Das Filmfestival Cologne in 2022

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FFCGN Logo © Filmfestival Cologne

Wie jedes Jahr im Herbst starte auch 2022 mit dem Filmfestival Cologne das größte Filmfestival Nordrhein-Westfalens. Wobei der Begriff Filmfestival nur die halbe Wahrheit darstellt, denn auch die 32. Ausgabe der einwöchigen Veranstaltung beschäftigt sich zur Hälfte auch mit nationalen wie internationalen TV-Produktionen. Mittlerweile ist es etwas in Vergessenheit geraten, aber das ursprünglich Cologne Conference genannte Festival nahm sich sogar primär Fernsehproduktionen als Inhalt, erst 2009 fanden mit dem Wettbewerbssegment „Kino“ auch Filmbeiträge Einzug ins Programm. In der Vergangenheit feierten so spätere Erfolge wie „Emergency Room“, „24“ oder „Sex and the City“ in der Rheinmetropole ihre Deutschlandpremiere.


Auch in der nun 32. Ausgabe des Filmfestival Cologne wurden eine Reihe von Preisen für einige der führenden FilmemacherInnen bzw. SchauspielerInnen des Gegenwartskinos vergeben. So ging in diesem Jahr der Filmpreis Köln an den französischen Oscar-Preisträger Michel Hazanavicius („The Artist“, „OSS 117“), der mit seinem Cannes-Eröffnungsfilm „Final Cut“ im Festival in der Wettbewerbsreihe „Look“ vertreten war. Das französischsprachige Remake des 2019 erschienenen japanischen Microbudget-Insidertipps „One Cut of the Dead“ steht dem Original in fast nichts nach, auch wenn sich die Frage nach dem Sinn einer solchen fast 1:1-Neuauflage durchaus stellen dürfte. Sowohl beim Screening des Films am letzten Festivaltag als auch bei den Artist Talks am Tag darauf stand der Franzose Rede und Antwort. So durfte kein Geringerer als Deutschlands vielleicht aktuell renommiertester Filmwissenschaftler Marcus Alexander Stiglegger den Oscar-Preisträger interviewen, während die an der Uni Wien dozierende Filmwissenschaftlerin Hazanivicius bei den Artist Talks befragen konnte. Hazanivicius, der sich angenehm bodenständig, unprätentiös und mit großer Liebe für sein Publikum gab, reiht sich mit seinem Filmpreis Köln in eine Liste hochkarätiger vergangener PreisträgerInnen wie David Lynch, Roman Polanski, Jane Campion oder Nicolas Winding Refn.

Mia Hansen-Løve mit Scott Roxborough
Mia Hansen-Løve mit Scott Roxborough © Florian Hoffmann

Neben dem Filmpreis Köln wurde auch erneut wie gewohnt der Hollywood Reporter-Award vergeben. Dieses Jahr wurde der Französin Mia Hansen-Løve die Ehre zuteil, die mit ihrem neuen Film „An einem schönen Morgen“ Teil des „Best of Cinema Fiction“-Segments war. Die Tochter zweier Philosophie-Professoren beleuchtete ihre bisherige Karriere sowie ihre sehr eigene Herangehensweise an das Kino in einem einsichtsreichen Gespräch mit Hollywood Reporter Award-Journalist Scott Roxborough. Mögliches Highlight des Nachmittags war aber das sehr unterhaltsame Interview mit Nina Hoss, die den diesjährigen International Actors Award erhielt. Hoss, die von dem sichtlich begeisterten Filmemacher und Autor Julian Pörksen befragt wurde, zeigte sich angenehm redefreudig und begeisterte das Publikum mit zahlreichen Anekdoten ihres Schauspielerlebens. Besonders spannend war hier sicherlich ihre aktuelle Zusammenarbeit mit Cate Blanchett und Regisseur Todd Field („In the Bedroom“, „Little Children“) bei dem in Berlin gedrehten Oscar-Kandidaten „Tár“, der nächstes Jahr in den deutschen Kinos erscheinen wird.

Michel Hazanivicius mit Lisa Gotto
Michel Hazanivicius mit Lisa Gotto © Florian Hoffmann

Der Kinoteil des Festivals, der sich in besagte „Best of Cinema Fiction“, „Look“, „Benelux meets NRW“ sowie teilweise den NRW-Wettbewerb aufteilte, war in großen Teilen von Beiträgen aus dem diesjährigen Festival in Cannes geprägt: So wurden die neuen Filme großer Meister wie Chan-wook Park („Decision to Leave“), David Cronenberg („Crimes of the Future“), James Gray („Armageddon Time“), Hirokaze Koreeda („Broker“), Cristian Mungiu („R.M.N.“) oder Jerzy Skolimowski („EO“) präsentiert. Doch auch aufregende Filme neuer FilmemacherInnen wie der grandios melancholische „Aftersun“ von Debütantin Charlotte Wells, das ebenfalls vielversprechende Erstlingswerk „Rodéo“ von Lola Quiveron, sowie der tieftraurige belgische Coming-of-Age-Film „Close“ von Lukas Dhont („Girl“) und der faszinierende kambodschanische Oscar-Beitrag und Selbstfindungstrip „Return to Seoul“ von Davy Chou („Diamond Island“) wurden mit starker Publikumsresonanz aufgenommen.. Auch wieder mit von der Partie in Köln war der französische Meister des Absurden Quentin Dupieux, der mit seiner ganz eigenen Variante eines Superheldenfilms „Fumer Fait Tusser“ für große Lacher sorgen konnte. Auch „The Broken Circle Breakdown“-Regisseur Felix van Groeningen war mit seinem niederländischen Oscar-Beitrag „Acht Berge“ vertreten, den er in Co-Regie mit Charlotte Vandermeersch inszenierte, während die belgischen Cannes-Veteranen Luc und Jean-Pierre Dardenne ihren neuen Film „Tori and Lokita“ präsentierten.

So weit, so Cannes. In vielerlei Hinsicht mutete dieses Festival mit seinen Kinobeitragen durchaus ein wenig wie Cannes Reloaded an, auch wenn sämtliche Filme mit großer Vielseitigkeit faszinieren konnten. Fast schon ist es dann schade, dass vorige PreisträgerInnen des Filmpreis Köln wie Claire Denis mit ihrem Cannes-Beitrag „Stars at Noon“ hingegen fehlten. Dasselbe gilt auch für „Bones and All“ von Luca Guadagnino, der zwar in Venedig Premiere feierte, aber ebenfalls mit „Suspiria“ den Filmpreis Köln im Jahr 2018 gewann und auch mit „Call Me By Your Name“ bereits zuvor einen gefeierten Festivalbeitrag stellte. Aus Venedig konnte man aber eines der absoluten Highlights der diesjährigen Ausgabe gewinnen: So begeisterte der große Oscar-Kandidat „The Banshees of Inisherin“ mit einer weiteren von Martin McDonagh („Brügge sehen… und sterben“, „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) meisterhaft inszenierten und geschriebenen Geschichte, bei der erneut ein faszinierend schmaler Grat zwischen schwarzer Komödie und Tragödie gehalten wird. Auch aus dem Programm von Venedig kam „La Syndicaliste“ mit Isabelle Huppert, der hier dank seines NRW-Bezugs den Eröffnungsfilm des Festivals darstellte. Fast schon gefühlt losgelöst vom Festival lief auch Fatih Akins starkes Xatar-Biopic „Rheingold“ in seiner NRW-Premiere, die nicht wie gewohnt im Filmpalast, sondern im Cinedom mit großem Staraufgebot der deutschen Rapszene stattfand.

Nina Hoss mit Julian Pörksen
Nina Hoss mit Julian Pörksen © Florian Hoffmann

Hier enttäuschte das diesjährige Festival leider ein wenig, denn abgesehen von besagten PreisträgerInnen fanden sich MacherInnen und AkteurInnen nur sehr selten bis gar nicht bei den Vorstellungen besagter Filme ein. Gäste waren dann eher bei den deutschen Beiträgen wie „Der Russe ist einer der Birken liebt“, „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ oder „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ zu bewundern. Bei dem Herzstück und Alleinstellungsmerkmal des Festivals – den TV-Produktionen – wie der neuen Serie „Bonn – Alte Freunde, neue Freunde“, dem Film „Die Bürgermeisterin“, der TV-Filmreihe „Friesland“ oder der Sonderveranstaltung zum 25-. Jubiläum des Kölner „Tatort“ war das Gästeaufkommen jedenfalls vorhanden.

Die Vielfalt und der Spaß an den Medien Film und Fernsehen war bei dem vollgepackten und lebendigen Programm des 32. Filmfestival Cologne in jedem Fall erneut zu spüren. Schön zu sehen war auch, dass ein Großteil der Vorstellungen sehr stark besucht war und das Zuschauerinteresse an einem Film- und Fernsehfestival in Köln weiterhin sehr hoch ist. Zu den Beiträgen bot das Festival dann auch erneut zahlreiche Veranstaltungen wie den Producers XChange, den European Series Day, das Netzwerktreffen Benelux Meets NRW oder den Global Day – Stories for Change.

von Florian Hoffmann

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