The Batman – Kriminalgeschichte fernab aller Superhelden-Konventionen – Filmkritik

The Batman: Catwoman (Zoe Kravitz) und Batman (Robert Pattinson)
The Batman: Catwoman (Zoe Kravitz) und Batman (Robert Pattinson) © Warner Bros. Entertainment

Die Kritik:

Drei Solo-Filme, drei DCEU-Auftritte, ein Lego-Animationsfilm, zahlreiche Zeichentrickfilme und ein Comeback von Michael Keaton sowohl in „The Flash“ wie auch „Batgirl“ – das ist die Bilanz filmischer Batman-Abenteuer alleine seit 2005. Die Faszination des „größten Detektivs der Welt“ reißt ganz offensichtlich nicht ab. In Matt Reeves überwältigendem und andersartigem „The Batman“ wird er diesem Titel jedenfalls so gerecht, wie bisher in noch keinem Film über den von Bob Kane 1939 geschaffenen Rächer im Fledermauskostüm: Reeves kocht die ikonische Figur noch weiter auf ihre Essenz herunter als es Christopher Nolan mit seiner überlebensgroßen und geerdeten Trilogie ohnehin schon getan hat und erschafft eine abgrundtief düstere, in allgegenwärtiger Korruption ersaufende Neo Noir-Kriminal- und Detektivgeschichte über das psychologische Duell zweier wahnsinniger Kontrahenten. Das hat mit konventionellem Superheldenkino nun wirklich gar nichts mehr zu tun, sondern macht unmissverständlich klar, dass diese Figur mehr denn je ihrem Anspruch als erwachsenste aller Mainstream-Comicfiguren gerecht wird.

The Batman: Filmplakat
The Batman: Filmplakat © Warner Bros. Entertainment

Dass Reeves hier ganz andere Wege geht als sämtliche Vorgänger, wird unmittelbar deutlich, wenn die Titel ohne jede Fanfaren auskommen und stattdessen in eine von „Ave Maria“ unterlegte voyeuristische Sequenz übergehen, bei der ein mit seinen Eltern spielendes Kind durch ein Fenster beobachtet wird. Hier blickt der nur als „Riddler“ bekannte Serienkiller und Rätselfreund (unheimlich: Paul Dano) durch sein Fernglas und was folgt, legt den schockierend brutalen Grundstein für einen hemmungslos grimmigen und bedrohlichen Film, in dem die Sonne nie aufzugehen scheint.

Dieser Bruce Wayne (Robert Pattinson) ist noch nicht lange als maskierter Rächer auf den regentriefenden Straßen von Gotham unterwegs. Als Batman agiert er zwar so flexibel und agil wie bisher noch keiner der bisherigen Interpretationen dieser Figur, seine rohe und ungestüme Gewalt wütet aber eher unkontrolliert ohne saubere Choreografie durch seine Gegner. Dieser „Freak“ muss immer wieder auch ordentlich einstecken und rettet sich oftmals nur dank seiner wirkungsvollen Panzerung und rudimentärer Gadgets – sein berühmter Enterhaken wird jedenfalls sehr häufig eingesetzt. Kämpft sich Batman durch eine Reihe geschminkter Schergen in einer U-Bahnstation oder später durch einen in infernalisch-rotes Licht getauchten Nachtclub, ist das nicht elegant, aber schon äußerst beeindruckend und intensiv.

Reeves Vision dieses Charakters kommt in manchen Punkten möglicherweise dem nahe, was Darren Aronofksy Anfang der 2000er mit seiner vorgeschlagenen Vision des nie realisierten „Batman: Year One“ geplant hatte: Hier wirkt alles etwas improvisiert und handgemacht fern jeder industriell angefertigten Perfektion, angefangen von der zusammengeschusterten Ledermaske über sein Motorrad zu dem archaisch anmutenden Batsignal bis hin zu der Bathöhle, die sich in einer stillgelegten U-Bahnstation befindet. Sein Anwesen strahlt keine Gemütlichkeit aus und entspricht eher der Vorstellung eines gotischen Horrorschlosses. Reeves präsentiert das alles ganz faktisch und verzichtet auf jede Erklärung, womit er diese glaubhaft realisierte Welt für sich sprechen lässt. Diese Retro-Ästhetik erscheint zwar meist betont analog und kommt weitestgehend ohne Hightech aus, ganz ohne Gadgets wie Video-Kontaktlinsen kommt aber auch dieser Batman nicht aus. Das technische Highlight ist dann das erst spät eingesetzte Batmobil, das in Form eines hochgetunten, brutal röhrenden und furchterregend animalisch anmutenden Muscle Cars daherkommt und Mittelpunkt einer der wenigen, dafür aber umso überwältigenderen Actionszenen ist. Wenn die Action kommt, ist sie ebenso geerdet wie der Rest des Films, sie ist kinetisch und spürbar und in ihrer Inszenierung reduziert.

The Batman: Catwoman (Zoe Kravitz)
The Batman: Catwoman (Zoe Kravitz) © Warner Bros. Entertainment

Reeves präsentiert einen Bruce Wayne, der noch mehr wie je zuvor getrieben, gepeinigt und nahezu selbstmörderisch agiert. Das bewegt sich in seiner allermeistens bierernsten und bedeutungsschwangeren Tonalität sowie manch holpriger Dialoge oft zwar gefährlich nahe an der Parodie, jedoch kriegt der Film dank seiner enorm stimmigen Inszenierung immer wieder die Kurve. Mit großer Intensität verkörpert Robert Pattinson eine unerfahrene und gebrochene Figur, die stets etwas verwahrlost scheint und eben auch in seiner öffentlichen Rolle als Bruce Wayne weit entfernt von dem aalglatten und charmanten Playboy ist, den man bisher kennenlernen durfte.

Sein zurückgezogener und desillusionierter Wayne lässt seine Dämonen mit oder ohne Maske heraushängen und muss von Butler und Ersatzvater Alfred (Andy Serkis) gelegentlich daran erinnert werden, dass sein Name etwas repräsentiert und er dem Vermächtnis seines wohltätigen Vaters gerecht werden sollte. Pattinson bewegt sich traurig und mit mal ebenso wahnhaften wie entschlossenen Augen durch diesen Film, er ist auf der scheinbar hoffnungslosen und immer wieder grenzüberschreitenden Suche nach Bedeutung und einer Rache, die er nirgendwo stillen kann. Ein typischer Held ist das interessanterweise jedenfalls wahrhaftig nicht, vielmehr ist dieser Bruce Wayne ein psychologisches Wrack. In dieser vertrauten und doch radikal frischen Darstellung geht Pattinson problemlos auf und sollte auch die letzten Kritiker schnell verstummen lassen.

Reeves Anspruch, Batman wieder auf seine Detektivgeschichten-Wurzeln zu bringen, wird an jeder Ecke deutlich: So wird der Film immer wieder in klassischer Noir-Tradition von Waynes bedrückter Erzählstimme begleitet, die hier besonders wirkungsvoll ist, da sie fast die einzige Möglichkeit ist, dieser verschlossenen und verstörten Figur etwas näher zu kommen – „They think I’m hiding in the shadows, but I am the shadows“. Reeves konzipiert hier ein bemerkenswert allumfassendes und in jeder Sekunde förmlich greifbares Gotham, einen gigantischen, schmutzigen, in ständige Dunkelheit getauchten und von überall tropfendem Dauerregen heimgesuchten Sündenpfuhl, der zum einen so real und zum anderen so nahe am Comic erscheint. Wie Reeves dieser atemberaubenden filmischen Vision, diesem ungemütlichen, fieberhaften und trauerbelegten Albtraum Zeit zur Entfaltung gibt, ist wirklich außergewöhnlich. Dass hier die bislang kompletteste und atmosphärisch dichteste filmische Vision dieser ikonischen Figur und Metropole zu sehen ist, lässt sich nur schwer bezweifeln.

The Batman: Batmobil
The Batman: Batmobil © Warner Bros. Entertainment

„The Batman“ darf also in filmischer Hinsicht unzweifelhaft in allen Belangen als überwältigender, immer weder gänsehauterregender und kaum zu übertreffender Triumph bezeichnet werden – Greig Fraser („Dune“, „Rogue One“, „Zero Dark Thirty“) manifestiert seinen Status als Ausnahme-Bildervirtuose, während jedoch auch Szenenbildner James Chinlund („25 Stunden“, „The Fountain“, „Requiem for a Dream“) größte Ehre für die Erschaffung dieser gotischen Welt gebühren muss. Hier entsteht eine Bildgewalt und Größe, wie man sie nur selten auf der Leinwand erleben kann, die zusätzlich ungemein effektiv von Michael Giacchinos unheilvoll klagender wie auch still triumphierender Filmmusik untermalt wird.

Immer bleibt „The Batman“ aber emotional etwas distanziert und fokussiert sich auf die angsteinflößende Jagd auf den Riddler, der es in einer ganz persönlichen Vergeltungsmission darauf abgesehen hat, zahlreiche hochrangigen Persönlichkeiten Gothams möglichst perfide und medienwirksam aus dem Weg zu räumen. Die kryptischen Hinweise und Rätsel, die er dabei verteilt, richtet er stets an „the Batman“, der gemeinsam mit Lieutenant James Gordon (Jeffrey Wright), seiner Kontaktperson bei der Polizei von Gotham, zu lösen versucht. Wie hier Codes und Chiffren entschlüsselt oder rätselhafte Fragestellungen gelöst werden, ist zugegebenermaßen teils schon etwas abenteuerlich, wenn nicht sogar unplausibel. Dennoch ist dieser Film trotz seines überraschend gemäßigten Erzähltempos immer packend und hält einen mit seinen immer komplexeren Verwicklungen und vor allem exzellentem filmischem Handwerk stets an der Stange.

So sind die Morde des Riddler ein Aufhänger für Batman, tiefer zu graben und die hoffnungslos dichten Verstrickungen von Politik und organisiertem Verbrechen in einem von Korruption komplett unterwanderten Gotham aufzudecken. Durch den Status seiner eigenen Familie kommen hier auch immer mehr ungewünschte Geister der Vergangenheit zum Vorschein, die seine Ermittlungen unerwartet persönlich gestalten. Elegant verweben Reeves und sein Co-Autor Peter Craig dabei zahlreiche farbenfrohe Figuren in die Erzählung, darunter Mafiaboss Carmine Falcone (subtil bedrohlich: John Turturro), der aufstrebende Gangster Oswald „Pinguin“ Cobblepot (spielfreudig und in faszinierender Transformation: Colin Farrell) sowie Staatsanwalt Gil Colson (Peter Sarsgaard). Unterstützung erhält Batman von der mysteriösen Nachtclub-Kellnerin und Profidiebin Selina Kyle (charismatisch und perfekt besetzt: Zoë Kravitz), die ganz eigene Motive bei der Infiltration von Gothams Unterwelt hat.

ROBERT PATTINSON als THE BATMAN
ROBERT PATTINSON als THE BATMAN © Warner Bros. Entertainment

Dieser Batman mag zwar von seinen Traumata belastet und noch längst nicht geformt sein, sein Gespür für investigative Arbeit treibt diesen Film aber voran. So rund wie der Film nun mal inszeniert ist, so darf trotz aller Begeisterung der Blick auf seine Schwächen nicht verstellt werden: Es ist bemerkenswert, dass David Finchers Serienkiller-Meisterwerk „Sieben“ auch über 25 Jahre nach seiner Veröffentlichung noch immer einen derartig starken Einfluss auf die Ästhetik von Großstadt-Thrillern hat. Mag seine ästhetische Wirkung auf „The Batman“ noch vertretbar sein, überrascht Reeves schon arg durchschaubares Kopieren von einzelnen Elementen und Strukturen von Finchers Killerjagd. An dieser Stelle soll natürlich nichts vorweggegriffen werden, aber einzelne Szenen offenbaren schon eine frappierende Ähnlichkeit, die Kenner aus der im Film etablierten Realität herausziehen könnte. Dass das Erscheinungsbild von Paul Danos Riddler zusätzlich auch überaus deutlich von einer der bekanntesten Beschreibungen des Zodiac-Killers inspiriert ist und er ein ähnliches Faible für Rätsel hat, kann man wegen des Realitätsbezugs schon leichter verdauen.

Über „The Batman“ gibt es viel zu sagen, es gibt viel zu bewundern und zu verarbeiten. Dieser Film strahlt in jedem seiner berauschenden Bilder Größe und Wichtigkeit aus, da er unter anderem die Ikonografie und Psychologie dieser Figur ebenso gut kennt wie seinen Handlungsort. Das kann Reeves ebenso durchdacht und wirkungsvoll zur Geltung bringen wie die Darstellung des Netzes der Korruption, der an jeder Ecke lauernden Kriminalität und eines allgemein fatalistischen Weltbildes. Doch geht „The Batman“ dann doch über das Erwartete hinaus? Geht das bei dieser Figur überhaupt noch? Kann er wirklich überraschen oder kann man sich dann doch nur an der bedrückenden wie beeindruckenden Atmosphäre und all den genannten Qualitäten auf eher oberflächliche Weise ergötzen? Sagt dieser Film wirklich etwas Tiefergehendes aus, was seine stattliche Laufzeit von knapp drei Stunden legitimiert? Bei einem Film dieser immensen Ambition kann das wohl nur wiederholtes Ansehen offenbaren. Man meckert hier letztlich auf hohem Niveau und es bleibt mindestens ein bemerkenswertes wie faszinierendes popkulturelles Werk, das mit Großartigkeit flirtet und definitiv nicht verpasst werden sollte.

Filmwertung
8.5/10

Kurzfassung

Intensiv und elektrisierend erzählte Detektiv- und Kriminalgeschichte fernab aller Superhelden-Konventionen.

Fazit:

„The Batman“ bringt seine ikonische Hauptfigur auf seine Essenz zurück und erzählt eine überraschend gemächlich, aber äußerst intensiv und elektrisierend erzählte Detektiv- und Kriminalgeschichte fernab aller Superhelden-Konventionen. Regisseur Matt Reeves erschafft dabei eine grimmige und äußerst wirkungsvolle Horror-Atmosphäre mit epochal düsterer Bildgewalt, die zum Besten gehört, was in den letzten Jahren zu sehen war. Eine teils etwas zu große Nähe zu David Finchers „Sieben“ trübt jedoch das Erlebnis ein wenig, jedoch ist hier beinahe Großes zu bewundern, was einen kaum unberührt lassen kann.


von Florian Hoffmann

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