Corsage: Blu-ray Kritik – faszinierendes Biopic

Corsage - Vicky Crieps
Corsage - Vicky Crieps © Alamode Film

Die Kritik:

Sie hieß Elisabeth Amalie Eugenie von Wittelsbach, Herzogin in Bayern und wurde zu Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn. Bekannt ist sie aber primär unter ihrem Rufnamen: Sisi. Die Faszination um diese enigmatische historische Figur reißt nicht ab, jedoch findet nun nach Jahrzehnten weihnachtlicher Heimatfilm-Berieselung durch Ernst Marischkas „Sissi“-Trilogie endlich eine differenziertere Betrachtungsweise Einzug in die Popkultur: Nach der RTL+-Serie „Sisi“, der im Sommer erschienenen Netflix-Serie „Die Kaiserin“ und dem kommenden Kinofilm „Sisi und ich“ scheint diese Ikone derzeit ein großes Trendthema zu sein. Während besagte Abhandlungen sich weiter mit den frühen Jahren der Kaiserin beschäftigen, geht Marie Kreutzer mit ihrem Biopic „Corsage“ einen ungewöhnlichen Weg: Sie wirft einen Blick auf die bereits 40-jährige Elisabeth, das mit dem romantisch verklärten Romy Schneider-Abbild der jungen Kaiserin so gut wie nichts mehr zu tun hat.

Corsage - Blu-ray
Corsage – Blu-ray © Alamode Film

Wir schreiben das Jahr 1877, Elisabeth (Vicky Krieps) feiert gerade ihren 40. Geburtstag. Wie ihr später von ihrem Hofarzt unmissverständlich verdeutlicht wird, gilt sie nun als alte Frau, denn die durchschnittliche Lebenserwartung für eine „Frau des Volkes“ lag eben bei besagtem Alter. Elisabeth findet sich in einem wortwörtlichen höfischen Korsett wieder, in einem goldenen Käfig, der von repräsentativen Pflichten und den üblichen Ritualen geprägt ist. Das Bild des ewig jungen Schönheitsideals droht zu bröckeln und auch ihre Beziehung zu Kaiser Franz Joseph I. (Florian Teichtmeister) wird schon längst nicht mehr von Zuneigung, sondern stiller Pflichterfüllung getragen.

„Corsage“ ist ganz offensichtlich darum bemüht, aus diesem mythisch aufgeladenen und sterilen öffentlichen Bild der jungen Kaiserin eine dreidimensionale Frau aus Fleisch und Blut mit all ihren Stärken wie eben auch Schwächen zu zeichnen. So bewegt sich Autorin und Regisseurin Marie Kreutzer sowohl in ihrem eindringlichen Portrait einer nach Selbstbestimmung gierenden Frau wie auch in der oft eher kühlen und glanzlosen Darstellung des höfischen Lebens des 19. Jahrhunderts auf spannenden und bezüglich dieser Figur bislang nicht gesehenen Pfaden. Fern jedes Biedermann-Postkartenidylls liefert „Corsage“ einen aufgeräumten und modernen Blick in den Alltag dieser historischen Figur, der grundiert und nachvollziehbar erscheint.

Corsage - Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth von Österreich
Corsage – Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth von Österreich © Alamode Film

Zugleich ist dieser interessante Film nicht an einer herkömmlichen dramaturgischen Struktur interessiert. Viel mehr ist hier eine eindringliche, intime und anschauliche Abfolge von Momentaufnahmen zwischen 1877 und 1878 zu sehen, die langsam unter die Haut kriecht und sich festsetzt. Hier tritt man und ganz und gar in die Fußstapfen dieser faszinierenden, wenn auch nur schwer greifbaren und ganz sicher nicht traditionell sympathisch gezeichneten Figur, wodurch sich ein stetiges Gefühl von Isolation und Einsamkeit entfaltet. Hier ist eine oft nicht richtig greifbare und ruhelose Elisabeth zu sehen, die im stetigen inneren Kampf zwischen Individualität, Tradition und Fortschritt steht, die ständig umgeben von Menschen, aber doch irgendwie alleine ist. Vicky Krieps überzeugt in dieser schwierigen und komplexen Rolle mit Stärke und Selbstbestimmtheit, aber dennoch auch Warmherzigkeit und entpuppt sich damit als unzweifelhaftes Highlight dieses Films.

Spannend im herkömmlichen Sinne ist dieser nüchterne, spröde und eher intellektuell motivierte Film nicht unbedingt, „Corsage“ fällt eher in die Kategorie faszinierend und interessant. Kreutzers Ambitionen sind jederzeit erkennbar, sie will dieser Figur wieder ihre Menschlichkeit zurückgeben und dabei unzweifelhaft auch ein überaus zeitgemäßes feministisches Emanzipationsmanifest erschaffen. So eingelebt wie dieser aufwändig in Szene gesetzte Film die damalige Zeit auch wiedergibt, er möchte durch zeitgenössische und anachronistische Winks auch direkte und dankbarerweise nicht allzu plumpe Parallelen zur Gegenwart herstellen. Da ist der Einsatz von stimmungsvollen Popsongs der Französin Camille, aber auch von den Figuren gesungenen Hits wie „As Tears Go By“ besonders nennenswert. Erinnerungen an Sofia Coppolas unterschätzten „Marie Antoinette“ werden hier immer wieder wach, was „Corsage“ dann durchaus auch ein wenig weniger frisch in seinem scheinbar revolutionären Ansatz erscheinen lässt.

Corsage - bei Tisch
Corsage – bei Tisch © Alamode Film

Dennoch, „Corsage“ ist ein weitestgehend sehenswerter Film, insbesondere weil er ein so spannendes und zeitgemäßes Bild einer sperrigen Elisabeth malt, die Ecken und Kanten hat. Viele Frauen werden sich hier zweifelsohne wiederfinden können, denn eine Gesellschaft, die am Erhalt des weiblichen Schönheitsideals interessiert ist, ist natürlich weiterhin präsent. Hier geht es um eine Frau, die ihren eigenen Wert eben nicht nur an äußeren Faktoren messen möchte, aber eben getrieben wird mittels strengem Fitness- und Essregiment genau das auch über die 40 hinaus zu erhalten. Das gleiche gilt natürlich auch für die Rebellion gegen andere Standards und Erwartungen, die man zu erfüllen hat. Inhaltlich wie formal gibt es hier also einiges zu beobachten, als dramaturgisch spannende oder wirklich mitreißende Filmerfahrung mit einem echten Punch fällt „Corsage“ dann aber leider ein wenig ab.

Bild:

Der auf Film gedrehte „Corsage“ sieht auf Blu-ray großartig aus. Das fein körnige und texturierte Bild gefällt mit seinem geerdeten wie eleganten Look, der genau zu seiner historischen Thematik passt. Kontraste und Schwarzwerte sind stark, ansonsten gefällt die Natürlichkeit der Farben wie Hauttöne.

Ton:

In akustischer Hinsicht überzeugt die Abmischung in DTS-HD MA 5.1 mit bester Klarheit wie auch überraschender Räumlichkeit. Seien es Stimmen oder andere Hintergrundgeräusche, auf den Surroundsprechern entfaltet sich eine schön lebendige Kulisse. Bei manchen Songs geht es durchaus auch kräftig zu, sodass hier auch in Sachen Dynamik nicht gegeizt wird.

Extras:

„Corsage“ fasziniert durch seinen ungewöhnlichen Ansatz, eine historische Figur mit ungewohnten Ecken und Kanten zu entmystifizieren und gleichzeitig menschlicher zu gestalten. Getragen wird das von einer starken Vicky Krieps, die dieser Elisabeth in gleichem Maße Stärke wie auch Schwäche gibt. Dramaturgisch packend ist dieser spröde und eher intellektuelle Film aber leider weniger.

Fazit:

Beim Bonusmaterial ragt in inhaltlicher Hinsicht klar das Gespräch mit Marie Kreutzer und ihrem Produzenten Alexander Glehr beim Filmfest München heraus. Hier werden in einem 72-minütigen Gespräch Hintergründe über die Entstehungsgeschichte des Films detailliert aufbereitet. Hinzu kommen noch kurze Blicke hinter die Kulissen in Form einer unkommentierten B-Roll sowie Outtakes und Trailer.

  • Making-Of (04:06 Min.)
  • Outtakes (05:00 Min.)
  • Panel Talk „Sisi – Entfesselt“ (72:21 Min.)
Blu-ray Wertung
  • 6.5/10
    Film - 6.5/10
  • 8.5/10
    Bild - 8.5/10
  • 8.5/10
    Ton - 8.5/10
  • 6.5/10
    Extras - 6.5/10
7/10

Kurzfassung

Sperriges, aber faszinierendes Biopic mit starker Vicky Krieps


von Florian Hoffmann

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