Promising Young Woman: stylischer Genremix

Promising Young Woman: Carey Mulligan
Promising Young Woman: Carey Mulligan © Focus Feature

Die Kritik:

Promising Young Woman - Filmplakat
Promising Young Woman – Filmplakat © Universal Pictures

Als Ende 2017 der Hashtag „MeToo“ das erste Mal benutzt wurde, konnte wohl kaum jemand ahnen, zu was für Debatten dieser noch führen würde. Unzählige Menschen haben dafür gesorgt, dass auf die Ausmaße sexueller Belästigung und sexueller Übergriffe endlich aufmerksam gemacht wird und Straftäter ihre verdiente Strafe erhalten. Millionenfach wurde der Hashtag genutzt, bis heute ist dieser aktiv. Natürlich ist die „MeToo“-Thematik viel zu groß, um sie hier vollständig zu erläutern, doch dieses Hintergrundwissen ist notwendig, damit man versteht, aus was für einem Gedankengang Regisseurin Emerald Fennell (Schauspielerin in „The Danish Girl“) ihr Spielfilmdebüt „Promising Young Woman“ erschaffen hat. Mit diesem beweist sie nämlich ganz viel Fingerspitzengefühl bei einer wichtigen Thematik und wurde völlig verdient mit einem Oscar für das beste Originaldrehbuch ausgezeichnet.

Die kluge und charmante Cassie (Carey Mulligan) führt ein Doppelleben. Während sie tagsüber normal in einem Café arbeitet, will sie sich bei Nacht an Männern rächen, die sich an hilflosen jungen Frauen vergehen wollen. Dafür besucht sie Clubs und spielt das arme wehrlose Mädchen. Als sie dann jedoch den sympathischen Kinderarzt Ryan (Bo Burnham) aus ihrer Vergangenheit trifft, hofft sie, dass sich alles verändert und sie mit ihrer Vergangenheit abschließen kann. In dieser steckt nämlich ein tiefes Trauma, für welches sie noch Rache üben möchte.

Promising Young Woman: Carey Mulligan spielt Cassandra
Promising Young Woman: Carey Mulligan spielt Cassandra © Focus Feature

Das klingt zu Beginn erst einmal sehr düster und die ersten Minuten von „Promising Young Woman“ folgen auch diesem Ansatz. Schnell wird aber damit gebrochen, denn Fennell dreht, statt einem düsteren Rachefilm, einen stylischen Genremix, der richtig aufgeht. Der Spagat aus Ernsthaftigkeit und Humor gelingt; ein unterhaltsames Feuerwerk wird auf den Zuschauer losgelassen. Szenen wechseln in Sekundenschnelle von lustig zu düster, von befriedigend zu traurig. Wie die junge Regisseurin die verschiedenen Genres abarbeitet, ist eine große Klasse für sich, denn jedem wird genügend Zeit eingeräumt. Die Liebesgeschichte baut sich organisch auf, die Thriller-Elemente verlieren ebenfalls nicht an Bedeutung. Außerdem ist die Einarbeitung von gesellschaftlichen Problemen, wie Anschuldigungen von sexuellem Missbrauch, sehr gelungen. „Promising Young Woman“ verliert sich nicht in Polemik oder Geschlechterhass, sondern beäugt jeden kritisch, der potentielle Vergewaltiger deckt. Vor allem das System wird also angegriffen, das den Opfern keinen Schutz oder Hilfe bietet. So ist das ausgewogene Drehbuch einer der Stars im Film.

Phantastisch ist aber auch der Cast. Carey Mulligan („Drive“) als Protagonistin Cassie wurde verdient mit einer Oscar-Nominierung belohnt, denn ihre Performance ist ab der ersten Sekunde in den Bann ziehend. Immer wieder teasert sie den Wahnsinn an, bis dieser am Ende vollkommen heraussticht. In den Nebenrollen sind noch viele weitere Stars zu finden, unter anderem „Community“-Liebling Alison Brie, Kultschauspieler Clancy Brown oder „American Pie“-Mutter Jennifer Coolidge. Absoluter Publikumsliebling wird jedoch Bo Burnham, der nach „Eighth Grade“ beweist, dass er auch als Schauspieler überzeugen kann. Dem Comedian, welcher erst kürzlich mit seinem Netflix-Hit „Inside“ verblüffen konnte, macht die Rolle sichtlich Spaß und überträgt dieses Gefühl auf den Zuschauer.

Promising Young Woman: Cassandra (Carey Mulligan)
Promising Young Woman: Cassandra (Carey Mulligan) © Focus Feature

Im Endeffekt hat „Promising Young Woman“ nur zwei große Probleme. Das erste Problem ist das Finale, welches leider an manchen Stellen sehr konstruiert wirkt. Dieses Argument kann man zwar an einigen Momenten aufbringen, aber insbesondere im Finale ist es einfach viel zu auffällig. Nur durch zahlreiche Zufälle kommt das Ende zustande, indem Gegenstände ausgerechnet in diesem Moment nicht mehr funktionieren. Es wirkt etwas faul. Das war es jedoch noch nicht, das größte Problem taucht erst dann auf, wenn man den Kinosaal verlässt. Der Zuschauer geht mit einem guten Gefühl aus „Promising Young Woman“ und dieses vernebelt, zumindest etwas, die wichtige Message hinter dem Film. Ein Ende, das den Zuschauer mehr niederschmettert, wäre vielleicht passender gewesen, um auf die wichtige Gesellschaftskritik aufmerksam zu machen. Der Film selber macht das Fass sogar auf, traut sich aber leider nicht, den letzten Schritt zu gehen. Dennoch ist dies immer noch Kritik auf ganz hohem Niveau.

Filmwertung
8/10

Kurzfassung

Ein stylischer Genremix mit einem ganz wichtigen Hintergrund.

Fazit:

„Promising Young Woman“ ist, trotz seiner ernsten und wichtigen Thematik, ziemlich unterhaltsam und überzeugt gerade durch das brillante Drehbuch. Außerdem ist das Schauspiel phantastisch. Das einzige Problem ist das Ende, welches leider sehr konstruiert wirkt, obwohl es einem guten Grundgedanken folgt. Insgesamt ist Regisseurin Emerald Fennell aber eine wirklich vielversprechende junge Frau.


von Kenan Hasic

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