Last Night in Soho – Trip ins London der 60er Jahre

Last Night in Soho: Thomasin McKenzie spielt Ellie
Last Night in Soho: Thomasin McKenzie spielt Ellie © Focus Features

Die Kritik:

Nach Filmen wie „Shaun of the Dead“ oder „Baby Driver“ hat sich der Name Edgar Wright schon längst in den Köpfen der Filmfans etabliert. Mit „Last Night in Soho“ erscheint nun nach etlichen Verschiebungen endlich der neuste Genrefilm des britischen Kultregisseurs. Doch erstmals distanziert sich eines seiner Werke von seinem sonst so humorigen Style und setzt stattdessen auf eine ernste Horroratmosphäre im Geiste von Dario Argento. Die Frage stellt sich dabei, ob Wright dieser doch sehr drastische Genrewechsel gelingt oder ob der Film sich eher wie eine schlechte Kopie seines früheren Ichs anfühlt. Dies beantworte ich in meiner Kritik.

Last Night in Soho: Hauptplakat
Last Night in Soho: Hauptplakat © Focus Features

Eloise (Thomasin McKenzie) kann nun endlich ihren Traum erfüllen und fängt ein lang erwartetes Studium in London an. Nach anfänglichen Komplikationen zieht sie schließlich in eine kleine aber feine Wohnung im Stadtbezirk Soho. Doch nach einigen Nächten muss sie feststellen, dass ihr Zimmer etwas Magisches an sich hat. Es reist sie nämlich buchstäblich in das London der 60er Jahre zurück. Nach anfänglichen enthusiastischen Emotionen muss Eloise jedoch schnell erschreckend feststellen, dass die Vergangenheit auch ihre dunklen Geheimnisse besitzt…

Soviel schon einmal vorab: „Last Night in Soho“ fühlt sich völlig wie ein neuer Schritt in Wright’s Karriere als Regisseur an. Ob dies nun gut oder schlecht ist, kann schlussendlich jeder für sich selbst entscheiden. Für meinen Teil finde ich es mutig, wenn man sich als Filmschaffender zum Teil von seinen etablierten Stilmitteln löst und sich in völlig neue Gewässer bewegt. Und diesen Umbruch spürt man in dem Film zu jeder Sekunde. So fühlt sich schon alleine der Anfang des Filmes deutlich geerdeter an, als seine frühen Werke. Statt auf viele kunstvoll ineinander überlaufende Schnitte setzt Wright hier vermehrt auf längere Einstellung, welche uns stattdessen so in ihre Welt eintauchen lassen. Und auch der Humor verabschiedet sich voll und ganz. Stattdessen wird hier auf den Style der 60er Jahre Italo-Horrorfilme gesetzt. Und dies geht visuell schon einmal vollends auf. Besonders das a sixties London glänzt hier ganz in seiner volle in schrillen Neonfarben. Das ganze erinnert dabei nicht nur subtil an das, was Tarantino vor zwei Jahren mit seinem Liebesbrief an Los Angeles mit „Once upon a Time… in Hollywood“ geschaffen hat. Ganz so authentisch wird es hier zwar nicht, aber dennoch taucht man als Zuschauer so in eine für uns verborgene magische Welt ein.

Last Night in Soho: Anya Taylor-Joy spielt Sandie
Last Night in Soho: Anya Taylor-Joy spielt Sandie © 2021 Focus Features

Und so fühlt sich die erste Hälfte des Filmes auch eher wie ein Entdecken an. Wir folgen so keinem spezifischen Plot, sondern wandern stattdessen von Setpiece zu Setpiece. Durch die abwechslungsreichen und durchaus interessanten Szenen kommt so kaum bis keine Langeweile auf. Getragen wird das ganze dabei besonders durch die jetzt schon als Meisterin ihres Handwerks geltende junge Schauspielerin Anya Taylor-Joy. Sie zieht einen durch größtenteils dialogfreie Szenen komplett in ihren Bann. Komplimentiert wird dies durch ihren On-Screen Partner Matt Smith. Zu ihm nur soviel. Nach seiner Rolle in „Last Night in Soho“ hat dieser sich sofort zu meinem nächsten James Bond Favoriten hochgearbeitet. Die Chemie der beiden ist dabei in jeder einzelnen Einstellung zu spüren. Man erwischt sich fast sogar dabei, dass man fast schon ein enttäuschtes Gefühl besitzt, wenn man wieder in die wirkliche Welt eintaucht. Und so vergeht die erste Hälfte wie im Flug.

Last Night in Soho: Anya Taylor-Joy und Matt Smith
Last Night in Soho: Anya Taylor-Joy und Matt Smith © 2021 Focus Features

Nur leider verstrickt sich die Handlung in der zweiten Hälfte in immer mehr Subplots, welche das ganze unnötig kompliziert machen. So stehen wir plötzlich vor einem Whodunnit Rätselspaß al a „Knives Out“, während dann wieder die Psyche der Hauptprotagonistin im Vordergrund steht. Der Fokus schwankt leider immer hin und her, ohne sich richtig entscheiden zu können. Besonders das Finale, welches ich natürlich nicht vorweg nehmen möchte, macht so auf die letzten Minuten in immer wieder eine neue Schublade voller Geheimnisse auf, ohne auch nur eine davon wieder zu schließen. Dies ist schade, da man den Kinosaal so mit einem sehr ambivalenten Gefühl verlässt. Das Drehbuch möchte an vielen Stellen einfach zu viel sein, ohne die notwendige Breitweite zu bieten. Bedenkt man, dass Wright hier auch nicht als alleiniger Autor tätig war, lässt sich auch schnell das Problem finden. Denn Krysty Wilson-Cairns, welche unter anderem auch an „1917“ tätig war, hält die Geschichte nämlich leider etwas von ihrem Potential zurück. Auch anhand der Dialoge bewiesen Wright’s frühere Werke deutlich mehr Fingerspitzengefühl. Man kann daher nur hoffen, dass er sich bei seinem nächsten Projekt wieder in der Hinsicht auf alte Stärken zurückgreift. Genretypisch bedient sich Wright hier wieder an den klassischen Mustern der etablierten Klassiker. Dies funktioniert mit dem einzigartigen Londoner Style auch sehr gut. Jedoch sollte man nicht unbedingt einen Horrorfilm erwarten. Stattdessen lässt sich der Film eher im Mystery-Genre einordnen.

Filmwertung
7/10

Kurzfassung

Kurzweiliger Trip in das London der 60er Jahre. Jedoch leider ohne einen wirklichen Nachklang.

Fazit:

Trotz dem etwas schwachen Finale steht dem Rest dennoch ein sehr sehenswerter Film gegenüber. Alleine schon aus visueller Hinsicht sollte man „Last Night in Soho“ unbedingt auf der großen Leinwand genießen. Auch storytechnisch funktioniert der Film soweit, dass er den Zuschauer konstant bei der Stange hält. Jedoch reicht dies für mich nicht aus, um aus dem Film das zu machen, was er hätte werden können. Dafür wurde leider zu viel Potential links liegen gelassen. Schauspieltechnisch kann der Film einen jedoch vollends zufrieden in seinen Bann ziehen. Trotz der daher schwankenden positiven Punkten ist „Last Night in Soho“ daher für jeden eine Empfehlung, der mit den Trailern nur etwas anfangen konnte.


von Phillip Schwellenbach

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