte Welt und die beschädigten Figuren die sie bevölkert. Untermalt vom stimmungsvollen Soundtrack bin ich vor allem froh, dass auf 35 mm Film gedreht wurde. Die Körnung und der Old-School-Look tragen viel zur Stimmung des Films bei. Einzig das unnötige Voiceover durchbricht diese dichte Atmosphäre ein wenig und schwächt die Wucht einiger Szenen.

The Devil all the Time: Robert Pattinson als Preston Teagardin
The Devil all the Time: Robert Pattinson als Preston Teagardin © Netflix / Glen Wilson

Doch sind es dann gerade die Close-ups die diese intimen Spannungsmomente erzeugen, die scheinbar endlos mit meinen Nerven spielten. Doch braucht es eben auch Schauspieler, die diese glaubhaft zum Leben erwecken. So stechen in einem Ensemble, das sich wohl nur Netflix leisten kann, vor allem zwei Darsteller heraus. Der junge Tom Holland, in der Rolle des zerrissenen Protagonisten, tritt hier vollständig aus Spider-Mans übergroßen Schatten. Hier wird er getrieben von Schmerz, rohe Brutalität, dem Trauma seiner Vergangenheit, aber eben auch durch die unendliche Zuneigung zu seiner Schwester und der Liebe zu seiner Familie. All das vereinigt er in einer oscarreifen Performance, die auch Zweifler wie mich vollkommen vereinnahmt. Auf der Gegenseite haben wir hier Robert Pattinsons durch und durch verabscheuungswürdigen Prediger, unter dessen Arroganz und Scheinheiligkeit sich etwas viel Grausameres verbirgt. Gerade als nach und nach dessen zweite Ebene hervortritt, zeigt der zukünftige Batman-Darsteller wieder einmal sein außerordentliches Talent. So ist es kein Wunder, dass die beste Szene des Films und der vorläufige Höhepunkt nichts Weiteres braucht als diese zwei einmaligen Schauspieler.

Filmwertung
8/10

Fazit

Schmerzhaft, deprimierend, düster, anstrengend, nicht für das übliche Netflix-Publikum sind alles Worte, die The Devil all the Time hervorragend beschreiben. Ich würde allerdings eher ein anderes wählen: Brillant!

von Sebastian Stegbauer

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