Tommaso und der Tanz der Geister - Film

Tommaso ist ein Getriebener, ein Künstler, der in seiner Familie einen Schutzwall gegen sein früheres Leben im Ausnahmezustand zu finden hofft.
Tommaso ist ein Getriebener, ein Künstler, der in seiner Familie einen Schutzwall gegen sein früheres Leben im Ausnahmezustand zu finden hofft. © Peter Zeitlinger
Tommaso und der Tanz der Geister (USA, Griechenland, Großbritannien, Italien, 2019 )
Genre:
Internationaler Titel: Tommaso

Tommaso und der Tanz der Geister - Filmplakat Kinostart: 13.02.2020
FSK: 12 - Laufzeit: 117 Minuten
Verleih: Neue Visionen

Inhalt:

Tommaso lebt mit seiner Frau Nikki und seiner dreijährigen Tochter in Rom. Für den amerikanischen Künstler, der stets nur den Ausnahmezustand kannte, ist das Familienleben wie das Atmen auf einem fremden Planeten. Vom Leben am Limit und dem unkonventionellen Hedonismus des Künstler-Egos wollte sich Tommaso lösen und als Ehemann und Vater glücklich werden. Doch dafür muss er neu justieren, wie wichtig er sich selbst und seine Ambitionen nehmen möchte. Fernab von der Heimat und jenseits der Verantwortungslosigkeiten, die das Künstlerleben erlaubt, stehen jetzt Italienischkurse, Yoga-Stunden und Spielplatz auf dem Programm. Der familiäre Takt schlägt einen neuen Rhythmus an: Einkaufszettel, Kochpläne, Schlafenszeiten, Beziehungsprobleme. Tommaso versucht trotzdem, weiter als Künstler kreativ zu bleiben. Er meditiert, gibt Schauspielunterricht, arbeitet nachts an einem neuen Film und sucht psychologische Unterstützung. Doch die Reste seiner Vergangenheit leben in ihm weiter. Sein künstlerisches Ego insistiert und sucht Tommaso in abgründigen, schmerzhaften Träumen heim.



Trailer zu Tommaso und der Tanz der Geister


Besetzung und Stab

Regie:

Abel Ferrara

Darsteller:

Willem Dafoe, Cristina Chiriac, Anna Ferrara, Stella Mastrantonio, Lorenzo Piazzoni, Alessandro Prato

Produzent:

Simone Gattoni, Michael Weber

Ausführender Produzent:

Joshua Blum, Michel Merkt

Kamera:

Peter Zeitlinger

Musik:

Joe Delia

Drehbuch:

Abel Ferrara


Filminfo und Wissenswertes zu Tommaso und der Tanz der Geister

WILLEM DAFOE ALS TOMMASO

Willem Dafoe, Jahrgang 1955, ist einer der prägenden Schauspieler seiner Generation. Seine Jugend verbrachte er in der amerikanischen Provinz Appleton/ Wisconsin. 1977 schließt er sich der avantgardistischen New Yorker Theatergruppe „The Wooster Group“ an, der er fast 30 Jahre lang treu bleibt. Die kontinuierliche Theaterarbeit prägt seinen physischen, reaktiven Schauspielstil. Sein Durchbruch als Schauspieler auf der großen Leinwand gelingt ihm 1986 mit Oliver Stones Vietnamkriegs-Drama PLATOON (1986). Mehr als 100 Filme hat er seither gedreht, vier Oscar®-Nominierungen erhalten, zwei Golden-Globe-Nominierungen, den dänischen Bodil-Preis gewonnen. Bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 2018 gewann er für die Darstellung der Titelfigur in VAN GOGH (2018) den Preis als Bester Darsteller. Auf der Berlinale wurde er im selben Jahr für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

Willem Dafoe in Tommaso und der Tanz der Geister
Willem Dafoe in Tommaso und der Tanz der Geister © Peter Zeitlinger

Seine künstlerische Neugierde auf die Erkundung menschlicher Abgründe führte ihn zu Filmprojekten auf der ganzen Welt – zu großen Hollywoodfilmen und hochwertigen Arthouse-Filmen. Für seine Vielseitigkeit, seinen Mut und seine Passion wird er von Regie und Publikum gleichermaßen geschätzt. Lange galt er als ungekrönter König der Bösewichte und Exzentriker. Rollen wie Bobby Peru in David Lynchs WILD AT HEART (1990) oder der „Grünen Kobold“ in Sam Raimis SPIDERMAN (2002) haben sein Image bestimmt. Als einer seiner erfolgreichsten Rollen gilt die Darstellung des Max Schreck in E. Elias Merhiges SHADOW OF THE VAMPIRE (2000), für die er eine Nominierung für den Oscar® und den Golden Globe als Bester Nebendarsteller erhielt. Bei all seiner Vielseitigkeit ist er vor allem eins: ein leidenschaftlicher Charakterdarsteller. Martin Scorsese besetzte ihn als menschlich-allzumenschlichen Jesus in seinem umstrittenen Film DIE LETZTE VERSUCHUNG CHRISTI (1988), in Lars von Triers ANTICHRIST (2009) wird er zum gemarterten Opfer seiner trauernden Frau und in DER LEUCHTTURM (2019) ist er ein in seiner toxischen Männlichkeit Gefangener.

Dafoes Zusammenarbeit mit Regisseuren liest sich wie eine virtuelle Enzyklopädie des modernen Kinos: Martin Scorsese, Oliver Stone, David Lynch, Wim Wenders, David Cronenberg, Julian Schnabel, Lars von Trier und Wes Anderson. Auf die Frage, ob ihm der Name des Regisseurs wichtig sei, antwortet er, dass er bei der Auswahl seiner Projekte eher einem visionären Regisseur vertraut als einem hochgelobten Drehbuch. „Ich fühle mich von starken Persönlichkeiten angezogen: von Filmemachern, die eine ganz eigene Handschrift haben. In deren Händen bin ich gern ein knetbares Geschöpf.“ Ferrara ist er seit vielen Jahren treu. Nach TOMMASO haben die beiden schon ihr nächstes Projekt begonnen und mittlerweile auch beendet: SIBERIA ist die Odyssee eines gebrochenen Mannes, der vor der Welt in die Tundra flüchtet.

DER REGISSEUR Abel Ferrara

Abel Ferrara hat den Ruf, ein radikaler, schonungsloser Regisseur zu sein. Er ist der Geschichtenerzähler der dunklen Straßen von New York, seiner damals noch nicht gentrifizierten Heimat. Ferrara wurde 1951 in der Bronx geboren und begann schon als Teenager, das New Yorker Umland mit seiner Super-8-Kamera einzufangen. Zusammen mit seinen langjährigen Autoren Nicholas St. John und John MacIntyre wusste er wie kein anderer, die fiebrige Energie der New Yorker Straßenschluchten und Hinterhöfe einzufangen. Er ging mit seiner Kamera dorthin, wo der Dreck sich schichtet und die Abgründe sich vervielfachen. Selbst unter den anderen großen Regisseuren der Ostküste, Scorsese, Allen und Cassavetes, die sich dem Zugriff Hollywoods entzogen und stärker vom europäischen Autorenkino beeinflusst waren, blieb Ferrara in seiner Radikalität Außenseiter.

Seine ersten Filme waren DRILLER KILLER – DER BOHRMASCHINENKILLER und DIE FRAU MIT DER 45ER MAGNUM in den späten 1970ern und frühen 1980ern, wilde Exploitationfilme, Geschichten aus den finstersten Ecken New Yorks. THE KINGS OF NEW YORK – KÖNIG ZWISCHEN TAG UND NACHT, entstanden Anfang der 1990er Jahre, heißt Ferraras wohl bekanntester Film. Ein ultimativer New-York- und durchgestylter Gangsterfilm mit seinen mal lakonischen, mal eruptiven Gewaltszenen. Der Film markiert den Beginn von Ferraras zweiter, erfolgreichster Werkphase Anfang der 1990er Jahre, als seine idiosynkratischen Arbeiten kurzzeitig vom Boom des US-Independentkinos mitgetragen wurden.

Es schwingt in Ferraras Bildern immer eine zornige Wehmut über das Verschwinden des alten, versifften New Yorks mit, die sich in seinem Film BAD LIEUTENANT (1992) in einer unkontrollierten Spirale der Selbstzerstörung entlädt. Harvey Keitel, in einer seiner besten Rollen, geht als cracksüchtiger Polizist, der im Fall der Vergewaltigung einer Nonne ermittelt, an seine körperlichen Grenzen. Ein bildgewaltiger Horror des Selbst. Die düstere Cop-Saga machte Ferrara weltberühmt.

Abel Ferrara ist nicht einfach nur der Bad Boy Hollywoods, er ist der Angry Man, eine Art grimmiges Gewissen der amerikanischen Großstadt, sein Kino ist ein Kino der Sünder. Ferrara, erzkatholisch erzogen, erzählt von jenen Verlorenen, für die der Messias nur in Gestalt eines Erzählers kam, der von ihren Schicksal berichtete. Abel Ferrara erzählt von Männern, die das Gute tun wollen, aber immer wieder an sich und ihren Obsessionen scheitern. Sie ringen mit und leiden an sich. Abel Ferrara steigt ihnen in ihre stickigen Verstecke vor sich selbst nach, folgt seinen getriebenen Figuren dorthin, wo es kein Licht gibt. PASOLINI, 2014 mit Willem Dafoe in der Titelrolle, erzählt von den letzten exzessiven Tagen des ermordeten Dichters, Filmemachers und Links-Aktivisten Pier Paolo Pasolini. Trotz der Tragik des Mordes an dem umstrittenen Künstler scheint der Film fast versöhnlich. Ein Film über einen lebenshungrigen Menschen, der trotz seiner so zahlreichen Dämonen bei sich angekommen zu sein scheint.

2003 verlässt Ferrara New York, den Ort seiner Alkohol- und Drogenexzesse, und zieht nach Rom. Der Katholik konvertierte zum Buddhismus. Hier entsteht auch TOMMASO UND DER TANZ DER GEISTER, seine sechste gemeinsame Arbeit mit Willem Dafoe, der wie er Amerika verlassen hat, um in Rom zu leben. Mit TOMMASO UND DER TANZ DER GEISTER erzählt Ferrara über ein viertel Jahrhundert nach BAD LIEUTENANT eine andere Geschichte von einem Mann, den das Leben auf die düstere Seite gezogen hatte. Tommaso ist, anders als die anderen Figuren in Ferraras Universum, einer, der wirklich abgeschworen hat, der die Abgründe kennt, aber die Chance bekam, sich neu zu erfinden: Fernab von Amerika im lebendigen Gewimmel der heiligen Stadt versucht Tommaso, den Anforderungen des komplizierten Geflechts seiner jungen Familie gerecht zu werden. Die Geister der Vergangenheit hocken ihm dabei auf der Schulter. Ein zutiefst autobiographisch geprägter Film. „Seine Kritik antwortet auf das Reale wie ein Seufzer auf einen Kuss antwortet oder ein Schrei auf einen Hieb“, schreibt die Filmwissenschaftlerin Nicole Brenez in ihrem Buch über Ferrara.

Egal wo Ferrara dreht, jedes Projekt macht er in seiner ihm eigenen Art zu einem Akt des Überlebens. Jede Arbeit geht er mit überschäumender Energie an. Alles, was wirklich zählt in seinem Kino, ist der höchstpersönliche Affekt. Abel Ferrara ist Überlebenskünstler im wahrsten

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