The French Dispatch: Ein Wes Anderson Film

The French Dispatch - Bill Murray
The French Dispatch - Bill Murray © Walt Disney Studios

Die Kritik:

The French Dispatch - Filmplakat
The French Dispatch – Filmplakat © Walt Disney Studios

Wes Anderson gehört bekanntlich zu den kontemporären Filmemachern, deren Handschrift unverkennbar ist. Wer sein Werk kennt und auch nur den Trailer zu seinem neuen Film „The French Dispatch“ gesehen hat, der weiß also ziemlich genau, was er hier serviert bekommt. Das ist ebenso gut wie schlecht, denn während sich Fans des Texaners über ein weiteres bonbonfarbenes, verspieltes und überaus liebevoll verpacktes Geschenk freuen dürfen, droht sich für andere Andersons markant individueller Stilwille möglicherweise spätestens jetzt abnutzen. Um das jedoch wirklich beurteilen zu können, schreit dieser vor Details überbordende Film förmlich danach, ihn mehrfach zu sehen.

Andersons liebreizende Vintage-Hommage an das ikonische The New Yorker Magazin verzichtet zum ersten Mal in seinem Werk auf eine rote narrative Linie und setzt stattdessen auf ein zum Sujet durchaus passendes Anthologieformat. So ist der Aufhänger und die Rahmenhandlung der Tod von Arthur Howitzer Jr. (Bill Murray), Herausgeber und Mitbegründer des „The French Dispatch“, einem fiktiven Magazin, das sich den „New Yorker“ unverblümt zum Vorbild nimmt. Das in dem erfundenen und herrlich archetypisch stilisiert dargestellten französischen Städtchen Ennui-sur-Blasé ansässige Schwesterblatt der Liberty, Kansas Evening Sun soll nun nach Wunsch seines verstorbenen Machers mit ihm ein Ende finden. So wird also noch eine allerletzte Ausgabe in Auftrag gegeben, die einen kurzen Reiseführer, drei Kurzgeschichten und einen Nachruf beinhalten soll.

The French Dispatch - Tilda Swinton
The French Dispatch – Tilda Swinton© Walt Disney Studios

Das ist die Ausgangslage und die Erzählstruktur von „The French Dispatch“, der erneut vor allem Andersons virtuoses Können als brillanter visueller Geschichtenerzähler eindrucksvoll unter Beweis stellt. Anderson zaubert hier erwartungsgemäß ein beeindruckend perfekt manikürtes Sittenbild auf die Leinwand, das seine weltgewandte und distinguierte Finesse in vor Details überbordendem Puppenhaus-Szenenbild, präzise komponierten und natürlich symmetrischen Bildkompositionen, fein akzentuierten Kamerabewegungen und perfekt orchestrierter visueller Komik kanalisiert. Zudem verwendet Anderson unterschiedliche Bildformate und wechselt darüber hinaus auch regelmäßig zwischen Schwarz-Weiß und Farbe hin und her.

Hinzu kommen dann auch wunderbar illustrierte Zeichentricksequenzen, die zur Ästhetik des Films makellos passen und genauso aussehen, wie man es von Anderson erwartet hätte. Überhaupt ist es erstaunlich, wie homogen diese Bildsprache ist, die trotz aller scheinbarer Spielereien nie bemüht daherkommt. Das alles wird dann noch mit gewohnt verschroben-skurrilen Figuren ausgestattet, die durch ein Who-is-who der Schauspielwelt und insbesondere des mittlerweile über zwei Jahrzehnte gepflegten Ensemble des Wes Anderson-Universums besetzt sind. Die Besetzung ist so dicht von fantastischen wie bekannten Gesichtern durchzogen, dass Größen wie Christoph Waltz, Saoirse Ronan oder Elisabeth Moss teilweise nur wenige Augenblicke zu sehen sind.

The French Dispatch - Mathieu Amalric
The French Dispatch – Mathieu Amalric © Walt Disney Studios

Keine Frage, „The French Dispatch“ ist ein Film, der in jedem einzelnen Bild vor Kreativität aus allen Nähten berstet, der so voller verspielter visueller Ideen steckt, das man sich eigentlich kaum satt sehen kann. Doch dadurch, dass der Film abgesehen von der Rahmenhandlung keinen Figuren über die gesamte Laufzeit folgt, bleibt das alles trotz der in jedem seiner Analogfilm-Frames liebevollen Aufmachung ein merkwürdig oberflächliches und teilnahmslos-distanziertes Spektakel. Man kann sich hier zweifelsohne gerade als Anderson-Fan an den makellosen Bildern, dem Erfindungsreichtum sowie den geistreichen und gewohnt herrlich ironischen und auf den Punkt geschriebenen Dialogen erfreuen, sich einfach von dieser verspielten Konfektion bespaßen und berieseln lassen. Wie auch in seinen anderen Werken liegt all der Leichtfüßigkeit dann aber auch eine fein-subtile Melancholie zugrunde, die dem Film zumindest etwas willkommene Tiefe gibt. Ansonsten hat man nämlich den Eindruck, dass Anderson hier ein reines Liebhaberprojekt realisiert hat, das trotz aller Einfälle recht überraschungsarm daherkommt und ein wenig am herkömmlichen Zuschauer vorbei inszeniert ist. Darüber hinaus sind Andersons Dialoge so dicht und vollgepackt mit Information, dass man mit dem doch recht rasanten Erzähltempo teilweise kaum Schritt halten kann.

Ein betont nüchterner und sachlicher Erzählstil mag ja passend zum journalistischen Hintergrund des Films gesetzt sein, „The French Dispatch“ reicht trotz der technischen Meisterklasse jedoch nicht an seine besten Filme heran. Von den drei Kurzgeschichten gefällt sicherlich die spaßig-unterhaltsame erste Kunst & Kultur-Episode am meisten, bei der der wegen Mordes verurteilter wahnsinniger Maler Moses Rosenthaler (Benicio Del Toro) in Kontakt mit einem eitlen Mithäftling und Kunsthändler (Adrien Brody) kommt, der seine Bilder groß und vor allem teuer auf dem Kunstmarkt herausbringen will. Eher schleppend verläuft dann der Nouvelle Vague-inspirierte Politik-Mittelteil über einen Studentenführer namens Zeffirelli (Timothee Chalamet) initiierten Aufstand, während der ereignisreiche und süffisant von Restaurantkritiker Roebuck Wright (Jeffrey Wright) erzählte Krimi- bzw. Kulinarik-Schlussteil über die Entführung des Sohnes des Polizeichefs von Ennui (Mathieu Amalric) wieder besser gefällt. Diese drei Geschichten zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Autoren selbst in sie eingewoben sind und die Erzählung stark von ihrem eigenen Stil abhängt.

The French Dispatch - Bill Murray und Jeffrey Wright
The French Dispatch – Bill Murray und Jeffrey Wright © Walt Disney Studios

Man merkt schon an diesen Worten, dass „The French Dispatch“ ein Film ist, den man eigentlich lieben möchte – gerade, wenn man Andersons einzigartigen und verträumt-exzentrischen Stil, der erneut von zahlreichen Referenzen an cineastische Vorbilder gesäumt ist, bisher mochte. Dennoch bleibt ein gewisses Gefühl der Leere und leichter Enttäuschung, dass das Ganze trotz allen Einfallsreichtums und Finesse so überraschungsarm und oberflächlich daherkommt. So wünscht man sich am Ende schon, dass sich Anderson doch nochmal strecken würde, denn an dieser Stelle strahlt er leider ein wenig Stillstand aus.

Filmwertung
7.5/10

Kurzfassung

Was man von Wes Anderson erwarten würde.

Fazit:

„The French Dispatch“ ist genau der Film, den man von Wes Anderson erwarten würde. Diese Liebeserklärung an den „New Yorker“ und Frankreich ist sowohl ein Grund zum Feiern, aber auch zum Langweilen. Denn trotz aller charmanter, verspielter, verschrobener und kreativ überbordender Detailverliebtheit, lässt der neue Film des texanischen Ausnahmeregisseurs den Zuschauer eher auf konstant leicht amüsierter Distanz, statt ihn wirklich mitzunehmen. Das mag an der Anthologie-Struktur und den wenig tiefgründig gezeichneten Figuren liegen, vielleicht aber auch leider an kreativem Stillstand.


von Florian Hoffmann

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