Swiss Army Man – Blu-ray Kritik: Selbstfindung dank Leiche

Swiss Army Man - Daniel Radcliffe und Paul Dano
Swiss Army Man - Daniel Radcliffe und Paul Dano © capelight pictures

Die Kritik:

Lässt man 2016 in Gedanken Revue passieren, machte besonders ein Film aus der Indieszene auf sich aufmerksam. Swiss Army Man hatte mit Daniel Radcliffe und Paul Dano nicht nur einen ziemlich prominenten Cast, sondern stach auch aufgrund der einzigartigen Idee aus der Masse der experimentellen Filmprojekten heraus. Und das sollte schon etwas heißen. Nun kann man auch im Heimkino Zeuge der Kuriosität aus dem letzten Jahr werden und somit heißt es, ein Hoch auf die Freundschaft und den einfachen Humor.

Swiss Army Man Blu-ray Cover
Swiss Army Man Blu-ray Cover © capelight pictures

Als einsamer Überlebender fristet Hank (Paul Dano) seine letzten Tage auf einer trostlosen Insel, immer in dem Bewusstsein, dass das Ende nur noch wenige Tage entfernt zu sein scheint. Das ändert sich schlagartig, als die Wellen eine unter Magenverstimmungen leidende Leiche (Daniel Radcliffe) an Hanks Eiland schwemmt. Mit deren Hilfe gelingt es ihm von der Insel zu entkommen und nach einer Weile auch das Festland zu erreichen. Zwar immer noch von der Zivilisation abgeschnitten, aber mit neuem Lebenswillen macht sich Hank auf den Weg nach Hause. Was als schier unmögliches Vorhaben beginnt, wird Unterzuhilfenahme seines neuen, toten Freundes zum Kinderspiel und nach und nach entsteht eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen Hank und der Leiche, die selbst von sich behauptet, dass ihr Name Manny wäre.

Was auf dem Papier, wie einer der irrwitzigsten Handlungsstränge der Filmgeschichte wirkt, ist auch in Filmform ein Erlebnis, welches die Meinungen der Zuschauer garantiert auseinandertreiben wird. Wo der eine vielleicht eine komplexe Auseinandersetzung mit dem Thema Freundschaft vermutet, sieht ein anderer wahrscheinlich eine durch Fäkalhumor verwässerte Charakterstudie, die ihr Potential verschenkt. Nichtsdestotrotz wird jeder einzelne ein einzigartiges Erlebnis haben, egal wie man nun zum Endresultat stehen mag. Sowohl Lob als auch Kritik sind angebracht. So funktioniert die Mischung aus ernster Thematik und dem Humor sehr gut, lässt aber nach gut zwei Drittel des Films stark nach. Aufgrund von ständiger Gagwiederholung und einer spürbaren Orientierungslosigkeit im Regiebereich verliert die Handlung nach rund siebzig Minuten an Fahrt und es stellt sich ein cineastischer Übersättigungseffekt ein. Da hilft auch die zehnte Montage und erneute Gleichsetzung von Leben und Tod nicht hinweg. Der Punkt an dem die Geräuschkulisse von Daniel Radcliffes Darm und sein magischer Kompasspenis für Belustigung sorgt, wurde im Laufe des Films einfach überschritten. Dennoch muss man den Mut und Ambitionen, die hinter diesem Projekt stecken, würdigen. Hier wurde eine ungewöhnliche Idee so ungefiltert, wie möglich auf die Leinwand gebannt und allein das verdient en wenig Respekt.

Swiss Army Man - Daniel Radcliffe und Paul Dano
Swiss Army Man – Daniel Radcliffe und Paul Dano © capelight pictures

Betrachtet man den Cast so entpuppt sich die Geschichte, als ungleiche 2-Mann-Show. Zwar taucht zum Finale hin noch Mary Elizabeth Winstead für eine kleinere Rolle auf, aber das Hauptaugenmerk liegt definitiv auf Dano und Radcliffe. Diese präsentieren aufgrund der unterschiedlichen Charaktere mit ihren unterschiedlichen Existenzzuständen die beiden differenziertesten Performances seit langem, obwohl keiner der beiden wirklich schlecht ist. Während Dano mit Hank eine Rolle sehr vielseitig spielt, welche auch ohne Zweifel in die Reihe der merkwürdigen Dano-Charaktere gehört, verlässt sich Radcliffe auf ein Schauspiel, das sich am besten mit dem Wort rudimentär beschreiben lässt. Trotz dieser unterschiedlichen Ausrichtung der Schauspieler schaffen es die beiden ein überzeugende Chemie aufzubauen und in Folge dessen ihre Freundschaft glaubwürdig rüberzubringen.

Bild:

Trotz Indiestatus und kleinerem Budget, wurde hier mit Geld und Technik gut gehaushaltet, folglich ist die Bildqualität zufriedenstellend und der Film kommt ohne visuelle Einbrüche auf den Bildschirm.

Ton:

Abseits vom klaren Ton ist die akustische Gestaltung nicht weiter auffällig. Einzig negativ anmerken könnte man die Synchronarbeit, die teilweise merklich asynchron zur Lippenbewegung der Darsteller ist.

Swiss Army Man - Daniel Radcliffe und Paul Dano
Swiss Army Man – Daniel Radcliffe und Paul Dano © capelight pictures

Extras:

Nimmt man einmal die obligatorischen Trailer beiseite bietet das Bonusmaterial für jeden Interessierten einen schönen und differenzierten Blick in die Entstehung des Films. Mit Anekdoten und Hintergrundinformationen angereichert, liefert der Audiokommentar den zugänglichsten Einblick in das Filmprojekt, da die beiden Regisseure, der Szenenbildner und der Soundmixer den Film mit Geschichten anreichern und die Handlung dabei ein bisschen entmystifizieren. Wem dieser Einblick gefallen hat, wird sich auch mit den Featuretten und Behind-the-Scenes- Material auseinander setzen wollen, da sie die Stimmung hinter der Kamera auf eine überschaubare Zeit kompensieren. Weiterhin gibt es noch einige entfallene Szene, die im Film integriert nicht unbedingt nötig gewesen wären und deshalb im Bonusmaterial gut aufgehoben sind. Die restlichen Extras sind nicht unbedingt sehenswert, doch wenn man noch Lust und Zeit hat, kann man einen weiteren blick riskieren.

Blu-ray Wertung
  • 6.5/10
    Film - 6.5/10
  • 8/10
    Bild - 8.0/10
  • 8/10
    Ton - 8.0/10
  • 7.5/10
    Extras - 7.5/10
7/10

Kurzfassung

Furzende Leichen und eine ungewöhnliche Freundschaft sorgen für ein einmaliges Filmerlebnis, doch sollte man darauf gefasst sein, dass ebendieses Filmerlebnis nicht das ist, was man erwartet hat.

Fazit:

Mit „Swiss Army Man“ inszenieren die Regisseure Dan Kwan und Daniel Scheinert eine Indie-Komödie, die aufgrund der Grundidee und deren Umsetzung seines gleichen sucht. Doch trotz der guten Performances und der sympathischen Geschichte wird nicht jedem gefallen. Wer es jedoch aushält, wenn ein Film mal die etwas abstrusere Schiene fährt, kann hier definitiv zugreifen.


von Marvin Schmidt

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