Rezension zu Love, Sex and Pandemic

Szene aus Love, Sex and Pandemic
Szene aus Love, Sex and Pandemic © Kinostar

Die Kritik:

Das polnische Enfant terrible Patryk Vega (“Botoks“) hat wieder zugeschlagen. Mit “Love, Sex and Pandemic“ liefert der osteuropäische Uwe Boll sein wohl reaktionärstes Machwerk – eine zweistündige kreuzkonservative Elegie auf den Verfall des polnischen Abendlandes. Schuld sind dabei die üblichen Verdächtigen: Medien, Ausländer, Gottlose und das Schlimmste von allem: eine selbstbestimmte weibliche Sexualität.

Love, Sex and Pandemic - Filmplakat
Love, Sex and Pandemic – Filmplakat © Kinostar

Im Mittelpunkt der Irrfahrt entlang der Serpentinen von Vargas geistigem Brachland stehen Bartek, Kaja, Nora und Olga. Alle vier erleben im Laufe des Films sexuelle Umbrüche, die letztendlich auf die eine oder andere Weise ihre Leben zu zerstören drohen. Bartek zum Beispiel, der aus einer Familie gläubiger Zeugen Jehovas stammt und zunächst schüchtern und unbedarft im Umgang mit Frauen ist, gelangt durch Zufall an einen Job als Stripper, wird von der Arbeit im Nachtleben Warschaus korrumpiert und prostituiert sich letztendlich. Kaja, eine junge und schlagzeilenhungrige Journalistin, stellt den Pick-Up-Artisten Johny öffentlich in der Zeitung bloß. Als dieser sie verklagt, täuscht sie vor von ihm vergewaltigt worden zu sein und Johny erhängt sich im Gefängnis. Insbesondere dieser Handlungsabschnitt ist eine nur schwer zu ertragende Unterfütterung eines hinlänglich widerlegten sexistischen Narratives, demzufolge Frauen Vergewaltigungen vortäuschen oder instrumentalisieren.

Grauenvoller ist nur noch der Erzählstrang um die verheiratete Olga. Alle Protagonistinnen in “Love, Sex and Pandemic“ handeln vollkommen irrational und sind weniger realen Menschen als der politischen Agenda Vegas verpflichtet, aber mit der Figur der Olga und ihrem Liebhaber Baha treibt es der Regisseur vom rechten Klischee zur regelrechten Entmenschlichung seiner Figuren. Olga, die anfangs noch gegen Immigranten hetzt, wird von dem syrischen Flüchtling Baha verführt, muss bald feststellen, dass alle ihre Vorurteile gegen Flüchtlinge berechtigt waren und flüchtet nun selbst – und zwar zurück in die starken Arme ihres Ehemannes. Die Figur des Baha wird derart klischeehaft dargestellt, dass sie zur timonischen Karikatur gerät. Baha trägt bei jeder Gelegenheit seine Misbaha, ist krankhaft egoistisch, psychopatisch-despotisch, hält sich in Syrien einen Harem, schlägt Olga, spricht beinahe ausschließlich in Metaphern aus Tausend und eine Nacht, ist paranoid und besitzergreifend, sitzt den ganzen Tag oberkörperfrei auf der Couch, raucht und schaut Al Jazeera oder Koran TV. Dazu kommt, dass wann immer Baha auf der Leinwand zu sehen ist, im Hintergrund ein orientalisch anmutendes Gedudel wie aus einer Soap-Opera läuft. Das Ganze ist so überzogen, dass es stellenweise immer wieder unfreiwillig komisch ist, man verzieht das Gesicht zum Lachen, bis das Lachen plötzlich zur Grimasse wird, wenn man erkennt – Vega meint das ernst, todernst.

Szene aus Love, Sex and Pandemic
Szene aus Love, Sex and Pandemic © Kinostar

Mit Blick auf den gegenwärtigen polnischen Diskurs um weibliche Selbstbestimmung und nationale Identität könnte Vegas Film kaum politischer sein. Es ist nur plausibel, dass sich politische Spannungsfelder auch immer wieder in der zeitgenössischen Kunst widerspiegeln und in ihr aufgearbeitet werden. Was jedoch überrascht ist, mit welchem unerschütterlichen Selbstbewusstsein und welcher Selbstverständlichkeit in Vegas Film Position am (un-)rechten Rand bezogen wird. Dabei geht es dem studierten Soziologen eindeutig nicht darum, eine bürgerlich-konservative Perspektive einzunehmen (was durchaus möglich und mit Filmen wie “Juno“, “Red Dawn“ oder „The Pursuit of Happyness“ hinreichend belegt ist). Stattdessen ergeht Vega sich in einer unsäglichen rechts-konservativen Dauerselbstbefriedigung, in der es um nicht weniger als die Etablierung realgesellschaftlich unhaltbarer Narrative aus dem braunen Milieu im Mainstream geht. Hier sind alle Araber frauenverachtende Monster, eine selbstbestimmte Sexualität führt unausweichlich zum seelischen Verfall und die katholische Kirche ist die einzige Rettung.

Im letzten Drittel des Films sitzen die vier Hauptpersonen in einer Kirche und lauschen gebannt der Liturgie eines römisch-katholischen Pfarrers. Es geht um Schuld und Sühne, die Szene trieft nur so vor Pathos und wirkt wie so viele in hier völlig deplatziert, bringt aber doch zum Ausdruck, worum es Vega geht, dessen Agenda-Bulldozer letztendlich jeglicher erzählerische und ästhetische Verstand zum Opfer fällt: Hier gibt es keinen Raum für Ambivalenz, für die manchmal so schwer zu ertragende Komplexität und Zwiespältigkeit menschlicher Beziehungen – nein, bei Vega ist alles eindeutig, absolut, schwarz oder weiß, ist gut oder böse, ist bekannt oder fremd, ist Freund oder Feind.

Szene aus Love, Sex and Pandemic
Szene aus Love, Sex and Pandemic © Kinostar

Es stellt sich zwangsläufig die Frage, wie es so ein Film in deutschen Kinos geschafft hat. Vegas Filme sind in Polen berühmt-berüchtigt und spielen trotz vernichtender Kritiken regelmäßig viel Geld an den Kinokassen ein – eine unbestreitbare Realität, über deren gesellschaftlichen Implikationen man lieber nicht zu lange nachdenkt. Neben dem finanziellen Erfolg lassen sich noch zwei weitere potenzielle Gründe ausmachen. Einmal ist da das clevere Marketing für den Film – im Trailer trifft ein Touch von Nymphomaniac auf Gaspar Noes stylische Sex-Stroboskopie – und dann haben es zuletzt einige polnische Formate auf Streaming-Plattformen zu internationaler Erfolg gebracht („Sexify“, „1983“) . Auch der Titel im polnischen Original klingt zunächst vielversprechend: “Milosc w czasach zarazy“ oder zu Deutsch „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ ist auch der Titel eines preisgekrönten Romans des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez. Die Geschichte um Florentino Arizas und die schöne Fermina Daza ist ein bedeutender Vertreter des magischen Realismus und in seinem Kern eine märchenhafte und fantastische Liebesgeschichte. Vegas Film ist nichts davon – wenn überhaupt ist es die ballhornisierte Umkehrung, keine Liebes,- sondern eine Hassgeschichte.

Zum Glück, und das kann man vergessen, wenn man sich zwei Stunden lang in den menschenverachtenden Fantasien Vegas ergeht, ist das Bild, dass der Regisseur von Polen zeichnet, am Ende eben genau das, nur ein Bild, eine Fantasie. So lautet ein populärer Kommentar zu Vegas Film auf einem großen polnischen Filmportal treffend: „Ein weiterer Idiotenfilm für Idioten, gedreht vom führenden Idioten der polnischen Kinematografie, Vega.“

Filmwertung
1/10

Kurzfassung

Schlecht auf die unangenehmste Art und Weise.

Fazit:

Patryk Vega neuer Film ist schlecht auf die unangenehmste Art und Weise. Sehenswert ist er höchstens als abschreckendes Beispiel dafür, welchen Einfluss und welche Mittel das rechte Kino in Polen offenbar hat.


von Jan Niklas Breuer

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