Whitney Houston: I Wanna Dance with Somebody – Filmkritik

Naomi Ackie in I WANNA DANCE WITH SOMEBODY
Naomi Ackie in I WANNA DANCE WITH SOMEBODY © Tristar Pictures

Die Kritik:

Sie ist „The Voice“: Nur ihr gelangen sieben aufeinanderfolgende Nummer 1-Hits in den U.S.-Charts. Sie hat 6 Grammys, 16 Billboard Music Awards und 22 American Music Awards gewonnen. Mit über 200 Millionen verkauften Alben gehört sie zu den erfolgreichsten Künstlern der Musikgeschichte. Sie hat allerdings auch mehr verdient als „I Wanna Dance with Somebody“, das obligatorische Biopic über ihr bewegtes Leben. Gerade mal zehn Jahre sind nach ihrem tragischen Tod durch eine versehentliche Überdosis vergangen und es fühlt sich einfach zu früh an für einen Film dieser Art. Doch hier ist er nun, jedes denkbare Klischee von Musiker-Biopics bedienend, melkt dieser Film ihr immer noch überlebensgroßes Image für das nett-gemütliche Biopic der Vorweihnachtszeit aus. Anders als bei anderen Filmen über Musikerkarrieren fühlt sich das alles aber seltsam falsch und zynisch an, zu tragisch waren die Umstände um ihr viel zu frühes Ableben, zu viel Geld lässt sich noch an ihr verdienen. Wie ironisch, denn das war ja auch mit einer ihrer fatalen Abgründe, dass sie von ihrem Umfeld immer wieder als goldene Gans ausgebeutet wurde – was der Film zumindest nicht ausklammert.

I WANNA DANCE WITH SOMEBODY - FILMPLAKAT
I WANNA DANCE WITH SOMEBODY – FILMPLAKAT © Tristar Pictures

Es ist bemerkenswert, wie kalkuliert, wie mechanisch dieser Film daherkommt. Man startet zunächst mit einer erzählerischen Klammer, die bei den American Music Awards 1994 gesetzt wird: Hier spielte Whitney einst ihr legendäres Medley und gewann acht Preise – immer noch ein Rekord unter den weiblichen Künstlern. Hier wartet das Publikum noch gespannt auf ihren Auftritt, doch der kommt natürlich erst am Ende des Films, als großer Höhepunkt in voller Länge. Was sonst, denn das ist also der obligatorische „Bohemian Rhapsody“-Live Aid-Moment von „I Wanna Dance with Somebody“. Wenig überraschend ist dann angesichts dieser offensichtlichen Funktionsweise auch, dass Anthony McCarten sich für das Drehbuch verantwortlich zeigt, scheinbar der aktuelle Go-to-Guy für Biopics (siehe „Bohemian Rhapsody“, „Die dunkelste Stunde“, „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ usw.).

Dann folgt der erwartbare Sprung zurück zu den Ursprüngen: Wir schreiben das Jahr 1983, Whitney (Naomi Ackie) wird von ihrer Mutter Cissy (Tamara Tunie) im Aufbau ihrer Gesangskarriere konsequent gedrillt, von mütterlicher Liebe ist so gut wie nichts zu sehen. Und ja, auch wenn Cissy als erfolgreiche Sängerin (und selbst spätere Grammy-Preisträgerin) weiß von was sie spricht, kommt sie im gesamten Film arg eindimensional in ihrer dominanten Art daher. Whitney lernt dann Robyn Crawford (Nafessa Williams) kennen, ihre spätere Assistentin und engste Vertraute, die, so impliziert es der Film, in den 80ern eine Liebesbeziehung mit dem aufkommenden Star führte. Gewollt war diese Liaison der beiden lange unzertrennlichen Frauen aber nicht, Monstervater John (Clarke Peters), der sie später managt, empfiehlt, dass Whitney doch zumindest für die Öffentlichkeit mit „jungen Männern“ ausgehen soll. Also hat sie in der nächsten Szene schon was mit Jermaine Jackson. Auf diese Weise funktioniert eigentlich der ganze Film. Dann darf zuvor natürlich auch nicht die unentbehrliche Entdeckungsszene nicht fehlen, in diesem Fall durch den legendären Arista Records-Gründer Clive Davis (ein Lichtblick: Stanley Tucci), der sofort ohne jeden Zweifel trocken feststellt, dass Whitney „die große Stimme ihrer Generation“ ist.

Brav und pflichtbewusst arbeitet „I Wanna Dance with Somebody“ dann die bewegte Karriere von Whitney Houston ab. Fast schon hat man den Eindruck, dass eine KI den Film erstellt hat, nachdem man sie mit Houstons Wikipedia-Artikel und dem Musiker-Biopic-Baukasten gefüttert hat. Kreative Ideen oder irgendein überraschendes Element sucht man hier vergebens, Regisseurin Kasi Lemmons ordnet sich völlig unter und inszeniert ein glattes und oberflächliches Hochglanzprodukt im Stile eines Fernsehfilms, nur mit mehr Aufwand. Die Genese von großen Hits wird hier immer kurz und unspektakulär abgearbeitet, meist spielt Davis ihr eines sehr eingeschickten Demo-Tapes vor und Whitney fühlt den Song oder nicht. Dann wird der Zuschauer eingeladen zum Wiedererkennen und „Ah“- und „Den Song kenn ich gut, wie schön!“-Sagen. Viel mehr war da meistens wohl wirklich nicht, hier werden keine eigenen Dämonen in Songs verarbeitet, auch fehlt der große geniale kreative Prozess, wie man ihn von anderen Blut, Schweiß und Tränen-Biopics kennt. Whitney war primär dann eben tatsächlich primär eine unglaublich begabte Sängerin mit herausragendem Instinkt.

Naomi Ackie in I WANNA DANCE WITH SOMEBODY
Naomi Ackie in I WANNA DANCE WITH SOMEBODY © Tristar Pictures

Meistens folgt dann eine Performance, die aber leider nie wirklich beeindruckend umgesetzt ist. Naomi Ackie gibt sich Mühe mit ihrer Rolle, sie will Whitney spürbar gerecht werden und gibt ihr zweifelsohne echte Menschlichkeit und Greifbarkeit. Ihre Stärke findet sich in den ruhigen und intimen Momenten. Eine transzendentale Verwandlung ist das aber nicht und hier liegt dann wohl ein weiteres Problem des Films: Wie schon in den Trailern zu sehen, ähnelt Ackie Houston einfach nicht und zu keinem Zeitpunkt vergisst man, hier einer Schauspielerin zuzusehen. Ackie verwandelt sich nicht, ihr fehlt das magische Element eines Rami Malek in „Bohemian Rhapsody“ oder zuletzt auch Austin Butler in „Elvis“. Dass sie die Songs selbst zum Besten gibt, ist dann eben auch nicht glaubwürdig, da sie eben nur offensichtlich Playback performt und auf der Bühne ohne Houstons berstende Energie auskommen muss und ja, letztlich wie eine solide Imitatorin wirkt.

So sind die vermeintlichen musikalischen Höhepunkte eben keine, der Puls geht nie hoch, man schaut einfach nur passiv und unberührt zu, spürt die Größe und Magie nicht. Neben den Karriereschritten, die pflichtbewusst abgeklappert werden, kommt es natürlich zu den gelegentlichen Spannungen mit Cissy, dem raffgierigen Vater John und der berüchtigten Beziehung zu Bobby Brown (Trevante Rhodes). Auch Rhodes, einst so großartig in „Moonlight“ bleibt erschreckend blass in diesem Film, während Bobby Brown erstaunlich gut wegkommt. Da dieser anonyme Film so durch Houstons Leben sprintet, können auch keine Fokuspunkte gesetzt werden, kein Moment kann richtig atmen, denn der nächste Schritt auf der Checkliste steht schon in den Startlöchern. Echtes Drama ist das definitiv nicht.

Ein bisschen Drogenkonsum darf selbstverständlich auch nicht fehlen, es kommt zu den unvermeidlichen Tiefs, aber eben nicht zum großen finalen Triumph. Whitney Houstons Leben hat sich rückblickend betrachtet nie so ganz selbstbestimmt angefühlt, trotz guter Menschen in ihrem Umfeld, die zumindest von außen betrachtet ihr Bestes wollten (Clive Davis, Robyn Douglas), waren nur selten. Gerade in Anbetracht von Kevin MacDonalds grandios gespenstischem, todtraurigem und tief unter die Haut gehendem Dokumentarfilm „Whitney“ von 2018 erscheint dieses Biopic so derart flach und luftleer, dass es über ihren Tod hinaus ein weiteres tragisches Kapitel für eine Frau darstellt, die Besseres verdient hat.

Filmwertung
5.5/10

Kurzfassung

Uninspiriertes Biopic einer großen Künstlerin

Fazit:

„I Wanna Dance with Somebody“ ist ein mechanisches und völlig uninspiriertes Biopic einer großen Künstlerin und tragischen Figur, die Besseres verdient hat. Nach Schema F spult sich hier das Leben von Whitney Houston ab, ohne dass je ein überraschendes kreatives Element gesetzt wird oder echte Höhepunkte geschaffen werden. Dass Naomi Ackie trotz guter Momente einfach die transformative Qualität fehlt, um wirklich zu „The Voice“ zu werden, sorgt dann für weitere Enttäuschung.


von Florian Hoffmann

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