Miles Ahead – Blu-ray Kritik: Annäherung an Musik-Ikone Miles Davis

Miles Ahead - Don Cheadle als Miles Davis
Miles Ahead - Don Cheadle als Miles Davis © Sony Pictures Home Entertainment

Die Kritik:

Miles Davis gehört unzweifelhaft zu den ganz großen, unantastbaren Ikonen der Musikgeschichte. Wie es sich für Musiklegenden gehört, war auch Davis eine überaus komplexe, unterhaltsame und höchst unkonventionelle Persönlichkeit, die eine exzellente Grundlage für die typische und schon zigmal gesehene Biopic-Behandlung bietet. Doch es hat lange gedauert, bis man sich an einen Film über die innovative und einflussreiche Jazz-Größe gewagt hat, die das Genre jahrzehntelang geprägt hat wie kein anderer Vertreter seiner Zunft. Für den Oscar-nominierten Don Cheadle ist „Miles Ahead“ ein klares Leidenschaftsprojekt, das ihn schon über viele Jahre verfolgt hat. Schon Anfang des letzten Jahrhunderts wurde Cheadle von Davis Familie mit der Idee eines Films über den legendären Musiker konfrontiert, doch nie konnte man sich auf eine Herangehensweise und ein Drehbuch einigen. Irgendwann wurde Cheadle klar, dass er nicht nur für diese Rolle geboren wurde, sondern nur er die Persönlichkeit Miles Davis so gut versteht, um sich ihm filmisch zu nähern. So liefert der hochkarätige Charaktermime mit „Miles Ahead“ sein Regiedebüt, das so unkonventionell ist wie sein Subjekt selbst. Hier ist kein herkömmliches Biopic zu sehen, sondern eine sehr kreative und non-lineare Annäherung an einen Mythos, die sich durch ihre impressionistische Inszenierung und erfindungsreiche Erzählweise weit vom Durchschnitt abhebt.

Miles Ahead Blu-ray Cover
Miles Ahead Blu-ray Cover © Sony Pictures Home Entertainment

Dadurch, dass „Miles Ahead“ so ungewöhnlich ist, gerät der Film durchaus auch recht sperrig und ist damit für ein Mainstream-Publikum nicht unbedingt leicht zugänglich. An eine deutsche Kinoauswertung war so leider im gegenwärtigen Klima nicht zu denken, auch weltweit kam der Film nicht in vielen Ländern über eine Heimkino- oder Festival-Veröffentlichung hinaus. Hier ist ein wunderbar eigenwilliger Film zu sehen, der sich ganz kompromisslos an Musik- und Miles Davis-Liebhaber richtet und gar nicht daran denkt, sich an gängige Sehgewohnheiten anzupassen. Man muss sich also ein wenig in den Film hineinfinden, den Cheadle mit großer Leidenschaft und sichtlicher Hingabe inszeniert hat, wird aber mit einem besonderen Werk belohnt.

Der Ansatz von Cheadle und seinem Co-Autor Steven Baigelman sieht eine internalisierte und zeitlich umherspringende Erzählweise vor, die eine enge und teilweise fiktive Perspektive setzt. Hier wird Realität und Fiktion auf oft fast schon halluzinatorische Art verknüpft, womit sich Cheadle weit entfernt von Geburt-bis-Tod-Musiker-Biopics positioniert. Der Kern der Erzählung ist die langjährige Periode in Davis Leben, in der er sich in den Siebziger Jahren von der Öffentlichkeit abgekapselt und seine Musik-Karriere hingeschmissen hat. Davis leidet unter chronischen Hüftschmerzen, die er mit jede Menge Alkohol und Drogen betäubt, zudem ist der ausgelaugte Jazz-Gott in einer kreativen Dürrephase. Eines Tages wird er von dem (völlig fiktiven) Rolling Stone-Reporter Dave Braden (Ewan McGregor) regelrecht überfallen, der eine Comeback-Story schreiben will. Davis will mit dem aufdringlichen Braden nichts zu tun haben und boxt ihm erst mal auf die Nase, doch der Reporter lässt nicht locker und klebt an der abgehalfterten Ikone. Dann erfindet der Film eine Art MacGuffin in Form eines gestohlenen Tapes, das unveröffentlichte Musik von Davis beinhaltet und den Film auf ungewöhnliche Weise antreibt. Davis und Braden schließen sich schließlich zusammen, um das Tape zurückzukriegen.

Miles Ahead - Don Cheadle als Miles Davis
Miles Ahead – Don Cheadle als Miles Davis am Klavier © Sony Pictures Home Entertainment

Inmitten dieses unerwarteten an Heist-und Buddy-Filme erinnernden Abenteuers springt der Film immer wieder in der Chronologie von Miles Leben und Schaffen umher. Hier setzt der Film in seinem wohl konventionellsten Teil den Fokus auf Davis gescheiterte Ehe zu der Tänzerin Frances Taylor (Emayatzy Corinealdi). „Miles Ahead“ zeigt, wie ihre leidenschaftliche Romanze begann und von der schönen Frau kreativ angetrieben wird und einige seiner legendärsten Kompositionen wie „Sketches of Spain“ schuf. So leidenschaftlich wie „Miles Ahead“ die Liebe zwischen den Beiden portraitiert, so intensiv ist auch der Zerfall ihrer Beziehung geschildert, die Davis Untreue und stetig verschlechternder psychischer Verfassung geschuldet ist, was ihn schließlich auf selbstzerstörerische Pfade führt.

Zugleich ist „Miles Ahead“ eine impressionistische Annäherung an Davis kreativen Prozess und seine ungewöhnliche Odyssee zum Wiederfinden seiner Kreativität. Der Film ist sprunghaft geschnitten und versucht in seiner unvorhersehbaren, ruhelosen Energie und gewagten Erzählweise das Äquivalent zu Davis selbst zu sein. Das ist eine bewundernswerte und mutige Herangehensweise, die nicht immer funktioniert, aber letztlich stimulierend wirkt. Man muss Davis und das, was ihn und seine Musik ausmacht schon ein bisschen kennen und verstehen, um Cheadles Ambition nachvollziehen zu können. Ohne ein gewisses Vorwissen könnte sich „Miles Ahead“ als sehr schwierig zugänglicher Film erweisen, der sich einem nicht ohne weiteres erschließt. Hier werden letztlich eher Fragen aufgeworfen als beantwortet.

Miles Ahead - Ewan McGregor
Miles Ahead – Ewan McGregor © Sony Pictures Home Entertainment

Don Cheadle gibt dem Film alles, was er hat. In seiner Performance geht Cheadle völlig auf und wird regelrecht zu Davis, er verwandelt sich und die Seele der Jazz-Legende scheint durch ihn zu sprechen. Seine Darstellung ist kraftvoll, aber auch so unkonventionell wie der Film selbst, er bemüht sich nicht, um Aufmerksamkeit durch unechte Theatralik oder Emotionalität zu erzeugen. Er wirkt schlichtweg wahrhaftig in seiner Rolle und stellt alle anderen Akteure um sich herum in den Schatten. Seine Regie ist kreativ, inspiriert und souverän. Dave Bradens Figur, die von Ewan McGregor verkörpert wird, ist so etwas wie das Sicherheitsseil für den Zuschauer, an dem man sich auf diesem wilden Trip festhalten kann.

Ob „Miles Ahead“ tatsächlich funktioniert, lässt sich letzten Endes nur schwer beantworten. Der Film ist sehr ambitioniert in seiner Herangehensweise an ein schwieriges Subjekt und alleine dadurch bewundernswert, dennoch hat man am Ende nicht ganz das Gefühl, dass hier schon das letzte filmische Wort über Miles Davis gesprochen wurde.

Bild:

Der von Roberto Schaefer fotografierte Film sieht auf Blu-ray großartig aus. „Miles Ahead“ wurde nur teilweise digital auf Arri Alexa und Canon EOS Kameras aufgezeichnet, primär wurden aber analoge Filmkameras eingesetzt. Das überträgt sich in einem sehr schönen, reichhaltig texturierten Bild, bei dem Filmkorn mal mehr und mal weniger deutlich präsent ist. Das Bild präsentiert eine überaus vibrierende, lebhafte und gesättigte Farbpalette, die gepaart mit tiefen Schwarzwerten und hervorragendem Kontrast eine großartige filmische Ästhetik erzeugt, die den Zuschauer direkt in die Siebziger Jahre versetzt. Auch der Schärfe- und Detaillevel erweisen sich als hervorragend. Für Filmliebhaber ein Genuss.

Miles Ahead - Szenenbild
Miles Ahead – Szenenbild © Sony Pictures Home Entertainment

Ton:

Auch auf einem sehr guten Niveau präsentiert sich die akustische Umsetzung des Films auf Blu-ray. „Miles Ahead“ ist primär frontlastig abgemischt, nur gelegentlich wird es etwas räumlicher. Dennoch erweist sich der Sound als sehr dynamisch und kraftvoll, Stimmen und Dialoge ertönen mit bester Klarheit, die vielfach eingesetzte Musik verfügt über erstklassige Klangqualität und kommt hervorragend zur Geltung.

Extras:

Zudem weiß die Blu-ray mit einigen Extras zu überzeugen, die die Herangehensweise des Films detail- und einsichtsreich vertieft. Hier ist der starke Audiokommentar von Don Cheadle und seinem Co-Autor Steven Baigelman zu nennen, bei der die Leidenschaft seines Machers deutlich spürbar wird. Zusätzlich kommen bei der Featurette „Die Wahrheit: Miles Davis werden“ weitere Beteiligte der Produktion und Angehörige von Davis zu Wort, die allesamt voll und ganz hinter Cheadle stehen und auf die Bedeutung der Musik-Legende eingehen. Hinzu kommt ein knapp über Zwanzig Minuten langes Frage-und-Antwort-Panel nach der Vorführung beim Sundance Film Festival.
Audiokommentar mit Regisseur und Hauptdarsteller Don Cheadle und Autor Steven Baigelman
Die Wahrheit: Miles Davis werden (20:31 Min.)
Sundance Film Festival F&A-Runde (21:48 Min.)
Kinotrailer (2:14 Min.)
Trailer zu „The Lady in the Van“ und „The Bronze“

Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7/10
  • 9.5/10
    Bild - 9.5/10
  • 8/10
    Ton - 8/10
  • 6.5/10
    Extras - 6.5/10
7.5/10

Kurzfassung

Eine für Laien oft nur schwer zugängliche, aber künstlerisch ambitionierte und wagemutige Annäherung an Musik-Ikone Miles Davis.

Fazit:

„Miles Ahead“ ist ein leidenschaftlicher und unkonventioneller Film über einen ebenso einzigartigen Mann und Musiker, der durch seine kompromisslose und kreative Inszenierung und Erzählweise fasziniert. Trotz Don Cheadles kraftvoller Darstellung und energiereicher Regie ist seine Annäherung an Miles Davis sperrig und wohl nur für echte Liebhaber von Genre und Subjekt ein echter Genuss.


von Florian Hoffmann

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