Titane – kompromissloses Horrordrama

Titane: Agathe Rouselle
Titane: Agathe Rouselle © Koch Films

Die Kritik:

Julia Ducournau hat mit „Raw“ einen absoluten Überraschungshit erschaffen, der die junge Regisseurin und ihre Hauptdarstellerin Garance Marillier berühmt machte. Das belgisch-französische Kannibalen-Horrordrama wurde vor allem durch zahlreiche extrem-widerliche Szenen bekannt, die sich in den Kopf des Zuschauers brannten. Ihr neuer Film „Titane“ knüpft daran an und arbeitet wieder mit widerlichen Momenten, die für zartbesaitete Zuschauer zu einer wahren Belastungsprobe werden können. Wer damit jedoch kein Problem hat, erkennt unter der Oberfläche eine einfühlsame Geschichte, die es wert ist, erkundet zu werden.

Titane - Filmplakat
Titane – Filmplakat © Koch Films

Es ist nicht leicht, die Handlung von „Titane“ zusammenzufassen, denn Julia Ducournau arbeitet in der ersten halben Stunde extrem mit der Erwartungshaltung des Zuschauers. Sie kreiert einen schwindelerregenden Mix aus Twists und unerwarteten Handlungsentwicklungen, wodurch der Film unmöglich vorherzusehen ist. Auf den ersten Blick fokussiert sich der Plot auf einen Vater (Vincent Lindon), der seinen vermisst-gemeldeten Sohn (Agathe Rouselle) nach zehn Jahren endlich wiedersieht. Es steckt jedoch so viel mehr in diesem Film.

Im Endeffekt gleicht „Titane“ einer Abhandlung über traumatische Erlebnisse und wie wir versuchen, diese zu bewältigen. Die Szenen zwischen dem Vater Vincent und seinem Sohn sind zutiefst menschlich und dadurch traurig-schön. Es werden Fragen gestellt, die man nicht leicht beantworten kann, beispielsweise ob ein Weg existiert, richtig mit einem schrecklichen Schicksal umzugehen oder wie man es als Elternteil schafft, seinem Kind die Nähe zu geben, die es zehn Jahre lang vermisst hat. Beeindruckend ist in diesem Zusammenhang das Schauspiel.

Der Vater Vincent wird von dem gleichnamigen Vincent Lindon („Hass“) verkörpert, der zwar äußerlich wie ein großer, wenig emotionaler Mann wirkt, im Inneren aber zutiefst berührend versucht, Nähe zu seinem verlorenen Sohn aufzubauen, welcher ihn jedoch immer wieder abblockt. Seine Darstellung ist der geheime Star des Filmes. Agathe Rouselle befindet sich hingegen auf der Suche nach ihrer wahren Identität und glänz vor allem in den Momenten der rohen Härte, welche häufig in „Titane“ auftauchen. In einer Nebenrolle spielt außerdem Garance Marillier mit, die Hauptdarstellerin aus Ducournaus Spielfilmdebüt „Raw“. Leider fällt ihre Rolle etwas klein aus, trotzdem können wir uns auf mehr von der talentierten Schauspielerin freuen.

Titane: Agathe Rouselle
Titane: Agathe Rouselle © Koch Films

Wer den Stil Ducournaus kennt, der kann erahnen, dass es nicht bei dieser menschlichen Seite bleiben wird. „Titane“ gelingt es, Schmerzen und Fassungslosigkeit körperlich auf den Zuschauer zu übertragen. In unzähligen Szenen zuckt man zusammen durch diese kompromisslose Härte, die auf eine psychische Art unfassbar brutal ist. Visuell wird ebenfalls einiges aufgetischt, beispielsweise indem „Body Horror“ auftaucht, der schon seit langer Zeit nicht mehr so sehr wehgetan hat. Kameramann Ruben Immens („Beautiful Boy“) lässt seiner Kreativität freien Lauf und kreiert schon in den ersten 15 Minuten Einstellungen, die der Zuschauer nicht so schnell vergisst. Die Gewalt wird von dem makellosen Sounddesign perfekt unterstützt. Außerdem steckt omnipräsente Suspense im Film, da der Zuschauer mehr weiß als ein Großteil der Figuren, wodurch richtige Anspannung aufgebaut wird.

Filmwertung
8/10

Kurzfassung

Ein kompromissloses Horrordrama, das ungeahnte Wendungen nimmt.

Fazit:

Wie schon Julia Ducournaus Spielfilmdebüt „Raw“ ist „Titane“ extrem polarisierend und schockiert durch unfassbare Gewalt immer und immer wieder. Aber dies ist nur die Oberfläche, im Kern steckt etwas Wunderschönes und Herzzerreißendes. Wer keinen klassischen Horrorfilm erwartet und sich auf das grausame Drama einlässt, bekommt einen der einzigartigsten Filme des Jahres serviert.


von Lukas Weinandy

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