Wonder Woman – Filmkritik: wunderbar altmodisch und zugleich enorm modern

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Wonder Woman © Warner Bros.

Die Kritik:

Wonder Woman Hauptplakat
Wonder Woman Hauptplakat © Warner Bros.

Auf eine Sache konnten sich wohl auch die hartgesottensten Kritiker von Zack Snyders polarisierender Göttersaga „Batman v Superman: Dawn of Justice“ einigen: Gal Gadot als Wonder Woman stahl mit all ihren Auftritten die Show und hat zu den besten Aspekten eines ambitionierten, aber problematischen Films gehört. Viel Kritik gab es bislang zu DCs eigenem filmischem Superhelden-Universum nach Vorbild von Marvel zu hören, nachdem „Man of Steel“, besagtes Duell zwischen Batman und Superman und insbesondere „Suicide Squad“ eher schlecht ankamen. Dementsprechend großer Druck lag nun auf Wonder Womans Schultern, das DC Extended Universe wieder in sicherere Fahrwasser zu lenken. Seit bereits über 20 Jahren gab es Versuche, der wohl ikonischsten weiblichen Superheldin ein filmisches Denkmal zu errichten, jedoch scheiterten bislang unterschiedliche Regisseure (etwa Joss Whedon) und Drehbuchautoren an der bereits 1941 erschaffenen Figur. Nun war es schließlich „Monster“-Regisseurin Patty Jenkins, die mit ihrer Adaption für einen der größten Comicverfilmungs-Triumphe der letzten Jahre gesorgt hat, die sich direkt in das Pantheon großartiger filmischer Helden-Ursprungsgeschichten wie Richard Donners „Superman“, Sam Raimis „Spider-Man“ oder Christopher Nolans „Batman Begins“ einreiht. Ihr gelang hier zwar weitestgehend konventionell strukturiertes, aber erstklassig erzähltes, aufregendes und enorm gut aufgelegtes Unterhaltungskino mit stark gezeichneten Figuren, das vor allem durch seine nie zu dick aufgetragene emanzipatorische und optimistische Strahlkraft bewegt.

„Wonder Woman“ beginnt in der Kindheit von Diana, die auf der von Amazonen bevölkerten Insel Themyscira aufwächst. Besagte Amazonen sind Kriegerinnen, die einst von den Göttern erschaffen wurden, um die Menschheit mit ihrer Stärke, aber auch Empathie vor dem Kriegsgott Ares zu beschützen. Diana selbst wurde einst von ihrer Mutter Königin Hippyolyta (Connie Nielsen) aus Ton geformt, später zum Leben erwacht und von olympischen Göttern mit Superkräften ausgestattet, die sie selbst aber noch gar nicht erforscht hat. Schon als Kind schaut sie den gestählten Amazonen bewundernd beim Kämpfen zu und träumt von nichts sehnlicher, als eines Tages an ihrer Seite zu stehen. Erst als junge Frau wird sie jedoch von General Antiope (Robin Wright) heimlich zum anfänglichen Missfallen ihrer Schwester Hippolyta ausgebildet, um eines Tages gegen Zeus in Ungnade gefallenen Sohn Ares antreten zu können.

Wonder Woman: Diana Prince (Gal Gadot) alias Wonder Woman
Wonder Woman: Diana Prince (Gal Gadot) alias Wonder Woman. © Warner Bros.

In diese Welt, in der keine Männer existieren, stürzt unverhofft der US Army-Pilot Steve Trevor (Chris Pine) mit seinem Flugzeug ins Meer, kann aber gerade noch von Diana (Gal Gadot) vor dem Ertrinken gerettet werden. In seinem Schlepptau befindet sich eine Armada deutscher Soldaten, die auf Trevor Jagd machen und schließlich am Strand von Themyscira in einen verheerenden Kampf gegen das Amazonen-Heer geraten. Trevor überlebt, wird jedoch von den Amazonen als potentieller Feind gesehen. Doch kurz bevor sein Todesurteil ausgesprochen wird, berichtet der sich als Spion offenbarende Trevor den Kriegerinnen von dem draußen wütenden Ersten Weltkrieg, der auch für die Amazonen eine ernsthafte Bedrohung darstellen könnte. Diana vermutet, dass Ares für diesen Krieg verantwortlich ist und entscheidet sich dafür, an der Seite von Trevor nach Europa zu reisen, um selbst zu kämpfen und den Krieg eigenhändig zu beenden.

Dieser erste Akt von „Wonder Woman“ mag manchen Zuschauer noch mit seinem ironiefreien Hang zum Kitsch, theatralischen Dialogen und stellenweise wenig subtilem Spiel irritieren, jedoch dauert es auch nicht lange bis Jenkins prachtvoll kreierte Welt und ernsthafte Erzählweise den Zuschauer gefangen nimmt. Das in süditalienischen Original-Schauplätzen entstandene Themyscira erweist sich als prachtvoll gestalteter, farbenfroher und paradiesischer visueller Triumph. Man erfährt von der komplexen Mythologie, die den Hintergrund der Amazonen und Prinzessin Diana bildet, Jenkins erzählt das teilweise in kunstvollen Tableaus, die wie zum Leben erwachte barocke Kunstwerke wirken.

Wonder Woman: Diana Prince (Gal Gadot) alias Wonder Woman
Wonder Woman: Diana Prince (Gal Gadot) alias Wonder Woman. © Warner Bros.

Ihr überraschend starkes Händchen für wuchtige und übersichtlich inszenierte Action beweist Jenkins bereits in der furiosen Schlachtszene am malerischen Strand der Insel, bei dem sich die deutschen Soldaten gegenüber den hochentwickelten Amazonen, die zu Pferde unterwegs und mit Pfeil und Bogen ausgestattet sind, schnell im Nachteil wiederfinden. Mit dem Erscheinen von Chris Pine gewinnt der Film nach dieser anfänglichen Dramatik willkommene augenzwinkernde Momente, als dieser sich mit einer für ihn unerklärlichen, von Frauen bevölkerten mythischen Welt konfrontiert sieht. Früh wird hier die großartig spielerische Chemie zwischen Gadot und Pine deutlich, die den ganzen Film bis zu seinem erstaunlich bewegenden Finish tragen wird. Hier ergeben sich einige wunderbar komische und geistreiche Schlagabtäusche, die für gelungene Lacher sorgen und aber – ganz wichtig – natürlich entstehen und nie eine der Figuren bloßstellen. Diana erweist sich als intelligente, wissbegierige und mit überwältigendem Optimismus und Idealismus ausgestattete junge Frau, die durch ihr abgeschottetes männerloses Aufwachsen der realen Welt aber auch noch etwas naiv und unschuldig gegenübersteht. Sie muss eine beträchtliche Lernkurve im Verlauf des Films durchgehen, um schließlich zur heroischen und allseits bekannten Figur Wonder Woman zu werden (ein Titel, der dankbarerweise nie ausgesprochen wird).

Das klassische „Fish-out-of-water“-Szenario wird dann schließlich umgedreht, als sich Diana im London der 10er Jahre wiederfindet und völlig anderen Lebensumständen gegenübergestellt wird. Hier ergeben sich zahlreiche genüssliche Momente, die für wunderbar gut aufgelegte Unterhaltung sorgen, etwa wenn Steves quirlige Sekretärin Etta Candy (Lucy Davis) mit Diana shoppen geht, um sich optisch besser einzugliedern. Hierbei werden auch immer wieder gängige Geschlechterrollen und gesellschaftliche Konventionen geistreich und amüsant mit viel Feingefühl kommentiert. Nach und nach rückt jedoch dann der Ernst der Situation in den Mittelpunkt, denn General Erich Ludendorff (Danny Huston), der die Welt mit neu geschaffenem Giftgas bedroht, kristallisiert sich für Diana als verdeckt operierender Ares heraus. Gemeinsam mit Steve Trevors Team bestehend aus Geheimagent Sameer (Saïd Taghmaoui), Scharfschütze Charlie (Ewen Bremner) und Chief (Eugene Brave Rock) begibt sich Diana zur belgischen Westfront, um den scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die Deutschen anzunehmen. Auch bei den Nebenfiguren überzeugt der Film mit präziser und pointierter Charakterzeichnung, denn keiner von Steves Kollegen entpuppt sich als simpler Stereotyp.

Gal Gadot als Diana
© 2017 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC. AND RATPAC ENTERTAINMENT, LLC Photo Credit: Alex Bailey/ TM & © DC Comics

„Wonder Woman“ lässt sich überhaupt angenehm viel Zeit in der Entwicklung seiner Figuren, wodurch niemand zu kurz kommt. Im Mittelpunkt steht aber ganz eindeutig Diana, die mit ihrem Optimismus und dem Glauben an das Gute im Menschen und dem Willen, etwas bewirken zu können als inspirierende Gallionsfigur fungiert. Doch Jenkins macht genau das Richtige und verklärt Diana nicht als fehlerfreie Heldenfigur, sondern gibt ihr Schwächen, die sie trotz ihrer göttlichen Herkunft menschlich und greifbar machen. Sie muss auf ihrer Reise einiges lernen, strahlt aber von Beginn an auch mit ihrem unzerstörbaren Idealismus auf ihr irdisches Umfeld und den Zuschauer ab. „Wonder Woman“ versteht sich angenehmerweise nicht als Film, der eine starke Frauenfigur und damit ein plumpes feministisches Manifest präsentieren will, um Männer daneben schwach darzustellen – im Gegenteil, Steve Trevor ist eine kaum minder starke und weltgewandte Figur, von der Diana über die irdischen Mechanismen ebenfalls lernen kann. Immer wieder kriegt auch Trevor fein ausbalancierte heroische Momente, die sich, wie alles in „Wonder Woman“ natürlich aus den Figuren herausentwickeln und nie plump oder erzwungen wirken. Dennoch ist es überaus erfrischend zu sehen, dass auch mal ein Mann mehrfach von einer Frau gerettet werden muss.

Doch es ist ganz sicher dieser eine überwältigende Moment auf dem gefürchteten „No Man’s Land“ zur Mitte des Films, der an symbolischer und immens kraftvoller Strahlkraft kaum zu überbieten ist und den Film weit aus dem Durchschnitt hebt. Hier wird Diana zum ersten Mal im Film für alle sichtbar zu dem, was sie ausmacht – Es ist dieser wuchtige, ikonische und regelrecht majestätische Erwachungsmoment, der einem schlicht den Atem raubt und sich direkt zu den ganz großen Szenen der Comicverfilmungsgeschichte einreiht. Viel mehr soll an dieser Stelle auch nicht verraten werden. Man hat insbesondere hier und in den Folgemomenten das Gefühl, dass dieser Film echte Magie ausstrahlt und etwas Besonderes ist. Hier, auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs, ist „Wonder Woman“ wohl am stärksten, Jenkins Actioninszenierung erweist sich als überaus wirkungsvoll und mitreißend, man verliert auch nie den Überblick. Jeder Moment sitzt hier, nichts wirkt überflüssig oder verschwendet. Die Action ist vor allem deshalb so effektiv und packend, da man tatsächlich stark mit den Figuren mitfiebert, sie überhaupt eher sparsam eingesetzt wird und hinter allem eine kraftvoll-resonante Botschaft liegt.

CHRIS PINE als Captain Steve Trevor und GAL GADOT als Wonder Woman
CHRIS PINE als Captain Steve Trevor und GAL GADOT als Wonder Woman © 2017 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC. AND RATPAC ENTERTAINMENT, LLC Photo Credit: Clay Enos/ TM & (c) DC Comics

Dass „Wonder Woman“ so gut funktioniert, liegt nicht an seiner Originalität, es ist viel mehr die Tatsache, dass hier tatsächlich eine Geschichte stark und erstaunlich frisch erzählt wird und Figuren dargestellt werden, die den Zuschauer tatsächlich berühren. Der Film ist zum einen herrlich altmodisches Abenteuerkino, das im selben Moment aber so unglaublich zeitgemäß und erfrischend wirkt wie lange kein Mainstream-Blockbuster. „Wonder Woman“ steigert sich zunehmend und selbst der obligatorische recht CGI-lastige Showdown erweist sich als effektiv, da man spätestens jetzt weiß, wofür Diana steht und dadurch voll hinter ihren noblen Zielen steht. Jenkins besinnt sich hier spürbar auf die Mentalität von Richard Donners „Superman“, der auch eine zutiefst aufrichtige und angenehm ironie- und zynismusfreie Vision darstellte. Angesichts so vieler ideologisch fragwürdiger oder von ihrer Verantwortung erschlagenen, müde gewordenen Superhelden ein überaus willkommener, nahezu euphorisierender Gegenentwurf. Gal Gadot verkörpert ihre Rolle mit Ernsthaftigkeit, Selbstbewusstsein, majestätischer Größe, aber auch mit erstaunlicher Leichtigkeit und Zugänglichkeit, womit sie sich als absolut würdig erweist, diese Figur zum Leben zu erwachen. Selten wurde die simple und potentiell kitschige Botschaft „Liebe ist stärker als Hass“ so kraftvoll und nachwirkend propagiert wie hier, was gerade zu dieser düsteren und schwierigen Zeit so kathartisch wirkt.

Filmwertung
8.5/10

Kurzfassung

„Wonder Woman“ ist der richtige Film zur richtigen Zeit – Ein wunderbar altmodisches und zugleich enorm modernes Abenteuer, das sich durch seine großen Ideale und starke Symbolkraft als kraftvolle Comicverfilmung mit weiblicher Heldin im Zentrum auszeichnet.

Fazit:

„Wonder Woman“ bietet großes, wuchtiges und oft gänsehauterregendes Unterhaltungskino, das sowohl kraftvoll und bewegend als auch inspirierend und aufregend ist. Hier wird eine fantastische, gleichermaßen charmante wie furchtlose Heldin mit Vorbildfunktion für Jungs und Mädels präsentiert, die sich – wie auch der Film – durch pure Aufrichtigkeit, Mitgefühl und Zynismusfreiheit auszeichnet und damit einen strahlenden humanistischen Leuchtturm gegen das Blockbuster-Einerlei bietet.


von Florian Hoffmann

Mehr zum Film:
Trailer: Filminfo:

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