Die Kritik:
2017 hatte Schauspieler und Regisseur Kenneth Branagh „Mord im Orient-Express“ als Neuadaption auf die Kinoleinwand gebracht und war selbst in die Rolle von Ermittler Hercule Poirot geschlüpft. Unmittelbar nach dem Erfolg des Films planten Branagh und Drehbuchautor Michael Green bereits den Folgefilm „Tod auf dem Nil“, basierend auf Agatha Christies Roman aus dem Jahr 1937. Erneut nimmt Branagh selbst die Rolle des belgischen Meisterdetektivs Hercule Poirot ein, der sich diesmal an Bord eines glamourösen Schaufelraddampfers erholen möchte. Doch wieder kommt es anders, als erwartet.
Einst waren die Millionenerbin Linnet Ridgeway (Gal Gadot) und Jacqueline de Bellefort (Emma Mackey) eng miteinander befreundet. Doch dann stellte Jacqueline ihrer besten Freundin ihren Verlobten Simon Doyle (Armie Hammer) vor und bat darum, dass sie ihn anstellen möge. Bereits bei ihrer ersten Begegnung entbrannte eine Leidenschaft zwischen Linnet und Simon, sodass er seine Verlobung mit Jacqueline löste und stattdessen der neuen Frau in seinem Leben das Ja-Wort gab. Noch immer davon überzeugt, in Simon die Liebe des Lebens gefunden zu haben, macht Jacqueline seither dem Paar das Leben zur Hölle. Selbst bei der Hochzeitsreise auf dem Nil ist sie anwesend.
Bereits bei der Besichtigung der Pyramiden entgeht dem Paar nur knapp einem tödlichen Unfall. In ihrer Angst und Verzweiflung bittet Linnet den anwesenden Meisterdetektiv Hercule Poirot (Kenneth Branagh), die Hochzeitsgesellschaft im Auge zu behalten, da sie sich bei jedem Gast unwohl fühlt. Als die frisch angetraute Ehefrau die erste Nacht an Bord nicht überlebt, ist Poirot alarmiert. Linnets Dienstmädchen Louise Bourget (Rose Leslie), ihr Jugendfreund und Treuhänder Andrew Katchadourian (Ali Fazal), die Musikerinnen Salome & Rosalie Otterbourne (Sophie Okonedo & Letitia Wright) sowie die Malerin Euphemia (Annette Bening) oder deren Sohn Bouc (Toma Bateman) sind schockiert. Allen voran bittet Simon Poirot den Fall schnellstmöglich zu lösen und den Mörder seiner Frau zu stellen. Doch jeder der Anwesenden hätte ein Motiv und jeder könnte die grausame Tat begangen haben. Poirot fügt die Indizien zusammen und zieht immer engere Kreise um die Verdächtigen, deren Anzahl sich auf tragische Weise reduziert, da weitere Morde nicht lange auf sich warten lassen…
Ganz im Stil des Vorfilms lässt sich Poirot, erneut herrlich verschroben in seinen Ansichten, ausreichend Zeit, um den wahren Täter zu entlarven. Rückblicke in Poirots Vergangenheit, betonen sein Spürsinn und auch seine innere Zerrissenheit mehrmals aufgegriffen wird. Immer wieder erwägt er die emotionalen Zustände der Gesellschaft, um deren mögliche Motivation für einen Mord zu erkennen oder gar ausschließen zu können. Dass er dabei selbst gut gehütete Geheimnisse der Mitreisenden entlarvt, ist seinem großartigen Spürsinn zu verdanken, dem wirklich nichts entgeht. Während die Zuschauer selbst emsig mitraten und versuchen, jedes noch so kleine Detail zu erkennen, weiß Poirot natürlich bereits, wer der wahre Täter ist. Zur Verwirrung der Mitreisenden, streut er jedoch falsche Annahmen und Indizien, um somit dem Täter die Chance zu geben, sich selbst zu entlarven.
Die Spannung bleibt auf einem gleichbleibenden Niveau. Höhen und Tiefen halten sich in etwa die Waage, was auch der Kulisse geschuldet ist. Die Landschaften am Ufer des Nils wurden aufgrund der Pandemie in Marokko gedreht, was dem kundigen Besucher vermutlich schnell ins Auge fällt. Und auch die Nachbildung des Tempels von Abu Simbel kann trotz seiner Details nicht wirklich überzeugen. Da der Großteil des Films aber eh auf dem Schaufelraddampfer fokussiert ist und die Handlung lediglich zwischen der wenigen an Board befindlichen Räume wechselt, ähnlich wie im Orient-Express, wo nur mehrere Kabinen der Handlung als Kulisse dienten, fokussiert sich der Blick auf die Charaktere. Und diese sind dank der gelungenen Kostüme in der Handlungszeit behaftet. Die scheinbar endlosen Verhöre, die Poirot nun nach und nach mit allen Anwesenden führt, dient der Charakterbildung der Figur, die meist mit einem Blick in dessen Vergangenheit bestückt ist, um mehr Hintergrund zu bieten und mögliche Handlungen zu verdeutlichen. Dass alle Charaktere auf die eine oder andere Art miteinander verbandelt sind, sorgt für den einen oder anderen Schmunzler.
Kenneth Branagh profiliert sich erneut als Agatha-Christies-Meisterdetektiv mit unglaublichem Spürsinn für die feinen Zwischentöne. Etwas verschroben, aber mit dem Herz am rechte Fleck zieht er schnell die Sympathie der Kinobesucher auf seine Seite. Auch das tragische Schicksal der verschmähten Jacqueline, von Emma Mackey zwischen Femme Fatale und vor Wut tobender Furie gespielt, nimmt den Zuschauer für sich ein. Gal Gadot und Armie Hammer als frisch verheiratetes Paar wirken hingegen etwas blass, wenn auch die übrigen Gäste des Dampfers nur als schmuckes Beiwerk dienen, ohne wirklich die Möglichkeit zur freien Entfaltung der Rolle zu bekommen.
Filmwertung
Kurzfassung
Mit Hercule Poirot schickte Agatha Christie einst einen Meisterdetektiv in die Welt. Kenneth Branagh beweist vor und hinter der Kamera Spürsinn für die Feinheiten.
Fazit:
„Der Tod auf dem Nil“ ist jenen, die bereits den ersten Teil der Christie Neuverfilmungen mit ihrer gediegenen Laufgeschwindigkeit und den nahezu endlos erscheinenden Dialogszenen mochten, ans Herz zu legen. Denn selten wird detektivischer Spürsinn so konsequent ruhig und ausufernd gelebt, wie bei Poirots Kriminalfällen.
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