Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie – Filmkritik

Hugh Jackman in Reminiscence
Hugh Jackman in Reminiscence © Warner Bros.

Die Kritik:

Ach, was sehnt man sich heutzutage nach originären und interessanten Stoffen im Hollywood-Studiokino. Genau das liefert „Westworld“-Macherin Lisa Joy mit ihrem Spielfilmdebüt „Reminiscence“ mit spürbar großer und ernst gemeinter Ambition. Leider ist ihre romantische Science-Fiction-Noir-Dystopie letztlich aber ein sehr ansehnlich produzierter Fehlschlag, dessen Ideen nur am Anfang Spannung aufbauen, sich aber nach und nach mit einer eher klischeebehafteten Detektivgeschichte abnutzen.

REMINISCENCE - Poster
REMINISCENCE – Poster © 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Und der Film beginnt so gut und vielversprechend: Eine Kamerafahrt über den Atlantik in das überflutete Miami der Zukunft hinein präsentiert eine durchaus imposante Dystopie, die angesichts der Flutkatastrophen in Europa der jüngsten Gegenwart sofort starke Assoziationen weckt. Dieses greifbar realisierte amerikanische Venedig mit seinen palmenüberzogenen Dächern, das von Ramin Djawadis wuchtigem, mit Gitarrenriffs versehenen Score untermalt wird, macht Lust auf mehr. Das reißt auch nicht mit der Einführung des Protagonisten Nick Bannister (Hugh Jackman) ab, der gemeinsam mit Watts (Thandiwe Newton) ein System entwickelt hat, mit dem man tief verborgene Erinnerungen hervorrufen kann. Hierfür wird der Kunde mit einem Mittel sediert und anschließend mit einem Virtual Reality-Apparat in einen Wassertank gelegt, während der Operator die oft intimen Erinnerungen über ein Hologramm verfolgt.

Ein scheinbar banaler, spätabendlicher Routineauftrag wirft den routinierten Ex-Soldaten Nick dann aus der Bahn: So taucht die mysteriöse Nachtclubsängerin Mae (Rebecca Ferguson) auf, die lediglich ihren Schlüssel verlegt hat und Nicks Hilfe zum Wiederfinden beanspruchen will. Nick ist sofort schockverliebt in die sinnliche Frau mit dem atemberaubenden roten Kleid, woraufhin er sie nach dem erfüllten Auftrag nochmal aufsucht. Die beiden beginnen eine stürmische Affäre, die jedoch nach kurzer Zeit mit ihrem mysteriösen Verschwinden jäh beendet wird. Auch Jahre später hat sich Nick noch nicht davon erholt, dass die Frau seiner Träume scheinbar vom Erdboden verschluckt wurde. Nachdem er sich zunächst immer wieder in seine eigenen Erinnerungen zurückwirft, beginnt er schließlich Nachforschungen, die in ein kriminelles Komplott inklusive Designerdrogen, brutaler Gangster (Daniel Wu), korrupter Cops (Cliff Curtis) sowie der geistesgestörten reichen Frau (Marina de Tavira) eines zwielichtigen Geschäftsmannes (Brett Cullen) führen.

Rebecca Ferguson und Hugh Jackman in Reminiscence
Rebecca Ferguson und Hugh Jackman in Reminiscence © Warner Bros.

Lisa Joy erschafft hier einen ungemein atmosphärischen und stimmigen Film, der mit seiner düster-feuchten Ästhetik und dem eigenwillig anachronistischen Retro-Look filmisch begeistert. Durchaus könnte man den Film sowohl in stilistischer wie auch thematischer Hinsicht als nolanesque bezeichnen, jedoch verfolgt Joy zumindest unterbewusst ein ganzes Potpourri an cineastischen Einflüssen. Oft erinnert der Look mit seinen düsteren hohen und mit analogen Geräten ausgestatteten Räumen, in die goldenes Licht durch Jalousien fällt, an „Blade Runner“, aber selbst Assoziationen an den unterschätzten „Constantine“ werden – auch durch Jackman mit seinem weißen Hemd und Trenchcoat – geweckt. Der Noir-Detektivplot mitsamt Femme Fatale und Erzählstimme deutet natürlich unübersehbar in Hollywoods schwarze Zeit, womit man immer Gefahr läuft, stilisiert und bemüht daherzukommen. Und tatsächlich fällt „Reminiscence“ letztlich auch in diese Kategorie, auch wenn er lange zu offensichtliche Klischees umschifft und eher eigenständig in seiner originellen Stilmixtur daherkommt.

Doch letztlich wird spätestens nach etwa einer Stunde klar, dass der Kriminalplot trotz aller Bemühungen recht abgenutzt und oberflächlich erscheint. Schließlich hat man dann doch ein Gefühl von Austauschbarkeit und davon, das alles schon mal irgendwie gesehen zu haben – echte Spannung kommt da nicht auf. Selbst ein so zuverlässiger Darsteller wie Jackman wirkt auf Dauer ein wenig zu angestrengt, sodass der erhoffte emotionale Funke seiner Reise in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kaum überspringt. Die Begegnung mit der wie immer atemberaubenden und magnetischen Rebecca Ferguson ist letzten Endes zu kurz, um Nicks Schmerz wirklich begreifbar zu machen. Joy gibt dem Film zwar eine wohlmeinende Dosis Melancholie und Nostalgie, jedoch bleiben die Themen Vergänglichkeit und Verlustschmerz eher behauptet und werden dann am Ende mit letzten Mitteln sogar völlig im Kitsch und Schmalz ertränkt.

REMINISCENCE: Watts (Thandiwe Newton) und Nick (Hugh Jackson) bei einem Verhör
REMINISCENCE: Watts (Thandiwe Newton) und Nick (Hugh Jackson) bei einem Verhör © 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Dennoch, „Reminiscence“ ist mindestens ein überaus kompetent und audiovisuell bemerkenswert inszenierter Film, der zu jeder Zeit vor Atmosphäre nur so trieft. So imposant und glaubwürdig das überflutete Miami und später auch New Orleans realisiert sind, bleibt das Setting allerdings nur oberflächlicher Stimmungsgeber, das in seinen gesellschaftlichen Implikationen nur in Ansätzen vertieft wird. Hier tobte offenbar ein nicht genauer spezifizierter Krieg und zu allem Übel herrscht tagsüber eine derart unerträgliche Hitze, dass die Stadt erst nachts aufwacht. Darüber hinaus ist das Konzept der Erinnerungsmaschine nett und weitestgehend originär, aber in seiner Logik zumindest angreifbar: Warum erscheinen die Hologramme meistens wie filmisch inszenierte Tableaus, die das Geschehen distanziert in perfekten Einstellungen beobachtet? Müsste es nicht immer das subjektive Bild des an der Maschine angeschlossenen zeigen, wie es auch gelegentlich dargestellt wird?

Das mögen zwar noch Aspekte sein, über die man gerne hinwegsehen kann, jedoch ist es eben dieses gewissermaßen kalkulierte Gefühl der Bekanntheit sowie einer wenig packenden wie verschachtelten und schlicht überladenen Kriminalgeschichte, die aus dem anfangs vielversprechenden „Reminiscence“ dann doch leider die Luft entweichen lässt.

Filmwertung
6.5/10

Kurzfassung

„Inception“ trifft „Blade Runner“ trifft „Der schwarze Falke“ – heraus kommt „Reminiscence“.

Fazit:

„Inception“ trifft „Blade Runner“ trifft „Der schwarze Falke“ – heraus kommt „Reminiscence“. Ganz so einfach ist es zwar nicht unbedingt, aber dem ambitionierten Regiedebüt von Lisa Joy fehlt es dann doch an Eigenständigkeit, um wirklich über die gesamte Laufzeit zu packen und zu überraschen. Der kompetent inszenierte Film ist überaus atmosphärisch und stimmig inszeniert, verfügt zudem über spannende Ideen zu Klima, Klassenkampf und Vergänglichkeit, lässt aber trotz bester Absichten emotional überraschend kalt.


von Florian Hoffmann

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