Jugend ohne Gott – Filmkritik: Dystopische Gesellschaftsordnung ohne Moralvorstellung

Jugend ohne Gott: Eine Abschlussklasse ohne Moral und Gewissen?
Jugend ohne Gott: Eine Abschlussklasse ohne Moral und Gewissen? © 2017 Constantin Film Verleih GmbH

Die Kritik:

Erfolg, Anerkennung und Ruhm ist das höchste Begehren der Menschheit. Basierend auf dem 1937 veröffentlichten Roman “Jugend ohne Gott” von Ödön von Horváth inszeniert Regisseur Alain Gsponer eine düstere Version unserer zukünftigen Gesellschaft.

Jugend ohne Gott - Plakat
Jugend ohne Gott – Plakat © 2017 Constantin Film Verleih GmbH

In einer nahen, aber undefinierten Zukunft wird die Gesellschaft in nutzbringend und leistungsschwach unterteilt. Nur wer als nutzbringend eingestuft wird, genießt Anerkennung, Ruhm und ein sorgenfreies Leben, während die leistungsschwachen Menschen in Armenvierteln ihr Dasein fristen. Zur Einteilung in die jeweilige Schicht, müssen sich die Schüler und Schülerinnen eines Abschlussjahrgangs in einem Camp beweisen. Unter ihnen befindet sich die ehrgeizige Nadesh (Alicia von Rittberg), die alles dafür tut, um nach Abschluss des Camps auf die renommierte Rowald Universität zu kommen. Sie ist fasziniert von dem Einzelgänger Zach (Jannis Niewöhner), der den Tod seines Vaters zu verarbeiten versucht. Während Nadesh versucht ihm näher zu kommen, freundet sich Zach mit dem geheimnisvollen Mädchen Ewa (Emilia Schüle) an, das mit einer Gruppe von Asozialen im Wald lebt und sich mit Diebstählen über Wasser hält. Zach hält all seine Gedanken in einem Tagebuch fest. Sehr zum Missfallen der Campleitung, die das Leben der Jugendlichen digital überwacht. Als das Tagebuch spurlos verschwindet und kurz darauf eine Mord geschieht, versucht ihr Lehrer (Fahri Yardim) zu helfen. Doch dafür ist es bereits zu spät…

Jugend ohne Gott: Zach (Jannis Niewöhner) und Ewa (Emilia Schüle
Jugend ohne Gott: Zach (Jannis Niewöhner) und Ewa (Emilia Schüle) © 2017 Constantin Film Verleih GmbH

Der Aufbau des Camps erinnert zunächst an das Szenario des ersten „Tribute von Panem“-Films. Wenn die Jugendlichen durch den Wald rennen und krampfhaft versuchen, sich zu orientieren, sind die Parallelen fast greifbar. Doch bei „Jugend ohne Gott“ geht es nicht darum, die Kontrahenten möglichst schnell zu ermorden, sondern sie mit Intellekt zu überbieten. Täglich stehen Prüfungen an, bei denen sich die Schüler beweisen müssen, in dem sie möglichst präzise Lösungswege gehen. Ein Kampf um Zeit, Ausdauer und Kraft beginnt. Zwischen den Prüfungen nimmt sich der Film die Zeit, die Hauptfiguren des Films und dessen Leben in Rückblicken genauer zu betrachten. Im Gegensatz zum Roman springt der Film immer wieder zu bestimmten Momenten der Geschichte zurück, um sie aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Während sich einige Facetten der Handlung dadurch wiederholen, werden dem Zuschauer zugleich immer neuere Details präsentiert, die er wie einzelne Puzzlestücke zusammensetzen kann. Dadurch entwickelt sich die Geschichte in eine ganz andere Richtung als anfangs erwartet, sodass die gradlinige Erzählung spannende Nebenplots erhält. Lange Zeit bleibt der Mörder daher verborgen, bis sich die Indizien langsam verdichten und man seinen eigenen Vermutungen Glauben schenkt.

Jugend ohne Gott: Zach (Jannis Niewöhner) betritt nur widerwillig das Camp
Jugend ohne Gott: Zach (Jannis Niewöhner) betritt nur widerwillig das Camp © 2017 Constantin Film Verleih GmbH

In der von Matthias Pacht und Alex Buresch in die nahe Zukunft adaptierte Handlung überzeugt Jannis Niewöhner („Jonathan“) mit seinem verschlossenen Wesen, dass sich gegen die digitalisierte Welt sträubt und für die Selbsterhaltung kämpft. An seiner Seite präsentiert sich Emilia Schüle („Lenalove“) als Mädchen, dass von der Gesellschaft ausgemustert wurde. Dem Paar werden Alicia von Rittberg („Herz aus Stahl“) und Jannik Schühmann („Die Mitte der Welt“) als gutsituierte und leistungsorientierte Jugendlichen mit mangelnden Moralvorstellungen entgegengestellt. Als Lehrkörper agiert Fahri Yadim („Der Medicus“), der sich dem brachialen Erziehungsmethoden der zynischen Leiterin (Anna Maria Mühe) entgegensetzt. Der Cast ist sauber durchmischt und zeigt starke Figuren, die ihren eigenen Willen verteidigen. Die Sympathie gilt Zach, da er von dem herrschenden System Abstand zu nehmen versucht, um seiner Selbstwillen.

Jugend ohne Gott: Der Lehrer (Fahri Yardim) und die Psychologin (Anna Maria Mühe) im Ausbildungscamp
Jugend ohne Gott: Der Lehrer (Fahri Yardim) und die Psychologin (Anna Maria Mühe) im Ausbildungscamp © 2017 Constantin Film Verleih GmbH/die film gmbh/Marc Reimann

Durch seine sensible Art grenzt er sich von den Musterschülern ab, was Lagerpsychologin Loreen (Anna Maria Mühe) in Zeiten der modernen Medizin schlichtweg medikamentieren möchte. Dadurch wird nicht nur die Gesellschaft und ihr Umgang mit der Bevölkerung thematisiert, sondern auch die Flucht vor der Realität durch Medikamente. Zudem möchte man die stetige Überwachung der Jugendlichen durch die Campleitung mit Fernsehsendungen wie „Big Brother“ in Beziehung setzen, die der Handlung wiederum einen Touch unserer Zeit verleiht.

 

Filmwertung
  • 7.5/10
    - 7.5/10
7.5/10

Kurzfassung

In einer Welt, in der Leistung mehr zählt als Moral, müssen sich Jugendliche stets beweisen. Nur wer sich rücksichtslos auf die eigenen Person konzentriert und seinen Weg mit aller Macht bestreitet, ist zu höheren berufen. „Jugend ohne Gott“ präsentiert eine aufkeimende Gesellschaft ohne Glauben, Herz und Moral, die erschreckend glaubhaft erscheint.

Fazit:

„Jugend ohne Gott“ ist ein interessanter Dystopie-Thriller, der zum Nachdenken anregt und aufgrund seiner Andersartigkeit spannende Unterhaltung liefert.


von Sandy Kolbuch

Mehr zum Film:
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