Sisu – Filmkritik

Mimosa Willamo (rechts) und weiterer Cast in SISU
Mimosa Willamo (rechts) und weiterer Cast in SISU © 2023 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Die Kritik:

1944, Lappland. In dieser kargen, unwirtlichen und kühlen Landschaft erhebt sich ein Mann, der mit genau denselben Attributen wie seine Umgebung beschrieben werden könnte. Dieser Mann, Aatami Korpi (Jorma Tommila) – so verrät es der Erzähler – ist ein Kriegsveteran, der genug von der Kämpferei hatte. Er hat die Front verlassen und sucht in absoluter Einsamkeit nun nach materieller Erfüllung in Form von Gold. Nach scheinbarer Hoffnungslosigkeit in dieser ermüdenden Suche stößt Aatami schließlich tatsächlich auf einen gigantischen Brocken glänzenden Reichtums, der ihm jedoch schnell streitig gemacht werden könnte: Denn in dieser Einöde trifft er auf einen Todesschwadron, der von SS-Offizier Bruno Helldorf (Aksel Hennie) angeführt wird, der fortan Jagd auf Aatami macht. Doch schnell wird klar, dass die Nazis es hier mit einer Ein-Mann-Todesschwadron zu tun haben, was dem finnischen Einzelämpfer von den Russen zuvor den Legendenstatus des „Unsterblichen“ eingebracht hat…

Sisu“ – das steht für Ausdauer, Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen, Kraft, Zähigkeit und Unnachgiebigkeit, speziell in ausweglosen Situationen. Dieser Begriff, der nichts geringeres als das finnische Naturell beschreiben soll, ist in diesem Film Programm. So werden in 91 Minuten und sieben Kapiteln genau diese Eigenschaften anhand des unkaputtbaren, unerbittlichen und dabei völlig wortlosen Aatami demonstriert, der einen Nazi nach dem anderen ausschaltet und selbst trotz schlimmster Verletzungen immer weiter macht. So ist „Sisu“ eine Aneinanderreihung von Situationen, die den Überlebenskampf, das strategische Ausschalten seiner Kontrahenten und schließlich die Jagd auf eben diese zeigt.

Sisu
Sisu: Der einsamene Goldsuchers (JORMA TOMMILA) © 2023 Sony Pictures

Regisseur Jalmari Helander hat sich mit Filmen wie „Rare Exports“ oder „Big Game“ einen Namen als Hochglanz-Trashfilmer gemacht. „Sisu“ wirkt insbesondere in seinem ersten und zweiten Kapitel „The Gold“ bzw. „The Nazis“ allerdings wie ein durchaus vielversprechender, da erwachsenerer existenzialistischer Film über einen Mann, der sich von den Fängen der Zivilisation zurückgezogen hat und gegen äußere Mächte angehen muss. Doch spätestens wenn die international besetzten Nazis in massiv klischeehaften englischen Dialogen lospoltern und Aatami seine kreativen Einzelmäpfer-Fähigkeiten zum Besten gibt, wird deutlich, dass sich Helander weiterhin im Festival-bzw. Spaßfilm-Modus befindet.

Was zunächst wie ein durchaus grimmiger und ernsthafter Film daherkommt, ist dann doch nur sehr solide B-Movie-Ware. Rein äußerlich macht „Sisu“ zweifelsohne etwas her, Helander und sein Kameramann Kjell Lagerroos fangen starke und wirklich prägnante Momentaufnahmen mit starker Atmosphäre ein – die Weite von Lappland, Aatami, der in einem Erdloch voller Gold freudvoll eins mit seiner Umgebung wird, die Wucht der deutschen Panzer, Aatamis tiefe Augenfalten in Sergio Leone-Closeups und auch sein fürchterlich durch vorige Kämpfe vernarbter Körper, den er mit eiskaltem Wasser wäscht, machen bildgewaltigen Eindruck.

Doch dann entlädt sich irgendwann diese wuchtige Herangehensweise in die übliche comichafte Gewalt, die momentan so häufig unreflektiert und stumpf im Gegenwartskino zu sehen ist. Das choreografiert Helander durchaus kreativ, viele „Kills“ sind spürbar für ein jubelndes, lachendes und grählendes Festival-Publikum konzipiert. Tommilla trägt diesen Film wunderbar präsent auf seinen drahtigen Schultern, während der zuverlässige Aksel Hennie im Part seines Gegenspielers ähnliche Einsilbigkeit nicht ganz mit gleichwertiger Präsenz füllen kann. „Sisu“ ist letztlich eine cineastische Fingerübung in Sachen Reduktion, so entwickeln sich in diesem erzählerisch kargen und fast ausschließlich auf Bildsprache reduzierten Konstrukt zumindest keine wirklichen Längen und der Film geht gut durch.

Dennoch hätte man sich doch etwas mehr als einen reinen Spaßfilm gewünscht, da das Potential zweifelsohne da ist und sogar wirkungsvoll zu Beginn angespielt wird. Richtige Spannung baut sich durchaus auf, fällt dann aber auch wieder ab, denn unsere Ein-Mann-Armee erweist sich natürlich als unzerstörbare Superheldenfigur, wodurch jede Glaubwürdigkeit zugunsten einer reinen Fun-Kriegsfilm-Pistole über Bord geworfen wird. Die bereits erwähnten englischsprachigen Dialoge wie „He’s one mean motherfucker that you don’t want to mess with“ helfen dann eben auch nicht, um dem Ganzen die nötige Ernsthaftigkeit zu geben. Wer darauf natürlich keinen Wert legt und wie so häufig heutzutage von einer Ansammlung an frenetischen und augenzwinkernden Gewalteskapaden beglückt werden kann, findet in „Sisu“ aber sicher ein weiteres kurzweiliges Genre-Goldnugget.

Filmwertung
6.5/10

Kurzfassung

Man kann Spaß haben oder eben auch verpasstem Potential nachweinen.

Fazit:

„Sisu“ zeigt in den ersten 20 Minuten jede Menge Potential für einen grimmigen, ernsthaften, spannenden und existenzialistisch angehauchten Überlebensfilm. Echte Bildgewalt und ein Hauptdarsteller mit wuchtiger Präsenz sind auch vorhanden. Doch irgendwann vertraut sich Regisseur Jalmari Heander selbst nicht mehr und geht den einfacheren Weg mit einer Ansammlung reiner Spaßgewalt, die er mit klischeehaften Nazi-Dialogen garniert. Damit kann man seinen Spaß haben oder eben auch verpasstem Potential nachweinen.


von Florian Hoffmann

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