Filmfestival Cologne 2023

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FFCGN Logo © Filmfestival Cologne

Auch in diesem Herbst konnte das Filmfestival Cologne in seiner 33. Ausgabe zahlreiche ZuschauerInnen mit einem bunten internationalen Programm bestehend aus Spiel- und Dokumentarfilmen sowie für das Festival typischen exklusiven TV-Premieren begeistern. War das einst als Cologne Conference bekannte Festival primär ein renommiertes Branchenevent, ist das „FFCGN“ in den letzten Jahren mittlerweile zu einem echten Hotspot für ein immer größer werdendes Publikum geworden. So fanden die ZuschauerInnen und das Branchenpublikum vom 19.10. bis zum 26.10.2023 ihren Weg in die teilnehmenden Kinos, wobei der Filmpalast Köln klarer Dreh- und Drehangelpunkt des Festivals war.


War die Cologne Conference bis 2008 ein reines TV-Festival, sorgte vor allem die Erweiterung mit der damals „Kino“ benannten Spielfilm-Sektion für einen immer weiter wachsenden Stellenwert des Festivals. Dieser Bereich ist mittlerweile sogar so groß, dass er in sechs Segmente mit den klangvollen Namen „Best of Cinema Fiction“, „Best of Cinema Documentary“, „Look“, „NRW-Wettbewerb“, „Hommage“ sowie „Special Screenings“ aufgeteilt ist. Während die beiden erstgenannten Teilbereiche weitestgehend selbsterklärend sind und sich klar auf Kino-Produktionen beschränken, verbergen sich hinter den Special Screenings primär Fernsehproduktionen. Hier konnten deutsche wie auch internationale TV-Filme und -Serien – teilweise in Anwesenheit der MacherInnen – bewundert werden: So zeigte das Festival unter Anderem den WDR-Film „Eher fliegen hier UFOs“ über ein von der Braunkohleförderung bedrohtes Dorf, Jan Bonnys ZDFneo-Reichsbürgerserie „Freiheit ist das einzigste, was zählt“, die britische ITV1-Miniserie „The Long Shadow“ über den Yorkshire Ripper, die Zombieserien-Fortsetzung „The Walking Dead: Dead City“ sowie sehenswerte Dokumentarfilme wie „Wohin mit Kurt?“ oder die Magenta-Produktion „Ewald Lienen: Eine griechische Tragödie“ über die unglaubliche Trainer-Station „Zettel-Ewalds“ bei dem griechischen Krisenclub AEK Athen im Jahr 2012.

Filmpalast Köln © Florian Hoffmann

Noch weitere hochkarätigere TV-Produktionen fanden Einzug im „Top Ten TV“-Segment: So waren hier die Paramount+-Serien „The Curse“ von Nathan Fielder und Benny Safdie mit Emma Stone, Ron Nyswaners „Fellow Travellers“ mit Matt Bomer sowie die deutsche Produktion und Bestseller-Verfilmung „Eine Billion Dollar“ von Florian Baxmeyer und Isabel Braak zu sehen. Das ehemalige franko-kanadische Wunderkind Xavier Dolan, der dieses Jahr auch mit dem Hollywood Reporter Award des Festivals ausgezeichnet wurde, präsentierte hier persönlich seine erste Serie „The Night Logan Woke Up“, die jedoch in zahlreichen Märkten bereits verwertet wurde. Auch europäische Produktionen wie „Haus aus Glas“, „Die zweite Welle“, „Davos 1917“ oder der packende deutsche Thriller „Trunk“ von Marc Schießer, der fast ausschließlich im Kofferraum eines PKWs spielt, waren Teil des gemischten Programms der TV-Sektion.

Wer bei „NRW-Wettbewerb“ nur an deutsche bzw. regionale Produktionen denkt, liegt falsch. Hier fanden auch zahlreiche internationale Co-Produktionen einen Platz, die unter Anderem von in Nordrhein-Westfalen ansässigen Produktionsfirmen bzw. Förderinstitutionen unterstützt wurden. Am unwahrscheinlichsten erweist sich hier wohl der starke, bildgewaltige und zutiefst bittere chilenische Oscar-Beitrag „The Settlers“, der unter Anderem von der Kölner Produktionsfirma Sutor Kolonko co-produziert wurde. Wie auch zahlreiche andere Festival-Beiträge feierte auch dieser Film seine Premiere in Cannes. Dazu zählt in dieser Sektion auch Amat Escalantes Mystery-Thriller „Lost in the Night“, Mohamed Kordofanis „Goodbye Julia“ oder Marco Bellocchios „Die Bologna Entführung“, der sogar im offiziellen Wettbewerb lief. Echte Premieren blieben hier leider aus, Maximilian Erlenweins Survival-Thriller „The Dive“ läuft sogar bereits in einigen Ländern. Highlights im NRW-Bereich waren Denis Moschittos und Daniel Rakete Siegels herausragender wie hemmungslos düster-kompromissloser Kriminalfilm „Schock“, der zu den besten deutschen Genre-Beiträgen der letzten Jahre gezählt werden darf. Auch der bereits als neuer „Systemsprenger“ angepriesene „Monster im Kopf“ von Christina Ebelt sorgte nach seiner Premiere beim Filmfestival München im Sommer erneut für Aufsehen. Preisträger der Sektion und damit des mit 20.000 Euro dotierten Filmpreis NRW war jedoch Katharina Hubers origineller „Ein schöner Ort“, der bereits in Locarno mit dem Nachwuchs-Preis für die beste Regie gekürt wurde.

Daniel Kothenschulte und das „Die Theorie von Allem“-Team: Timm Kröger, David Benennt & Viktoria Stolpe © Florian Hoffmann

Das Prunkstück des Festivals ist dann wohl der „Best of Cinema Fiction“-Teil, der mit zahlreichen hochkarätigen Filmen aufwarten konnte. Alle der hier gezeigten Filme fanden bereits bei den großen Festivals in Cannes, Venedig und Telluride für großen Anklang und viele werden sicher in der aktuellen Awards Season noch für große Aufmerksamkeit sorgen. Allen voran steht wohl „Anatomie eines Falls“, der Gewinner der diesjährigen Goldenen Palme in Cannes und auch großer Oscar-Kandidat. Das scharfsinnig beobachtete und faszinierend ambivalente Beziehungsdrama von Justine Triet stand auch deshalb im Mittelpunkt, da die Französin mit dem Filmpreis Köln ausgezeichnet wurde. Rede und Antwort stand die Filmemacherin im Gespräch mit der Kölner Filmjournalistin Andrea Burtz bei den Werkstattgesprächen am letzten Festivaltag.

Andrea Burtz mit Justine Triet © Florian Hoffmann

Hinzu kommen weitere herausragende Filmperlen wie Richard Linklaters fantastische, kurz zuvor in Venedig gefeierte Komödie „Hit Man“, die stellenweise sogar für Szenenapplaus beim Kölner Publikum sorgte. Auch mit im Programm ist „Perfect Days“, Wim Wenders wunderbar minimalistische Ode an Yasujirō Ozu, der nicht nur den Darstellerpreis für Kôji Yakusho in Cannes einheimste, sondern auch für Japan ins Oscar-Rennen gehen wird. Wie bereits im Vorjahr war auch der japanische Meisterregisseur Hirokazu Kore-eda mit einem Film beim FFCGN vertreten. Sein fein nuancierter „Monster“ wurde nicht umsonst in Cannes mit dem Drehbuchpreis für Autor Yûji Sakamoto ausgezeichnet, denn hier erzählt Kore-eda erneut mit größtem Feingefühl eine zutiefst menschliche Geschichte aus mehreren Perspektiven, die den urteilenden Blick des Zuschauers auf ein komplexes wie alltägliches Geschehen immer wieder gekonnt in Frage stellt. Ebenfalls aus Japan dabei ist der überaus langsam erzählte, aber nachdrückliche „Evil Does Not Exist“ des für „Drive My Car“ Oscar-nominierten Filmemachers Ryûsuke Hamaguchi. Weitere starke Titel, die in der Awards Season mit Sicherheit noch häufig genannt werden, sind Andrew Haighs tieftrauriger Fiebertraum „All of Us Strangers“, Todd Haynes faszinierend-komplexes wie hochgradig unterhaltsames Identitätsspiel „May December“ sowie der britische Festivalhit „How to Have Sex“ der Debütantin Molly Manning Walker. Als etwas weniger überzeugend, aber dennoch sehenswert erwiesen sich der französiche Eröffnungsfilm „Rückkehr nach Korsika“ von Catherine Corsini sowie die ebenfalls französischen Beiträge „The Goldman Case“ – ein formal spannender, wenn auch etwas sperriger Justizfilm wie auch ein ambivalentes Charakterportrait – und „The Book of Solutions“, Michel Gondrys wilde wie spaßige autobiografische Kino-Rückkehr nach acht Jahren Abstinenz. Außerdem dabei: Robin Campanillos Coming-of-Age-Film „Red Island“.

Oliver Masucci mit Lisa Gotto © Florian Hoffmann

Das prall gefüllte Festival bot auch im Dokumentarfilm-Sektor noch echte Highlights: So gibt es mit „Olfas Töchter“ den tunesischen Oscar-Beitrag, für den die Protagonistinnen sogar vor Ort den Film präsentierten. Hierfür gab es auch den phoenix Preis für den besten Domentarfilm, bei dem die Tunesierin Kaouther Ben Hania am Donnerstag für ein Werkstattgespräch bereit stand. Ebenfalls für sein Ursprungsland ins Oscar-Rennen gehen möchte der estnische Film „Smoke Sauna Sisterhood“, der auf sehr originelle Weise und mit viel Gefühl eine Gruppe von Frauen und eine ganze Kultur portraitiert. Auch Dokumentarfilm-Legende Frederick Wiseman ist erneut im Festival vertreten: Sein vierstündiger Beitrag „Menus Plaisirs: Les Troigros“ widmet sich dem ältesten Drei-Sterne-Restaurant Frankreichs. Dazu gesellen sich „Ryûichi Sakamoto: Opus“, der den letzten Auftritt der in diesem Jahr verstorbenen japanischen Komponisten-Legende einfängt. Ebenfalls Teil des vielfältigen Programms waren weitere internationale Filme wie „Little Girl Blue“, „Kim’s Video“, „Picture of Ghosts“ oder „Vermeer – Reise ins Licht“.

The Hollywood Reporter Award Artist Talk im Filmpalast Köln

Zu dem sehr abwechslungsreichen wie vollen Programm gesellte sich wie immer auch eine Reihe von Branchenevents, die sich mit reichhaltigen gegenwärtigen Themen wie KI, Diversität, Filmpolitik oder auch Fair Production befassten. Hinzu kommen Veranstaltungen wie das Netzwerktreffen Benelux Meets NRW, der Producers Change NRW Meets USA, der European Series Day, der International Distribution Summit oder der Cologne Comedy Connector. Natürlich gab es zu den bereits erwähnten Werkstattgesprächen auch noch einen sehr angeregten und unterhaltsamen Talk mit Schauspieler Oliver Masucci, der mit dem International Actors Award prämiert wurde. Den zum fünften Mal verliehenen Manfred Stelzer Preis für eine herausragende deutsche Komödie gab es für Sonja Heiss für ihren im Frühjahr veröffentlichten „Wann wird es endlich wieder so, wie es niemals war“.

von Florian Hoffmann

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