Empörung – Filmkritik: Die Unsicherheit der 1950er Jahre

Empörung: Marcus (Logan Lerman) und Olivia (Sarah Gadon)bei ihrer ersten Verabredung ©X-Verleih
Empörung: Marcus (Logan Lerman) und Olivia (Sarah Gadon)bei ihrer ersten Verabredung ©X-Verleih

Die Kritik:

Empörung - Plakat
Empörung – Plakat © X Verleih

Die Welt steht den meisten jungen Menschen heute offen. Sie können selbst ihren Werdegang bestimmen. Ein vorherbestimmtes Leben durch die Familie ist in der heutigen Zeit undenkbar. Doch noch in den 1950er Jahren kam die Übernahme des Familienbetrieb, unabhängig von den eigenen Wünschen und Vorstellungen, einer bindenden Verpflichtung nahe.

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Philip Roth, inszeniert James Schamus, der selbst das Drehbuch schrieb, ein einfühlsames Drama über Verpflichtungen, Überfürsorge und neue Wagnisse: Der junge Marcus Messner (Logan Lerman) ist wohlerzogen und fleißig. Nach dem Schulabschluss unterstützt er seinen Vater in der koscheren Fleischerei, die er übernehmen soll. Doch Marcus bekommt die Möglichkeit, an einem College zu studieren und der Überfürsorge seiner Eltern zu entgehen. In Winesburg, Ohio bemüht er sich, der Beste zu sein. Doch seine neuen Zimmergenossen sowie die freizügige Olivia (Sarah Gadon) durchkreuzen seine Pläne und verstören seine Lebensansichten. Und auch der erzkonservative Dekan (Tracy Leets) beeinflusst Marcus Lebensweise und lässt ihn wider Willen zum Rebellen werden.

Empörung Marcus (Logan-Lerman) mit seinem Vater Max Messner (Danny Burstein) in der Metzgerei
Empörung Marcus (Logan-Lerman) mit seinem Vater Max Messner (Danny Burstein) in der Metzgerei ©X-Verleih

Die Geschichte, die Philip Roth 2008 veröffentlichte, orientiert sich an der eigenen Vergangenheit des Autors. Das Leben des Studenten, das einem Kammerspiel ähnlich auf wichtige Ereignisse reduziert ist, ist von autobiografischen Elementen durchzogen. Mit nur knapp 111 Minuten fällt der Film angenehm kurz aus. Schamus gelingt es, mit seinem Regiedebüt eine komprimierte Geschichte auf die Leinwand zu bringen, die bewusst auf überlange Ausstaffierungen verzichtet. Der Film lebt dennoch durch seine klaren und selbsterklärenden Bilder, die stilsicher die 1950er Jahre zum Leben erwecken. In den Kulissen findet das vergangene Jahrzehnt in kleinen Details Ausdruck. Ob Möbelmont, Karosserien oder Kostüme, der Mix überzeugt optisch. Nahezu jeder Lebensaspekt der Handlungsepoche wurde ausführlich recherchiert, was positiv auffällt. Selbst bei der Ausstattung des Wineburg Colleges überließ der Filmemacher nichts dem Zufall. Für die Gestaltung von Klassenräumen und Studentenzimmern orientierte sich Szenenbildnerin Inbal Weinberg an alten Fotografien, Jahrbüchern und Sammelalben. Auch für die in Szene gesetzte Kunst des koscheren Schlachtens, das zu Beginn des Films eine Rolle in Marcus Leben spielt, bedienten sich die Filmemacher historischer Archive zur Umsetzung der naturalistischen Bilder.

Empörung: Olivia (Sarah-Gadon)
Empörung: Olivia (Sarah-Gadon) ©X-Verleih

Neben dem richtigen Look fängt Schamus auch die Psyche der Ära durch seine Figuren ein. Olivia, die in einem Haus für Studentinnen wohnt, muss sich den Regeln der Hausdame beugen. Nur wenn ihr der Ausgang gewährt wird, darf sie sich von Marcus ausführen lassen. Das Gefühl der Unsicherheit findet vor allem in der Figur des Marcus´ Ausruck. Aus einer fürsorglichen Familie stammend, ist er plötzlich auf sich alleine gestellt. In der Universität herrschen neue Umgangsformen, die ihm fremd sind und ihn zu überfordern scheinen. Hin und hergerissen zwischen dem Bestreben nach einem Abschluss und der Ablenkung durch die aufkeimenden Gefühle für Olivia, wirkt Marcus in der neuen Welt verloren. Mit Mimik und Gestik fängt Logan Lerman (Percy Jackson) den schmerzlichen, inneren Twist seiner Figur ein. Sarah Gadon (Ein dunkle Begierde) erweckt als Olivia in blumigen Röcken, biederen Blusen und mit akkurat eingedrehten Locken den Anschein einer anständigen jungen Dame. Doch in der Zweisamkeit mit Marcus sie ihr sexlüsterndes Wesen, das ihrer Generation weit voraus zu eilen scheint.

Empörung: Marcus (Logan Lerman)
Empörung: Marcus (Logan Lerman) ©X-Verleih

Der Zuschauer fühlt sich von der zeitgeschichtlichen Relevanz angesprochen. Trotz der gesellschaftlichen Entwicklung der vergangenen sechzig Jahre wirkt die Geschichte keinesfalls verstaubt, sondern auf sonderbare Weise aktuell. Die Auseinandersetzung mit dem jüdischen Glauben, der mit den familiären Umfeld von Marcus eng verbunden ist, findet am Rande immer wieder Beachtung. Dies ist vor allem Linda Edmond (Oldboy) und Danny Burstein (Absolutely Fabulous) zu verdanken, die als konservative Elternfiguren in Erscheinung treten. Haupt- und Nebenfiguren harmonieren auf spannende Art und Weise und sind sowohl durch fürsorgliche Nähe, als auch Auseinandersetzungen miteinander verbunden. Der Konflikt zwischen den Figuren ist dadurch ebenso präzise verdeutlicht, als auch die Streitigkeiten mit den Kommilitonen. Das Ende überrascht mit einem Twist, der die vorangegangenen Ereignisse außer Kraft setzen und sie gleichermaßen auf tragische Weise vereint.

Filmwertung
7/10

Kurzfassung

James Schamus zaubert mit seinem Regiedebüt „Empörung“ ein ergreifendes Drama auf die Kinoleinwand, das trotz seiner Einbettung in den 1950er Jahren den Zuschauer berührt und zum Nachdenken anregt.

Fazit:

„Empörung“ ist ein nahezu meisterhaft gespieltes Epochendrama, das mit den konventionellen Ansichten des Amerika der 50er Jahre spielt, Ehr- und Pflichtgefühl thematisiert und die Unsicherheit der jungen Menschen in den Fokus rückt.


von Sandy Kolbuch

Mehr zum Film:
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