Restguthaben – Filmkritik: bietet alles, was sonst im deutschen Kino oftmals so bitter vermisst wird

Restguthaben - Poster
Restguthaben - Poster © LowerBavariaFilms Denk & Werner GbR

Die Kritik:

Restguthaben - Filmposter
Restguthaben – Filmposter © LowerBavariaFilms Denk & Werner GbR

Die deutsche Filmlandschaft ist wirklich bemerkenswert. Nicht weil sie so besonders gut ist, ganz im Gegenteil sogar. Es gibt wohl kaum jemanden, der wirklich gute Worte über sie verlieren will, dabei starten jedes Jahr durchaus gelungene bisweilen sogar exzellente Filme, doch erreichen diese mangels ihres geringen Marketingbudgets meist zu wenig Leute. Die Filme die im Mainstream ankommen, sind meist die immergleichen Komödien mit den immergleichen Schauspielern und dem immergleichen, offen gestanden desaströsen Ergebnis. Natürlich verallgemeinere ich hier ein kleines bisschen, wirklich widersprechen wird mir dennoch kaum jemand. Doch woran liegt das? Nun, eigentlich gibt es in Deutschland kein wirkliches Studiosystem. So wenden sich die meisten Filmemacher an die staatlichen Förderanstalten oder an Fernsehsender. Beide Möglichkeiten gehen für die Künstler oftmals mit starken kreativen Kompromissen einher. Kein Wunder, dass das deutsche Mainstream-Kino gut als Einheitsbrei zu bezeichnen ist. Doch gibt es aber eben noch die dritte Option und man wendet sich an eine der kleineren Produktionsfirmen. So erging es auch dem niederbayrischen Werk „Restguthaben“. Dank den Produktionsfirmen Lower Bavaria Films, sowie The Terminal wurde hier eine kleine Indie-Perle des deutschen Kinos geschaffen. Eine Perle, die leider viel zu wenig Aufmerksamkeit erhält, etwas, das ich durch diese Kritik allerdings hoffe zu ändern.

Eva Gottschaller
Eva Gottschaller © LowerBavariaFilms Denk & Werner GbR

Im Zentrum der Geschichte steht eine niederbayrische Kleinstadt und deren Bewohner. Allen voran der 36-jährige Fritz Unrecht. Dieser ist zwar beruflich äußerst erfolgreich, innerlich fühlt er sich allerdings leer. Als er eines Nachts auf Charly trifft, der den absoluten Gegenentwurf zu Fritz Alltag lebt, bekommt er eine Chance auf eine neue, erfüllte Zukunft fernab von der Oberflächlichkeit und Karriere seiner bisherigen Existenz. Doch kann er diese Chance noch nutzen oder ist es dafür bereits zu spät?

So entspinnt sich ein faszinierendes Drama über grundverschiedene Lebenseinstellungen, die im Laufe der ca. 107 min Laufzeit zunehmend aufeinanderprallen. Und damit meine ich nicht einmal nur die der zwei Hauptfiguren. Das ganze Dorf wird hier mit seinen unterschiedlichen Mentalitäten, Einstellungen und Verhaltensweisen ungemein präzise gezeichnet. Da gibt es den Pfarrer, der verzweifelt versucht die Menschen auf den rechten Weg zu weisen, die klassische Schafkopfrunde im Wirtshaus, Kinder, die Streiche spielen und so weiter. Das gesamte Setting strotzt, immer wieder getragen von der authentischen Musik, vor Echtheit und Unverfälschtheit. Hier wirkt alles so lebensnah, so greifbar und so natürlich. Auch die Probleme und inneren Konflikte unserer Akteure reihen sich hier nahtlos ein, da stört es auch nicht, dass nicht jede Figur für die Handlung besonders wichtig ist.

Oliver Scheffel
Oliver Scheffel © LowerBavariaFilms Denk & Werner GbR

All dies wird dank der überlegten Kameraarbeit wunderbar eingefangen. Bereits die ersten Minuten werden hier äußerst effektiv genutzt, um die innere Zerrissenheit und Leere unseres Protagonisten ohne unnötige Dialoge, ohne nerviger Exposition nur dank dem tollen Schauspiel, dem intelligenten Blocking und starker Arbeit an der Kamera voranzutreiben. Man merkt ganz klar, dass Regisseur und Co-Autor Benjamin Strobel als Kameramann in der Branche begann. Immer wieder treibt er Story und Figuren so intelligent voran und experimentiert freudig mit seinen Möglichkeiten, ohne die Kamera zu sehr in den Vordergrund zu drängen, als dass es von der ernstzunehmenden Thematik oder den mitreißenden Figuren und deren Problemen ablenken würde. Leider ist diese Kreativität beim Color grading nicht vorhanden. So wurde scheinbar lediglich ein einziger Filter über den gesamten Film gelegt, was die eigentlich lebendigen Bilder oft unnötig schwächt. Eigentlich bietet sich, seit diese Technik mit „O Brother, Where Art Thou?“ im Jahre 2000 erfunden wurde, jedem Filmemacher die Möglichkeit u.a. die tonale Ausrichtung und das Setting einer Szene dadurch noch zu verstärken. Hier hatte ich zum Teil jedoch das Gefühl, das man sich hier in der Entfaltung unnötig behindert.

Dennoch nutzt man alle zur Verfügung stehenden Mittel, vom Schnitt über wunderbar ungebrochene Einstellungen bis zur Musik, beeindruckend um die Handlung zu entschleunigen, um Ruhe in eine hektische, uns allzu vertraute Welt zu bringen. Anfangs vielleicht sogar etwas zu sehr. So kommt der Film leider nach den ersten Minuten nur langsam aus den Startlöchern, da hier die Figuren noch ein bisschen zu sehr lediglich als Hüllen, die Ideen transportieren, dienen und weniger als echte Menschen funktionieren. Glücklicherweise ändert sich das schnell. So baut der Film zunehmend einen enormen Sog auf sein Publikum auf, bleibt dabei aber stets angenehm ruhig und unaufgeregt, was die zeitlose Aussage des Films nur noch umso mehr untermauert.

Filmwertung
8/10

Kurzfassung

Ein grandioser Genrefilm in einem Land ohne Genrekino.

Fazit:

„Restguthaben“ hat alles, was ich sonst am deutschen Kino oftmals so bitter vermisse und das trotz oder gerade wegen dem geringen Budget von 120.000 Euro. Hier entsteht ein Film mit einer einzigartigen künstlerischen Vision und Intention, ein grandioser Genrefilm in einem Land ohne Genrekino. Jeder, der das Glück hat in der Nähe eines der Kinos zu leben, die den Film zeigen, sollte sich diese Chance nicht entgehen lassen. Gerade wer das Gefühl hat, dass ihm der deutsche Film nichts mehr zu bieten hat, kann sich und der Welt hier beweisen, dass die sonst fehlende Kreativität noch immer vorhanden ist. Der Film braucht und verdient die Unterstützung von uns allen, gerade weil es nicht eben um die nächste 0815-Komödie handelt, sondern um ein ehrliches Drama mit toll gespielten, authentischen Figuren.


von Sebastian Stegbauer

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