Silence Breakers (The Good Soldier) – Filmkritik

Silence Breakers - Geführte Tour in Hebron
Silence Breakers - Geführte Tour in Hebron © Cominofilms

Die Kritik:

Für The Good Soldier aka Silence Breakers hat die israelische Dokumentarfilmerin Silvina Landsmann die NGO Breaking the Silence über mehrere Monate mit der Kamera begleitet. Es ist nicht das erste Mal, dass Landsmann über die Zusammenarbeit mit einer NGO auf gesellschaftliche und politische Missstände in Israel aufmerksam macht. Bereits 2017 erzählte sie in Hotline auf eindrucksvolle Weise von dem Alltag einer kleinen Hilfsorganisation, die als Anlaufstelle für die Belange von Flüchtlingen und Migrantinnen unter der Arbeitslast und dem Leid der Hilfesuchenden zu ersticken drohte. Gleichzeitig kehrt Landsmann mit The Good Soldier aka Silence Breakers zu einem Themenkomplex zurück, dem sie sich schon 2012 in der Dokumentation Soldier / Citizen annäherte: Die Kritik am israelischen Militär und seiner Rolle bei der Durchsetzung einer aggressiven Siedlungspolitik im Westjordanland. War diese Kritik in Soldier / Citizen noch ein verhaltenes Flüstern, so wird sie in The Good Soldier aka Silence Breakers zum schmetternden Appell.

Silence Breakers - Filmposter
Silence Breakers – Filmposter © Cominofilms

Gleich die erste Szene von The Good Soldier aka Silence Breakers wirft die Zuschauer unter das brennende Weiß der Westjordansonne. Yehuda Shaul führt eine Gruppe aus Tel Aviv durch die historische Stadt Hebron. Hebron liegt etwa 30 Kilometer südlich von Jerusalem in der West-Bank, jenem staatenlosen Gebiet zwischen Israel und Jordanien, das seit dem Sechstagekrieg von 1967 in großen Teilen vom israelischen Militär besetzt und verwaltet wird. In der West-Bank befinden sich zahlreiche israelische Siedlungen, deren Bewohner immer wieder in Konflikt mit den hiesigen Palästinensern geraten, von denen die Siedler als Invasoren wahrgenommen werden. Aus Sicht der israelischen Siedler ist die West-Bank jedoch Teil ihrer historischen Heimat – die Bebauung israelischen Bodens ist im religiös-zionistischen Judentum zugleich Recht und Gebot. Ungeachtet dessen werden die Siedlungen im Westjordanland sowohl vom Internationalen Gerichtshof als auch von den Vereinten Nationen als völkerrechtswidrig eingestuft.

Die Führung durch das besetzte Hebron ist für die Teilnehmenden eine einzige Tour de Force – eine nervenaufreibende Erfahrung, die sich durch die subjektive Kameraeinstellung direkt auf die Zuschauer überträgt. Plötzlich steht man inmitten dieser 3000 Jahre alten magischen Wüstenstadt Hebron, wird von Siedlern verfolgt und bedroht, überall sind Soldaten, es ist heiß, Menschen brüllen, Autos hupen, die Situation scheint jeden Moment eskalieren zu können. Diese unmittelbaren und mitreißenden Einblicke sind bezeichnend für Landmanns Filme. Immer wieder findet sich der Zuschauer als geisterhafter Betrachter emotional geladener Zwie- und Streitgespräche, wandert von der Totalen ins intime Groß, bis er das Gefühl hat, selbst zum Teil der Gruppe, zum Gegenstand des Konflikts zu werden. Es ist nahezu unmöglich, sich dieser filmischen Sogkraft Landmanns zu entziehen.

Silence Breakers - Hebron Panzerwagen
Silence Breakers – Hebron Panzerwagen © Cominofilms

Neben Yehuda Shaul lernen wir Nadav Weiman kennen. Er ist, wie alle Mitglieder von Breaking the Silence ein ehemaliger Soldat der israelischen Armee und hat es sich zum Ziel gesetzt, kritische Augenzeugenberichte von israelischen Soldatinnen und Soldaten zu sammeln und zu veröffentlichen, um auf Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten aufmerksam zu machen. Dazu veranstaltet Weiman mit seinen Kolleginnen und Kollegen Führungen durch die besetzten Gebiete, führt Interviews mit ehemaligen Armeeangehörigen und tourt mit dem Programm von Breaking the Silence durch israelische Schulen und Gemeinden. Was sich dabei wie ein roter Faden durch den gesamten Film zieht, ist der brachiale Widerstand, der Weiman und Breaking the Silence auf fast allen Ebenen der israelischen Gesellschaft entgegenstößt. In Hebron werden die Führungen immer wieder massiv von den ansässigen Siedlern und dem dort stationierten Militär behindert. Auch bei friedlichen Aktionen in den Straßen Tel Avivs und an Universitäten und Schulen werden die Aktivistinnen wiederholt beleidigt und als Lügner bezeichnet. Kritik am Militär und der Siedlungspolitik sind im demokratischen Israel scheinbar unerwünscht. Das zeigt sich auch an den ständigen Diskreditierungskampagnen, denen die Mitarbeiter von Breaking the Silence im Verlauf des Films ausgesetzt sind und ganz besonders in einem von der israelischen Staatsanwaltschaft angestrebten Gerichtsverfahren, dass die Organisation zur Herausgabe der Identitäten der kollaborierenden Soldatinnen und Soldaten zwingen sollte und damit massiven Druck auf jene Whistleblower ausgeübt hätte, auf denen das Konzept von Breaking the Silence beruht. Die israelische Staatsanwaltschaft verlor das Verfahren. Doch Israels restriktiver Umgang mit Breaking the Silence endet nicht an den israelischen Grenzen: Erst im Mai 2017 ließ der damalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein Treffen mit dem deutschen Außenminister Siegmar Gabriel platzen, weil dieser sich mit Mitgliedern von Breaking the Silence treffen wollte.

Silence Breakers - Hebron, Mädchen spielt auf der Straße
Silence Breakers – Hebron, Mädchen spielt auf der Straße © Cominofilms

„We have to keep them afraid so they don’t kill us” ist einer dieser Sätze aus Silence Breakers, die auch nach dem Film noch für einige Zeit im Gedächtnis hängen bleiben. Was nämlich bei allen Ressentiments der israelischen Gesellschaft gegenüber den Palästinensern und ihrer apologetischen Treue zu Militär und Regierung nicht vergessen werden darf, ist das kollektive Trauma, dass in den Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern von Breaking the Silence und der israelischen Gesellschaft immer wieder schmerzhaft zutage tritt – eine tief verwurzelte Angst, die Angst eines Volkes, das in seiner Geschichte immer wieder zum Opfer von grausamer Diskriminierung und Gewalt wurde und das in seiner Angst erneut zum Opfer zu werden im Westjordanland nunmehr selbst zum Täter wird. Und hierin liegt die ungeheure Komplexität des Nahostkonfliks – auf allen Seiten finden sich Opfer und Täter. The Good Soldier aka Silence Breakers katapultiert die Zuschauer mitten in diesen emotionalen Spannungsraum und lässt dabei meiste grade so viele Momente zur Reflexion, um genau diese Spannungsfelder, diese Umkehr von Recht in Unrecht, von kollektiver Furcht in kollektive Wut erfahrbar zu machen.

Filmwertung
8/10

Zusammenfassung

Was ist an Breaking the Silence überhaupt so kontrovers?

Fazit:

The Good Soldier aka Silence Breakers wirft Licht auf die Arbeit einer der kontroversesten Organisationen Israels und leistet dabei so gute Arbeit, dass man sich am Ende des Films fragen muss: „Was ist an Breaking the Silence überhaupt so kontrovers?“


von Jan Niklas Breuer

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