Sully – Blu-ray Kritik: Tom Hanks als heldenhafter Pilot

Sully - Captain Chesley „Sully“ Sullenberger Tom Hanks und erster Offizier Jeff Skiles (Aaron Eckhart)
Sully - Captain Chesley „Sully“ Sullenberger Tom Hanks und erster Offizier Jeff Skiles (Aaron Eckhart) ©Warner Home Video

Die Kritik:

„A pilot on a cold, cold morn‘, 155 people or more, all safe and rescued from the slowly sinking ship“ – so besang das französische Synthiepop-Gespann College in ihrem Song „A Real Hero“ huldigend die bemerkenswerten Ereignisse, die sich am 16. Januar 2009 in New York City abgespielt haben. Für eine Stadt, die noch frisch von der Finanzkrise gebeutelt war und immer noch tiefe Narben von den Terroranschlägen acht Jahre zuvor trug, kam die Schlagzeile mit dem „Wunder vom Hudson“ so gerade zur rechten Zeit.

Sully Blu-ray Cover
Sully Blu-ray Cover © Warner Home Video

Locker hätte der US Airways-Flug 1549 von New York nach Seattle in einer weiteren verheerenden Katastrophe enden können, hätten an diesem Tag nicht sämtliche Räder perfekt ineinander gegriffen. Doch dank der ruhigen Professionalität, der schnellen, besonnenen Reaktion und schließlich der exzellenten Flugkünste des Luftfahrt-Veterans Captain Chesley „Sully“ Sullenberger landete der von ihm gesteuerte Airbus A320 nach einem beide Triebwerke zerstörenden Vogelschlag sicher auf dem Hudson River – tatsächlich die erste erfolgreiche Notwasserung der zivilen Luftfahrtgeschichte. Dass dann schließlich auch sämtliche Rettungskräfte – gerade die Küstenwache – so schnell reagierten und innerhalb weniger Minuten alle Insassen retten konnten, ohne dass sich jemand wesentlich verletzt hat, grenzte wirklich an ein Wunder. Eine Verfilmung dieser erstaunlichen Begebenheit ließ folglich nicht allzu lange auf sich warten und erschien nun letztes Jahr in Form von „Sully“, einer exzellenten, aufwändig produzierten, tief humanistischen und um ein Höchstmaß an Realismus bemühten Chronik dieses Tages und seiner Nachwehen. Regie übernahm der nun bereits fast 87-jährige Clint Eastwood, der mit seinem 35. Film ein tiefbewegendes Meisterwerk des eleganten Understatements schuf und zugleich mit einem weltweiten Einspielergebnis von gut 240 Millionen Dollar einen seiner größten finanziellen Erfolge einfuhr.

Eastwood zieht in „Sully“ stille Kraft und authentische Wahrhaftigkeit überflüssigen dramaturgischen und inszenatorischen Kapriolen vor und kreiert so einen Film, der in seiner schnörkellosen Ökonomie tatsächlich tief bewegt. Der Film konzentriert sich primär auf die Abläufe jenen Tages, die er in nicht-chronologischer Erzählweise präzise und mit nüchternem Blick aufbereitet.

Sully - Tom Hanks als Captain Chesley „Sully“ Sullenberge
Sully – Tom Hanks als Captain Chesley „Sully“ Sullenberger © Warner Home Video

An diesen geradlinigen 96 Minuten ist kein Gramm Fett zu viel, was aus „Sully“ tatsächlich eine nahezu reinigende Filmerfahrung angesichts unzähliger aufgeblasener Filme macht, die die Kinos heutzutage verstopfen. Eastwood erschafft hier dank exzellenter Recherchearbeit eine enorm dichte Atmosphäre greifbarer Realität, bei der die Grenze zum filmischen Abbilden erstaunlich effektiv verwischen. Das wird gerade bei der Arbeit im Cockpit deutlich, die selten so authentisch rüberkommt wie hier. Aber auch in der exakten Nachbildung des Unglücks wird dank enorm wirkungsvoller Effektarbeit eine fotorealistische Realität erschaffen, die man nie anzweifelt. Tom Hanks verschwindet in der Rolle von Chesley Sullenberger förmlich hinter seinen grauen Haaren und dem charakteristischen Schnurbart, wodurch man nie durch seine altbekannte Präsenz abgelenkt wird. Wie der gesamte Film ist auch Hanks exzellente Performance ein Musterbeispiel an Präzision, zurückhaltender Effektivität, Selbstbeherrschung und minimalistischem Understatement, die so einem Schweizer Uhrwerk nahe kommt.

Neben den Ereignissen des 16. Januar ist der Film ganz entscheidend an der Nachbearbeitung des Vorfalls seitens der NTSB, der amerikanischen Flugaufsichtsbehörde, interessiert, bei der sich Sullenberger und sein aufrichtiger erster Offizier Jeff Skiles (Aaron Eckhart) verantworten mussten. Hier wurde die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Notwasserung der Maschine vielleicht zu umgehen war, indem man doch einer der nahe gelegenen Flughäfen angesteuert hätte. Die NTSB wird in „Sully“ etwas einseitig als Bösewicht portraitiert, was zu einer kleinen Kontroverse geführt hat, da sich hier besagte Behörde falsch repräsentiert fühlte. Hier nehmen sich Drehbuchautor Todd Komarnicki und Eastwood wohl gewisse erzählerische Freiheiten, die dem Film und seiner Aussage, dass der von Sully angesprochene menschliche Faktor aus der Gleichung der Behörde genommen wurde, jedoch sehr zu Gute kommen und für ein subtil kraftvolles und wahrhaftiges Finish sorgen.

Sully - Tom Hanks als Captain Chesley „Sully“ Sullenberger und Aaron Eckhart als erster Offizier Jeff Skile
Sully – Tom Hanks als Captain Chesley „Sully“ Sullenberger und Aaron Eckhart als erster Offizier Jeff Skiles © Warner Home Video

Abgesehen von der angesprochenen Chronik dieser kalten New Yorker Januar-Tage streut der Film nur zwei kurze Rückblenden von Sullys frühen Jahren in seiner Pilotenausbildung ein, bemüht sich aber auch den psychologischen Effekt, den der Vorfall auf Sully hatte, miteinzubeziehen. So kommt es immer wieder zu kurzen und wenig subtilen Albtraumsequenzen, die sich zwar nahe an der Grenze zur Klischeehaftigkeit bewegen, dem Erzählfluss aber nie einen Abbruch tun und außerdem auf Sullenbergers Erfahrungsbericht beruhen. Auch an Schlaflosigkeit leidet Sully, der zunehmend von großem äußerem Druck konfrontiert wird und sich dabei auch selbst hinterfragt, ohne jedoch jemals seine inneren Zweifel nach außen zu tragen. Den hohen Authentizitätslevel bezieht der Film natürlich ganz wesentlich dadurch, dass er sich nahe an Sullenbergers Tatsachenroman „Highest Duty“ hält und er auch selbst den Filmemachern stets konsultierend zur Seite stand.

„Sully“ ist ein Film, der im Grunde Professionalität und alltägliches Heldentum zelebriert, ohne jedoch – und das macht seine große Klasse aus – jemals prätentiös, sentimental oder offensichtlich zu wirken. Das funktioniert natürlich äquivalent zur Hauptfigur und auch den anderen involvierten Personen, denn gerade Sully ist ein bodenständiger und stets beherrschter Mann, dem nichts ferner liegen würde, als sich selbst als Held feiern zu lassen. Letztlich sieht er sich selbst als Mann, der einfach seinen Job macht, ebenso wie seine Crew, die mit höchster Professionalität agiert. Nur sein Co-Pilot Jeff Skiles steht immer wieder wie ein Fels hinter seinem Cockpit-Kollegen, dessen Taten – zumindest in der Darstellung des Films – zunächst von den Behörden angezweifelt werden.

Sully - Tom Hanks als Captain Chesley „Sully“ Sullenberger
Sully – Tom Hanks als Captain Chesley „Sully“ Sullenberger © Warner Home Video

Eastwood lässt das Gezeigte im Stile eines Meisters für sich sprechen, seine Bildsprache ist überaus klar strukturiert, der Erzählrhythmus so ruhig wie hochpräzise und die Darstellungen fein getuned. Auf Filmmusik verzichtet Eastwood wie gewohnt fast komplett, lediglich subtile Pianoklänge akzentuieren an manchen Stellen das Gesehene, dann aber auch wirkungsvoll und ohne jede Effekthascherei. Das ist alles sehr bemerkenswert, gerade weil Eastwoods letzte Filme, insbesondere „American Sniper“, sich nicht durch ihre Subtilität ausgezeichnet haben. Umso erfreulicher ist nun die stille Meisterklasse, die er mit „Sully“ erneut offenbart, die schon seine größten Werke wie „Erbarmungslos“, „Mystic River“ oder „Letters from Iwo Jima“ zu solch denkwürdigen Filmen gemacht haben. So ist schließlich auch die gesamte Machart von „Sully“ ein Musterbeispiel an routinierter Professionalität, die aus diesem Film eine wirklich runde Sache macht und sich tatsächlich nahe an der Perfektion bewegt.

Bild:

In technischer Hinsicht begeistert die Blu-ray ebenso wie der Film. Das Motto Realismus und Professionalität wird auch hier konsequent durchgezogen und führt zu exzellenter Bildqualität. Das sehr natürliche Bild begeistert mit herausragender, glasklarer und fast schon unbarmherziger Schärfe, die besonders bei Nahaufnahmen von Gesichtern stark und lebensnah zum Vorschein kommt. Der Detailumfang ist hier schlicht bemerkenswert. Auch in Sachen Kontrast und Schwarzwerte leistet sich die Blu-ray keine Fehler und bietet hervorragende Werte, die für einen makellosen Bildeindruck sorgen. Die tendenziell winterliche und damit kühle Farbpalette kommt mit äußerster Natürlichkeit zum Vorschein.

Ton:

Sully - Captain Chesley „Sully“ Sullenberger Tom Hanks und erster Offizier Jeff Skiles (Aaron Eckhart)
Sully – Captain Chesley „Sully“ Sullenberger Tom Hanks und erster Offizier Jeff Skiles (Aaron Eckhart) ©Warner Home Video

Der bestechende Eindruck des Bildes setzt sich zweifellos auch in der akustischen Umsetzung der Blu-ray fort. Besonders auffällig ist hier die kontinuierliche und überaus differenzierte Beschallung sämtlicher Kanäle mit atmosphärischen Geräuschen und der subtilen Filmmusik, die für ein sehr einbeziehendes Filmerlebnis sorgt. Die Dolby Atmos-Tonspuren begeistern außerdem mit exzellenter Dynamik und effektives Einbeziehen des Subwoofers, wodurch der herausragende Sound-Eindruck nur weiter verstärkt wird. Nur der Umstand, dass die Stimmen in der Originalversion etwas lauter abgemischt sein könnten, verhindert hier die Bestwertung.

Extras:

Auch das Bonusmaterial der Blu-ray überzeugt mit Klasse und hochwertiger Produktion. In Form von drei Kurzdokus werden der Vorfall des 15. Januar 2009, die Person Chesley Sullenberger und die Dreharbeiten jeweils ausführlich und hintergründig beleuchtet. In der ersten Doku kommen einige der realen Menschen zu Wort, die an diesem denkwürdigen Tag involviert waren und rekapitulieren die dramatischen Ereignisse, wobei manche Lücken gefüllt werden, die der Film offen ließ. Noch weit einsichtsreicher ist dann die Featurette über Captain Sullenberger, wo auch seine Familie ausführlich zu Wort kommt und die Bedeutung des Mannes zur Geltung kommt. Spannend ist dann zum Abschluss das sehr gut produzierte Making-of, das lediglich noch länger sein könnte. Dennoch sehr gute Extras zu einem herausragenden Film auf einer exzellenten Blu-ray.
Moment für Moment: Das Abwenden der Katastrophe auf dem Hudson (15:44 Min.)
Sully Sullenberger: Der Mann der Stunde (19:49 Min.)
Bis zum Hals im Hudson: Die Dreharbeiten (20:17 Min.)

Blu-ray Wertung
  • 9.5/10
    Film - 9.5/10
  • 10/10
    Bild - 10.0/10
  • 9.5/10
    Ton - 9.5/10
  • 7/10
    Extras - 7.0/10
9/10

Kurzfassung

„Sully“ erweist sich als Musterbeispiel für elegantes und minimalistisches Understatement, das mit dramaturgischer und inszenatorischer Zurückhaltung die ganze Klasse von Routinier Clint Eastwood mit still-kraftvollem und Resultat offenbart.

Fazit:

„Sully“ zelebriert auf stille und zurückhaltende Weise Professionalität und alltägliches Heldentum in Form einer präzisen und selbstbewusst erzählten Chronik des „Wunders vom Hudson“. Tom Hanks brilliert in der Hauptrolle mit dem Stil des Films entsprechender Unauffälligkeit und subtiler Präzision, die ohne jede sentimentale oder manipulative Ausflüchte tief bewegt. Ein großartiger, wunderbar eleganter und ökonomisch erzählter Film, der zu den stärksten Filmen der letzten Zeit gehört.


von Florian Hoffmann

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