Die Top 10 Filme aus 2022 (von Sebastian Stegbauer)

The Batman - Logo
The Batman - Logo © Warner Bros.

2022 war wahrlich kein einfaches Jahr für Filme. Nicht nur ging die Zahl an Blockbustern heuer massiv zurück, viele entpuppten sich neben vielen Enttäuschungen im Indie-Kino auch als große Flops. Und dennoch gab es natürlich auch heuer wieder Filme, die mir mehr über mich und das Leben verrieten, die mir den Spiegel vorhalten konnten oder mich einfach nur für einige Stunden in eine andere Welt entführten. Ich wurde verzaubert, beglückt, Tränen liefen über meine Wangen und großen Spektakel zogen mich in den Bann. Kurzum: Das sind meine Highlights des Jahres…


10. Bullet Train

Bullet Train entpuppte sich binnen Minuten als wunderbar verspieltes, abgefahrenes und erstaunlich clever konstruiertes (wenn auch am Schluss etwas aufgeblähtes) Spektakel, das Action und Comedy vorbildlich miteinander kombiniert. Die wundervoll eingefangenen Kämpfe sind dabei genau wie der Rest des Films so voller Witz, Kreativität und Esprit, wie wir es nur selten erfahren dürfen. Dass dabei sogar noch ein grandioser Brad Pitt dieses beeindruckende Ensemble an skurrilen, vielschichtigen und so spaßigen Figuren anführen darf, ist die schmackhafte Kirsche auf einem ohnehin schon äußerst leckeren Eisbecher.

9. Avatar 2: The Way of Water

James Cameron legt erneut ein Plädoyer für die Macht von simplen, aber gut konstruierten Geschichten ab. Natürlich erfindet das Storytelling in The Way of Water das Rad nicht neu, entpuppt sich aber erneut als ungemein effektiv. Die Figuren werden sinnvoll weitergedacht, um feine Nuancen erweitert und stoßen dabei auf neue Herausforderungen, während die neuen mit mitreißenden Entwicklungen auf die Probe gestellt werden. Dabei wird auch die Welt sinnvoll weitergedacht und lässt mich erneut voller Staunen zurück. Und das nicht nur aufgrund der wirklich einmaligen Bildsprache und brillant durchkomponierten Einstellungen. Avatar 2 ist eben so viel mehr als „nur“ ein technischer Meilenstein, sondern ließ mich lachen, staunen, bangen und drückt mir dann am Schluss sogar noch ein Tränchen heraus. Was will man mehr von einem Blockbuster? Endlich sehe ich eine echte Zukunft für dieses Franchise…

Kiri (Sigourney Weaver) in AVATAR: THE WAY OF WATER
Kiri (Sigourney Weaver) in AVATAR: THE WAY OF WATER © 20th Century Studios

8. Glass Onion: A Knives Out Mystery

Rian Johnson versteht das Whodunnit-Genre vielleicht besser als jeder andere moderne Filmemacher. Er ist sich seiner Strukturen, seiner Regeln und seiner Gleichförmigkeit bewusst und weiß deshalb auch genau, wie er all das auflockern und damit spielen kann. Bereits 2019 hat er das eindrucksvoll bewiesen und in Glass Onion zeigt er nun, dass auch diesem Franchise eine goldene Zukunft bevorsteht. Daniel Craig darf dabei wieder als schrulliger Südstaaten-Detektiv Benoit Blanc brillieren, ohne dabei aber zu viel Aufmerksamkeit von all diesen denkwürdigen Verdächtigen zu stehlen. Glass Onion ist ein ungemein unterhaltsamer, wie clever strukturierter Genre-Beitrag, der zwar in manchen Momenten etwas aufgedunsen wirken kann, aber genau weiß, was sein Publikum will, und dadurch gleichermaßen unvorhersehbar, wie spaßig bleibt.
(auf Netflix verfügbar)

7. Im Westen nichts Neues

Selten habe ich einen solch brillant inszenierten deutschen Film genossen. Edward Berger entfesselt hier Krieg in all seinem Horror, seiner Sinnlosigkeit und seiner Unmenschlichkeit in unvergesslichen Sequenzen. Vom ersten Sturm auf den feindlichen Schützengraben bis zum grausamen Kampf Mann gegen Mann in einem Loch beschwört Im Westen nichts Neues wahrlich eine von Menschen geschaffene Hölle auf Erden, in der die flüchtigen Momente von Kameradschaftlichkeit und Freundschaft, die von einigen der besten Darstellerleistungen des Jahres getragen werden, genau deshalb so wichtig sind. Dabei lässt man sich merklich von vergangenen Anti-Kriegsfilmen inspirieren, verkommt aber nie zum bloßen Plagiat. Denn Im Westen nichts Neues braucht sich auf vor den Großen des Genres wahrlich nicht zu verstecken!
(auf Netflix verfügbar)

6. Bones and All

Road Trip/Coming of Age/Kannibalen-Horror/Romanze mag zwar nicht die griffigste Genrebezeichnung sein, erweist sich hier aber als brillante und einmalige Herangehensweise, um die Probleme der Selbstfindung, den Schrecken des Erwachsenwerdens und Ekstase von junger Liebe zu porträtieren. Bones and All verwendet den Kannibalismus seiner Hauptfiguren (brillant verkörpert von Taylor Russel und Timothée Chalamet) wundervoll als Metapher für all das und so viel mehr. Dabei dürfen auch die gleichermaßen atmosphärische wie intime Bildsprache und der tolle Soundtrack ihren Teil dazu beitragen, dass hier eine der rührendsten und emotionalsten Geschichten des Jahres erzählt wird.

5. Top Gun: Maverick

Kein Film hat mich auf reiner Unterhaltungsebene heuer so begeistert wie dieser hier. Ohne ein Fan des Originals zu sein, wusste ich dennoch, auf Tom Cruise ist einfach Verlass. Und beinahe schon erwartungsgemäß wird hier neugeschrieben, was im Kino möglich ist. Ich habe die G-Kräfte bis in mein tiefstes Inneres gefühlt, wurde erbarmungslos in den Sitz gedrückt und war urplötzlich selbst im Cockpit eines Kampfjets. All das liefert Top Gun 2 makellos ab, doch war ich letztlich fast am meisten davon überrascht, wie nah mir auch alles andere ging. Unter dieser so wundervoll anzusehenden Oberfläche verbirgt sich ein erstaunlich melancholischer Film über vergangene Fehler, vertane Chancen und das Schwinden der Zeit. Gerade die Chemie zwischen Maverick und Rooster trägt eine bemerkenswerte emotionale Tragweite; dabei stör ich mich auch an dem ein oder anderen Klischee nicht wirklich. Denn letztlich war Top Gun: Maverick genau der Film den das Kino brauchte. Wir alle stiegen in einen Kampfjet und erlebten ein erstaunliches Abenteuer voller Herz und bahnbrechender Action.
(auf Paramount+ verfügbar)

Top Gun: Maverick - Kampfflugzeug
Top Gun: Maverick – Kampfflugzeug © Paramount Pictures

4. Nightmare Alley

Nightmare Alley gibt uns mit jeder Szene ein neues Puzzlestück zu unserer Hauptfigur, erweitert diese Facette um Facette und entließ mich, als ich im Finale schließlich das gesamte Bild erkannte, mit Abscheu, Ekel und ein wenig Mitleid aus dem Kinosaal. Guillermo del Toro spielt hier clever mit unserer Faszination für das Morbide und das Böse, das Amoralische und Durchtriebene. Er zeichnet einen gleichermaßen mitreißenden wie ambivalenten Anti-Helden, der sich in dieser zutiefst deprimierenden Atmosphäre eines Neo-Noir-Thrillers zwischen der eigenen Menschlichkeit und seinen niedersten Trieben entscheiden muss. Stetig erarbeitet Del Toro eine unmittelbare Menschlichkeit und Verletzlichkeit dieser kaputten Figuren heraus, bis schließlich all dies in einem unvergesslichen Rausch der Gewalt und Emotionen so voller inszenatorischen Wucht mündet.
(auf Disney+ verfügbar)

3. Come on, Come on

Ach wie sehr ich das Kino doch für diese Art Film liebe! Come on, Come on erzählt so herzlich, so ehrlich, so lebensnah über die kleinen und irgendwie doch so großen Probleme des Lebens. Über die Hindernisse des Altwerdens und Herausforderungen des Jungseins. Über die Hoffnungen der Jugend und den Chancen des Alters. Über die eigenen Gefühle und Selbstfindung. Das brillante Drehbuch verpackt all diese Themen gekonnt in einer unaufgeregt und ruhig erzählten Handlung, die aber genau deshalb so herzerwärmend gerät. Dabei entsteht ein traumhafter Sog, der sich durch den malerischen Score und die wundervollen Bilder bis heute in den Tiefen meines Bewusstseins fest verankert hat und mich einfach nicht loslassen will.

2. The Northman

Robert Eggers entfesselt in seinem dritten Geniestreich seine gesamte inszenatorische Wucht in dieser so detailreichen und lebendigen Zeit von verlorener Menschlichkeit. Zeitlose Themen wie der Hang zur Gewalt werden mit einem bestechenden Drang zur Menschlichkeit anhand all dieser so zwiespältigen Figuren wundervoll aufgearbeitet. The Northman entfesselt zwar einen lebendig gewordenen Sturm aus Blut, Adrenalin und Brutalität, wie es nur Odin höchstpersönlich könnte, doch sind dann letztlich eben die kleinen, intimen Momente, die all dem eine wirkliche Bedeutung verleihen. Da reicht dann auch schon ein einzelner Blick in die verletzlichen Augen unseres Anti-Helden, um zu erkennen, wohin dieser Sturm führt, wenn er zu Ende geritten wird.

1. The Batman

The Batman ging mir näher als je ein Film des Caped Crusaders davor. Noch nie war Bruce Wayne so verletzlich, so mitreißend geschrieben, noch nie so authentisch verkörpert … Selbst hinter kleinsten Nuancen in Robert Pattinsons Gesicht erkennen wir den emotionalen Hurricane, der sich in seinem Inneren abspielt. Mit jedem Schritt und jedem Schlag spüre ich seinen Schmerz. Ich spüre wie sehr er mit Catwoman zusammen sein will. Zwei Seiten derselben Münze, so ähnlich, und doch so fern. Ich spüre dieses albtraumhafte Gotham und wie sein korrumpierender Einfluss alles vernichtet. Und ich spüre diesen Hass auf den Riddler und alle die Kriminellen. Ich spüre all das und tausend anderes.
The Batman ist so viel mehr als nur seine perfekte Bildsprache, der wundervolle Score und diese so umwerfenden Action-Szenen. Hier entwickelt sich ein außergewöhnlich spannender, aber auch intimer Kriminalfall, in dessen Verlauf sich Bruce seinen tiefsten Dämonen, seinem Schmerz und der Bedeutung von Batman und sich selbst stellen muss. Doch Matt Reeves hält nicht nur Bruce den Spiegel vor, sondern auch uns allen. Er zeigt uns eine tiefe Verletzlichkeit und zu was Schmerz uns werden lassen kann. Nach drei Stunden so voller unterschwelliger Emotionen, roher Menschlichkeit und schonungsloser Intensität wird der düstere Rächer endlich zu einem wahren Helden. Und ich? Ich habe mit Bruce gelitten, gekämpft und erhebe mich nun mit ihm gemeinsam aus der Dunkelheit. Letzten Endes gehen wir beide als bessere Menschen aus einem Film hervor, dessen Ende kaum schöner und herzzerreißender sein könnte. Dafür hat The Batman auf ewig einen Platz in meinem Herzen!
(auf WOW/Sky verfügbar)

von Sebastian Stegbauer

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