The Wailing – Die Besessenen – Blu-ray Kritik

Dorfpolizist Jong-goo (Do-won Kwak) mit seiner Tochter Hyo-jin (Hwan-hee Kim)
Dorfpolizist Jong-goo (Do-won Kwak) mit seiner Tochter Hyo-jin (Hwan-hee Kim) © Pierrot Le Fou

Die Kritik:

The Wailing – Die Besessenen – Blu-ray Cover © Pierrot Le Fou

Ende Februar erscheint der langersehnte neue Genremix „The Wailing“ vom Koreanischen Kultregisseur Na Hong-Jin, der bereits mit „The Yellow Sea“ und „The Chaser“ bewies, dass auch die Koreaner mit Kino der Extraklasse aufwaten können. Sein neues Meisterwerk steht oben genannten Titeln in nichts nach, im Gegenteil. Man erlebt als „alter Hase“ in Sachen Innovation nicht mehr allzu viel, und auch handgemachtes Kino wird dank CGI Technik immer seltener. Umso erfreulicher ist es dann auf ein Werk zu stoßen, das sowohl auf jegliche Form von Effekten verzichtet, als auch handlungstechnisch derart gekonnt verschiedene Genres miteinander vermischt, dass es einfach nur Freude macht so etwas mal wieder zu Gesicht zu bekommen.

In einem namentlich nicht genannten Dorf in Südkorea leben die Bewohner in einer märchenhaften Idylle. Kleine einfach gehaltene Lehmhütten inmitten dichter Wälder und ein minimalistischer Lebensstil bieten alles was sich die kauzigen Bauern und einfachen Geschäftsleute wünschen. Jeder kennt jeden, es passiert nicht das Geringste und das ist auch gut so. Bis eines Tages eine Reihe mysteriöser Todesfälle und Selbstmorde vermehrt für Aufsehen sorgen. Bisher bodenständige und unscheinbare Familienväter verwandeln sich wie aus dem Nichts in blutrünstige Bestien die ihre gesamte Familie abschlachten und danach in apathischem Zustand zurück bleiben. Eine rätselhafte Seuche scheint diese Vorkommnisse auszulösen, doch wie steckt man sich an und was kann man dagegen unternehmen? Und was hat der unbekannte Japaner (Jun Kunimura), der in einer abgelegenen Ruine im Wald nahe des Dorfes gesichtet wurde mit all dem zu tun? Diesen und weiteren Fragen muss sich der ungeschickte Dorfpolizist Jong-goo (Do-won Kwak) stellen um die Harmonie, die das Dorf eigentlich ausgezeichnet hat, wieder herzustellen. Um dies zu erreichen sucht er mit seinem Partner Oh Sung-bok (Kang-gook Son) von der Polizei Antworten. Als dann auch noch seine Tochter Hyo-jin (Hwan-hee Kim) von einem bösen Geist besessen zu sein scheint sucht er Rat bei dem jungen Priester Yang Yi-sam (Do-yoon Kim) und engagiert den Schamanen Il-Gwang (Jung-min Hwang), um dem Treiben Einhalt zu gebieten. Doch mit dem Beginn des Rituals bekommt das Grauen noch eine andere, ungeahnte Dimension.

Jong-goo (Do-won Kwak) und sein Partner Oh Sung-bok (Kang-gook Son)
Jong-goo (Do-won Kwak) und sein Partner Oh Sung-bok (Kang-gook Son) © Pierrot Le Fou

Das Geschehen wird sehr seicht und gediegen eingeführt und für die Vorstellung der Charaktere wurde sich sehr viel Zeit gelassen um den Personen Tiefgang zu verleihen. So sehen wir zu Beginn einen sehr blutigen Tatort der mit perfekt eingesetzter Kamera allumfassend eingefangen wurde und dem Zuschauer schon einmal spüren lässt in welche Richtung das Ganze noch gehen wird. Als nächstes wird man in das spärlich aber gemütlich eingerichtete, traditionell geprägte zu Hause von Dorfpolizist Jong-goo versetzt, in dem er seelenruhig in seinem Bett liegt und schläft. Als ihn ein Anruf zum Tatort ruft hat er es aber nicht besonders eilig zur Arbeit zu kommen und lässt sich von seiner Mutter, einer kleinen aber resoluten Greisin, und seiner schlagfertigen Tochter noch zu einem ausgedehnten Frühstück überreden. Frei nach dem Motto „Tote haben es nicht eilig, weil sie tot sind.“ So wird gleich zu Beginn die Sympathie direkt auf den Hauptakteur Do-won Kwak gezogen, der fortlaufend immer wieder in Fettnäpfchen tritt, nicht der hellste ist und erst an sich selbst wachsen muss bevor er vorwärts kommt. So wird das Bild eines heroischen und überheblichen Ermittlers, der alles kann und alles weiß und in fast jedem Film das selbe Charakterprofil hat in alle Winde zerstreut. Das bietet erfrischende Abwechslung verleiht dem Ganzen eine gehörige Portion Charme, was aber manchmal aufgrund der doch sehr ernsten Thematik befremdlich wirken mag.

Der Japaner (Jun Kunimura)
Der Japaner (Jun Kunimura) © Pierrot Le Fou

Aber auch andere Randfiguren wie die kleine Tochter, die zu ihrem Papa eine besondere Beziehung hat, der junge Priester in einer Glaubenskrise und der durchgeknallte Schamane verdienen Anerkennung und liefern eine tolle Präsenz. Nach der etwas ausgedehnten Einführung wird dann aber gewaltig an der Spannungsschraube gedreht. Einerseits dadurch, dass jeglichen Klischees entgegengewirkt wurde und die Story zu keinem Moment vorhersehbar ist, andererseits weil der Regisseur es geschafft hat Einflüsse aus Bereichen wie Exorzismus, Vampirismus, klassischer Geistergeschichte, lebenden Toten und menschlichen Abgründen perfekt in einem Mysterythriller zu vereinen und dabei trotzdem noch Anwandlungen von Märchenelementen einfließen ließ, ohne erkennbaren Einsatz von Effekten. Allein dies verdient höchste Anerkennung. Einziges Manko sind die rot gefärbten Augen, die sehr billig wirken und eigentlich überhaupt nicht nötig gewesen wären. Das Grauen in „The Wailing“ hat bis zum bitterbösen und vollkommen überraschenden Ende keinen wirklichen Namen und immer wieder tauchen Personen auf die eine bedrohliche Ausstrahlung haben, ohne dabei greifbar zu sein. Zum einen der undurchsichtige Einsiedler, der in einer Hütte im Wald merkwürdige Rituale abhält, zum anderen eine mysteriöse in weiß gekleidete Frau, die an den Tatorten auftaucht und der Polizei Hinweise in Form von kryptischen Botschaften gibt.

Bild:

Kostüme und Kulissen sind ein Traum. Besonders die Idylle der Waldgebiete Süd Koreas kommen perfekt im Bildformat 2,35:1 (1080p) zur Geltung. Die Kostüme wurden in akribischer Detailverliebtheit entworfen und erinnern oft an traditionelle Trachten und Gewänder die die fernöstliche Kultur und Mystikgut widerspiegeln. Ruhige und gleichmäßige Kameraführung in allen Bereichen erleichtern das Folgen der Handlung und wirken selbst in hektischen Sequenzen nie störend.

Ton:

Jong-goo und Oh Sung-bok auf dem Weg zum Japaner
Jong-goo und Oh Sung-bok auf dem Weg zum Japaner © Pierrot Le Fou

Es gibt zwei Tonspuren, deutsch und koreanisch, beide in DTS-HD MA 5.1. Beide geben über das Heimkinosystem eine tolle Klangqualität wieder und bieten eine erholsame Abwechslung zu US Amerikanischen Horrorschockern, in denen einem in Schocksequenzen fast die Teller aus den Boxen fliegen. Hier werden die Schockmomente dezenter aber dafür nicht weniger schockierend präsentiert ohne, dass man ständig den Volume-Button gedrückt halten muss um die Nachbarn nicht zu ärgern. Verfeinert wurde die Atmosphäre durch dezente fernöstliche Folkloreklänge, die im Hintergrund gehalten, die Stimmung melancholisch unterstützen. Die deutsche Synchronisation ist im Verhältnis zu vielen anderen asiatischen Werken gut gelungen. Der anfänglich sehr vulgäre Umgangston hat dem Ganzen eine Lächerliche Note verliehen, doch das bessert sich nach einer guten halben Stunde und die Dialoge nehmen dann auch an Ernsthaftigkeit zu.

Extras:

Als Bonus bekommt man ein zehnminütiges Making Of, in dem ein bisschen was zur Location der Dreharbeiten und den Schauspielern erzählt wird. Nähere Informationen bezüglich Entstehung der Geschichte sind etwas dürftig. Das B-Roll Material (4 Minuten) ist eigentlich nur das Making Of in Kurzfassung und bringt keine neuen Infos. In einem Behind-The-Scenes erfährt man etwas über die Kostüme, die Locations der Rituale und das Visuelle und ist sicher für Interessierte einen Blick wert. Begleitet wird all das vom Kinotrailer.

Blu-ray Wertung
  • 9.5/10
    Film - 9.5/10
  • 9/10
    Bild - 9.0/10
  • 9/10
    Ton - 9.0/10
  • 6.5/10
    Extras - 6.5/10
9/10

Kurzfassung

The Wailing ist ein absolutes Meisterwerk: Unberechenbar, spannend und bitterböse.

Fazit:

Mit gewaltigen 156 Minuten schuf Kultregisseur Na Hong-Jin ein bildgewaltiges und innovatives blutiges Meisterwerk, das facettenreicher kaum sein könnte. Schleichend nimmt der Alptraum seinen Lauf und das ohne dabei Figurenentwicklungen, Rahmenstorys und Nachvollziehbarkeit außen vor zu lassen. The Wailing ist eine überraschende und erfrischende Abwechslung zu 08-15 Horrorfilmen von der Stange und punktet auf allen Ebenen mit Unvorhersehbarkeit, so dass man die Kleinen Schönheitsfehler wie die schwachen Dialoge zu Beginn und die „roten Augen“ getrost verzeihen kann. Hier sieht man noch handgemachte Filmkunst ohne überladene Action oder computeranimierte Gestalten. Auch Nicht-Fans asiatischen Kinos kommen auf Ihre Kosten gerade weil man den Film nicht in eine Genreschublade stecken kann und eigentlich für jeden was dabei ist.


von Christoph Berger

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