Disney+: Mulan, die Live-Action Verfilmung in der Review

Yifei Liu als Mulan
Yifei Liu als Mulan © Disney

Die Welle der Disney-Remakes ebbt auch weiterhin nicht ab: Nach mehreren  Verzögerungen und der schließlichen Komplettabsage startet die Realfilm-Adaption des 1998 erschienenen Fanlieblings „Mulan“ nun leider gar nicht mehr auf der großen Leinwand, sondern ausschließlich auf Disney+.


Mulan - Filmplakat
Mulan – Filmplakat © Disney

Anders als mindestens die Hälfte der Maushaus-Neuauflagen bleibt Regisseurin Niki Caro („Whale Rider“, „Die Frau des Zoodirektors“) der Grundstruktur des Originals zwar treu, geht aber mit ihrer Version durchaus neue und eigenständigere Wege. So ist ihre Interpretation der chinesischen Volksballade „Hua Mulan“ fern von der sklavischen Kopienhaftigkeit und kreativen Armut eines „König der Löwen“ oder „Die Schöne und das Biest“ und positioniert sich als überraschend ernsthaftes Wuxia-Epos. Wie auch im Original steht auch hier eine stark feministische Botschaft mit kraftvoller Emanzipierungsgeschichte im Vordergrund, jedoch grundiert Caro ihren Film durch den Verzicht auf Musical-Nummern und begrenzt humoristische Einlagen auf ein Minimum. Auch wenn der Film durchaus beachtliche Schauwerte aufzeigen kann und solide erzählt ist, bleiben die großen Überraschungen aus, wodurch dann doch ein wenig zu stark auf Nummer sicher gespielt wird, um mehr als gutes Mittelmaß zu bieten.

Der erzählerische Kern der Vorlage wurde größtenteils übernommen: Der Film ist zu Zeiten der Han-Dynastie etwa um 200 n.Chr. angelegt und folgt der jungen Kriegerstochter Fa Mulan (Yifei Liu). Mit Esprit und Aufmüpfigkeit trotzt sie ihrer patriarchalischen Gesellschaft, die ihr eigentlich nur beibringen möchte, wie man zu einer guten Haus- und Ehefrau wird. Als ihr kränklicher Vater Hua Zhou (Tzi Ma) wie auch alle anderen Männer der Familien ihrer Heimat aufgefordert wird, sich der kaiserlichen Armee anzuschließen, um sich einer einmarschierten feindlichen Armee gegenüberzustellen, wagt Mulan einen gefährlichen Schritt: Sie stiehlt eines Nachts Hua Zhous Rüstung und Schwert, womit sie unter dem Namen Hua Jun als Mann getarnt in den Krieg zieht. So schließt sie sich dem Trainingscamp von Commander Tung (Donnie Yen) an und entpuppt sich schnell als Musterkriegerin, die ihre angeblich überlegenen männlichen Kameraden ein ums andere Mal in den Schatten stellt. Doch wenn Mulans Tarnung auffliegen sollte, könnte dieser Verrat mit dem Tod bestraft werden…

Mulan beim Bogenschiessen
Mulan beim Bogenschiessen © Disney Enterprises, Inc

War das Original mit einer Laufzeit von nicht mal 90 Minuten wie die meisten Disney-Zeichentrickfilme angenehm kompakt angelegt, ist das Remake nun um eine gute halbe Stunde verlängert worden. Gerade im direkten Vergleich spürt man das auch, denn einen wirklichen erzählerischen Mehrwert bietet die Neuauflage kaum. So nimmt sich Niki Caro insgesamt mehr Zeit, gibt den Figuren Raum zur Entfaltung und etabliert ein gemächlicheres Erzähltempo. Darüber hinaus strukturiert sie die Vorlage um, entfernt Szenen, erweitert diese oder variiert ikonische Momente. Der Angriff auf die chinesische Mauer zu Beginn bleibt aus, dafür wird direkt Mulans Agilität bei dem Versuch einen entlaufenen Hahn einzufangen, spielerisch verdeutlicht. Nicht fehlen darf jedoch die Schminkszene, die dem amüsanten Vorsprechen bei der Heiratsvermittlerin zuvor geht. Diese verläuft ähnlich katastrophal wie im Original, ist jedoch in sämtlichen Details abgewandelt.

Auch bei den Antagonisten hat sich etwas getan: Diesmal marschiert der Rouran-Krieger Bori Khan (überzeugend: Jason Scott Lee) statt dem Hunnenführer Shan Yu aus dem Original ein, der zudem von der mysteriösen Gestaltwandlerin Xian Lang (Gong Li) unterstützt wird. Ebenso hat sich die weitere Figurenkonstellation etwas geändert: Anstelle des Armeeführers Li Shang ist nun der Rekrut Chen Honghui (Yoson An) Mulans Bewunderer, während die Mentorenrolle Commander Tung zugesprochen wird.

Das Remake hält sich lange mit dem Ausbildungslager auf, wo auch eines der größten Probleme des Films zum Vorschein kommt: Die so feminin wirkende Mulan gibt sich als Mann aus, was in der stilisierten Realität der Zeichentrickversion noch deutlich einfacher zu glauben ist. So muss man hier einfach mit der Akzeptanz der Rekruten mitgehen und hinnehmen, dass eine etwas dunklere Stimmlage und nach oben gebundene Haare schon als Tarnung genügen. Dass Mulan bzw. Hua Jun schließlich auch ziemlich übel riecht, da sie nie mit ihren Kameraden duschen gehen kann, ist eine weitere Auffälligkeit, die von den Männern gutgläubig ignoriert wird.

Yifei Liu als Mulan
Yifei Liu als Mulan © Disney

Eine der größten Änderungen des Films ist zweifelsohne der Verzicht auf Musicaleinlagen. So erscheint das Remake schon von Natur aus reifer und bodenständiger, was natürlich auch von der Tatsache rührt, dass der beliebte kleine Drache Mushu nicht auftaucht. Dieser im Original von Eddie Murphy und in der deutschen Version von Otto gesprochene Sidekick wurde als mystischer Familienwächter von Mulans Vater herbeibeschworen und stand im Original dauerplappernd der getarnten Kriegerin zur Seite. Auch hier beschwört Hua Zhou Geister herbei, jedoch fliegt im Remake dann lediglich immer wieder lediglich ein Phoenix bedeutungsschwanger umher, der Mulan gelegentlich symbolträchtig zu beschützen scheint. Dadurch, dass Mulan in der Neuversion ein Ansprechpartner fehlt, wird der Film zwar von einer gewissen Lockerheit befreit, sorgt aber thematisch dafür, dass Mulan noch selbstbestimmter daherkommt.

Denn was „Mulan“ nach wie vor besonders ausmacht, ist seine ermutigende Botschaft, die gerade für das weibliche Publikum bedeutungsvoll sein sollte. Mulan verfügt über eine deutlich konnotierte Vorbildfunktion, da sie stets mutig und selbstlos voranschreitet und sich von niemand unterkriegen lässt. Beim plump-chauvinistischen Gespräch ihrer Kameraden, bei der es um die Rollenverteilung unter Geschlechtern geht, propagiert sie auch mit großem Selbstverständnis die Wichtigkeit innerer Werte: Intelligent und mutig solle eine Frau sein, das Aussehen zähle nicht. Natürlich sorgt das nur für Gelächter bei ihren Mithörern, denn alleine die Vorstellung, dass Frauen ihnen ebenbürtig sein könnten, erscheint völlig abwegig. Doch wie auch im Original beweist Mulan, wenn es darauf ankommt, über welch großen Wert sie verfügt. Dramaturgisch ist das trotz aller Wichtigkeit dieser so offensichtlichen Botschaft gerade bei Kenntnis des Originals allerdings wenig packend und konfliktbefreit. So kommt der Film trotz aller spürbarer Ambitionen hinter der Kamera jederzeit etwas mechanisch und gewollt daher.

Yifei Liu spielt Mulan
Yifei Liu spielt Mulan © Disney Enterprises, Inc

Wohin diese Reise verläuft, ist von Beginn an klar. Wie stark der Film dann auf einen wirkt, hängt davon ab, wie man sich auf diese völlig schemenhafte und klassische Heldenreise einlassen möchte. Der Film ist toll und aufwändig ausgestattet, die sporadisch verteilten Actionszenen auch durchaus solide und wirkungsvoll (für die große Leinwand)  inszeniert und choreografiert. Mulans Akrobatik und scheinbar angeborene Kampfvirtuosität kommt leider gelegentlich aber auch eher unfreiwillig komisch als spektakulär daher: So schießt sie gerade beim Finale aus nahezu allen Lebenslagen Pfeile ab, wofür sie oft nicht mal einen Bogen benötigt und stattdessen grazil durch die Luft wirbelt und auch mal mittels Fallrückzieher ihre Gegner zielgenau ausschaltet. Wer schon zahlreiche Wuxia-Filme gesehen hat (insbesondere von Zhang Yimou) wird von der prunkvollen Ausstattung wenig überrascht sein, hübsch gemacht ist der Film aber allemal. Äußerst bildgewaltig und vielfältig erweist sich erneut die neuseeländische Landschaft, die hier überzeugend als Platzhalter für China fungiert. Doch über allem hängt hier eben wie auch bei den anderen Disney-Realfilmremakes eine gewisse Kalkuliertheit und Sterilität.

Die meist sich sehr ernst nehmende Tonlage des Films, die nur wenig Platz für augenzwinkernde Momente lässt, sorgt zwar für eine gewisse Eigenständigkeit unter den Remakes, aber auch dafür, dass diese Version etwas steif und ungelenk wirkt. Das liegt leider auch etwas an den größtenteils unterforderten Darstellern, die zugegebenermaßen mit meist recht hölzernen Dialogen gefüttert werden.

Dennoch muss bei aller Kritik festgehalten werden, dass „Mulan“ das Herz am rechten Fleck hat und eben ein auf den Mainstream zurechtgeschnittenes und daher glattes Produkt ist. Gerade die Hauptzielgruppe sollte angesichts dieser so aufrichtig vorgetragenen Dynamik bekräftigt heraustreten und eine neue (bzw. altbekannte) Heldin für sich gefunden haben.

Fazit

„Mulan“ entledigt sich der Musical-Nummern und des Comic Reliefs der Vorlage und entpuppt sich so als überraschend ernsthafter und bildgewaltiger Film, der besonders für eine junge und weibliche Zielgruppe inspirierend wirken sollte. Ansonsten erscheint der Film durchaus eigenständiger als andere Disney-Remakes, jedoch kommt er nicht minder kalkuliert und glattgebürstet daher. Trotz zahlreicher Änderungen erweist der Film dem Original jede Menge Respekt, kommt aber auch nur wenig überraschend und flach daher.

Filmwertung
7/10
von Florian Hoffmann

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