Ein Mann namens Otto – Tom Hanks als alter Griesgram

Tom Hanks spielt Otto Anderson in Ein Mann namens Otto - Photo: Niko Tavernise
Tom Hanks spielt Otto Anderson in Ein Mann namens Otto - Photo: Niko Tavernise © Columbia Pictures

Die Kritik:

Wer kennt sie nicht, diese übergenauen, meist etwas älteren Herren in der Nachbarschaft, die immer grimmig nach dem Rechten schauen und sich an vermeintlichen Fehlern insgeheim ergötzen? Otto (Tom Hanks) ist genau diese Art von Mensch, der den Müll seiner Nachbarn nochmal nachträglich genau trennt, sich über Parkausweise beschwert, die nicht am Spiegel hängen (sondern nur im Auto liegen) oder Nachbarn argwöhnisch betrachtet, die einfach nicht richtig einparken können. Otto ist ganz offensichtlich verbittert, doch wodurch ist er zu diesem zurückgezogenen und unerträglichen Einsiedler geworden, der bei seinen Mitmenschen meist nur durch seine grummelige Unfreundlichkeit auffällt? Darüber gibt Marc Forsters neuer Film nach und nach Aufschluss, wenn er das Leben dieses eigentlich sehr traurigen Mannes nach und nach ohne Subtilität, aber mit erstaunlicher Effektivität Revue passieren lässt.

Ein Mann namens Otto - Filmplakat
Ein Mann namens Otto – Filmplakat © Columbia Pictures

Es ist natürlich leicht, argwöhnisch auf „Ein Mann namens Otto“ zu schauen, denn wieder mal hat es nicht lange gedauert, bis ein beliebter europäischer Kinoerfolg sein amerikanisches Remake erhält – Selbst das Buch von Fredrik Backman ist gerade mal erst zehn Jahre alt und schon erscheint die zweite Adaption des Bestsellers. Doch erfreulicherweise ist Regisseur Marc Forster ein sehr guter und positiv überraschender Film gelungen, der Hannes Holms „Ein Mann namens Ove“ in fast nichts nach steht. War auch bereits der erste Film nicht unbedingt ein Kandidat für einen Originalitätspreis, besinnt sich „Ein Mann namens Otto“ ganz bewusst auf die Stärken seiner Formel und geht als aufrichtiger und herzerwärmender Gewinner hervor.

Die Prämisse Alter-Griesgram-entpuppt-sich-als-gar-nicht-so-unfreundlich-wie-er-scheint-und-hat-eigentlich-ein-großes-Herz ist wahrlich nicht neu – man betrachte nur die unzähligen Adaptionen von Dickens „Weihnachtsgeschichte“. Doch Autor David Magee und Regie-Tausendsassa Marc Forster haben ein unzweifelhaftes Ass im Ärmel: Tom Hanks. Der zweifache Oscar-Preisträger und Everybody’s Darling des US-Mainstreamkinos ist nun endgültig zu seinem Vorbild James Stewart mutiert und darf endlich seine Stärken in einer durch und durch capraesquen Fabel ausspielen. Anders als bei dem wirklich grimmigen Rolf Lassgård im Original braucht man so durch Hanks Präsenz gar nicht lange, um sich mit dieser Figur zu erwärmen und anzufreunden, was sicher vor allem an seiner Bekanntheit, aber auch seinen ausdrucksstarken Augen liegt, die immer mehr Tiefe, Traurigkeit und Wärme offenbaren als es das unangenehme Verhalten erwarten lässt.

Mariana Treviño in Ein Mann namens Otto
Mariana Treviño in Ein Mann namens Otto -Photo: Niko Tavernise © Columbia Pictures

Der große Katalysator für die Erzählung ist wie auch in der Vorlage die Ankunft einer neuen Nachbarsfamilie: Statt einer Iranerin mit schwedischem Mann sind es diesmal die Mexikanerin Marisol (Mariana Treviño) mit ihrem Ehemann Tommy (Manuel Garcia-Rulfo) und ihren beiden Töchtern, die gegenüber einziehen und Kontakt zu dem rüstigen Rentner aufbauen. Auch hier scheitern die Selbstmordversuche des Protagonisten immer wieder, mal wegen Materialschwäche des Hakens, an dem er sich aufhängt, mal am vehementen Klopfen von Nachbarn oder anderen Störenfrieden. Vor allem ist es dann Marisol, die mit ihrer von innen strahlenden Art den alten Grinch langsam aufwärmt, ohne, dass er es aber wirklich so richtig zu zeigen bereit ist. Großartig in dieser Rolle und Gewinner jeder Szene ist die wunderbare Marina Treviño, deren positiver und echter Art man sich unmöglich entziehen kann. Überhaupt gewinnt der Film durch sämtliche Nebenfiguren, die alle ihre Eigenarten und Geschichten mit sich tragen.

Während Otto zunehmend offener mit seiner Umgebung wird (ohne natürlich auf seine leicht gereizte Art und sarkastische Sprüche zu verzichten), bauen Forster und Magee immer wieder Rückblenden aus Ottos Leben ein. Anders als im ausführlicheren Original liegt der Fokus hier ganz und gar auf der Beziehung zu Ottos kürzlich verstorbener Witwe Sonja (strahlend: Rachel Keller, „Tokyo Vice“, „Legion“). Das fängt Forster mit seinem Kameramann Matthias Königswieser in warmen und romantisierten Bildern ein, die ihre zuckersüße Märchenhaftigkeit vielleicht Ottos subjektiver Erinnerung verdanken. Hier ist der Film am deutlichsten sentimental und oft auch kitschig, doch irgendwie lässt man sich dennoch von dieser Geschichte und ihrer fabelartigen Qualität mitnehmen. „Ein Mann namens Otto“ ist einfach zu sympathisch und letztlich auch wahrhaftig in seinem universellen menschlichen Einsichtsreichtum, um sich seinem Charme entziehen zu können. Nochmal, Tom Hanks ist hier der entscheidende Anker, der seine wunderbaren und beliebten Qualitäten wohl so gut zum Vorschein bringen darf wie lange nicht, womit er vermutlich nur knapp an einer Oscar-Nominierung vorbeigerutscht ist.

Luna (Christiana Montoya), Abbie (Alessandra Perez) und Otto (Tom Hanks) in Ein Mann namens Otto - Photo: Niko Tavernise
Luna (Christiana Montoya), Abbie (Alessandra Perez) und Otto (Tom Hanks) in Ein Mann namens Otto – Photo: Niko Tavernise © Columbia Pictures

Denn so wie die Geschichte aufgezogen ist, erscheint diese wunderbar von Tom Hanks verkörperte Figur als absolut glaubhaft. Wir kennen alle diese Art von Mensch und tatsächlich laden Forster und Magee ein, allen Zynismus über Bord zu werfen und wieder genauer auf unsere Umwelt zu achten und hinter die oberflächlichen Fassaden unserer Mitmenschen zu blicken. Dennoch verzichten auch nicht auf schwarzen und generell gut platzierten Humor, der dieser insgesamt durchaus sentimentalen Geschichte etwas willkommene Würze beschert. Sicher, dieses US-Remake hat einige Kanten des Originals deutlich glatter und bekömmlicher gespült (unterschwelliger Rassismus spielt hier etwa keine Rolle mehr und Otto ist weit idealisierter als Ove), doch man kann es dem Film nicht wirklich übel nehmen. So ist „Ein Mann namens Otto“ einfach auch etwas eigenständiger und darf dann sowohl den Fans des Originals als auch Neulingen unvoreingenommenen gefallen.

Filmwertung
7.5/10

Kurzfassung

Ein aufrichtig herzerwärmender und positiver Film.

Fazit:

Regisseur Marc Forster gelingt mit „Ein Mann namens Otto“ ein aufrichtig herzerwärmender und positiver Film über die Läuterung eines durchaus verbesserlichen Griesgrams. Dank eines großartigen Tom Hanks und einer wundervollen Marina Treviño verzeiht man dieser durchaus auch schwarzhumorigen Fabel manche zu dick aufgetragene Sentimentalität und wird mit einem sehr guten Gefühl entlassen.


von Florian Hoffmann

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