Die Täuschung – sehenswertes und intelligentes Historienkino

Die Täuschung - Colin Firth
Die Täuschung - Colin Firth © See-Saw Films Limited

Die Kritik:

Operation Mincemeat“, so deuten es die obligatorischen historischen Texttafeln am Ende des im Originaltitel gleichnamigen Films an, war die wohl größte militärische Täuschungsaktion des Zweiten Weltkriegs. So haben Mitglieder des britischen Militär-Nachrichtendiensts (darunter der spätere Bond-Autor Ian Fleming) eine Finte ausgetüftelt, mit der die Aufmerksamkeit der deutschen Wehrmacht vom strategisch wichtigen Sizilien zu den Inseln Griechenlands und zu Sardinien gelenkt wurde. Die Entstehung und Ausführung dieser geschickten Verschleierungstaktik thematisiert der in Deutschland passend betitelte „Die Täuschung“. Prestigefilm-Experte John Madden („Shakespeare in Love“, „Die Erfindung der Wahrheit“) ist hier ein gewohnt souverän und durchweg klassisch inszenierter Spionagethriller gelungen, der völlig ausreichend mit seiner stilvollen Machart und gut gezeichneten Charakteren zu packen weiß, ohne aber jemals wirklich Herausragendes abzuliefern. Bestes Sonntagnachmittagkino also.

Die Täuschung - Filmplakat
Die Täuschung – Filmplakat © See-Saw Films Limited

Im Mittelpunkt des im Jahr 1943 stattfindenden Films stehen die britischen Geheimdienstoffiziere Ewan Montegu (Colin Firth), Charles Cholmondeley (Matthew Macfadyen) sowie Ian Fleming (Johnny Flynn). Um die Invasion des von Nazis besetzten Europa in die Wege zu leiten, führt ein strategisch wichtiger Weg über Sizilien. Doch wie soll die massiv von der Wehrmacht besetzte Insel eingenommen werden, ohne das Leben von Tausenden rücksichtslos aufs Spiel zu setzen? Die Idee eines Täuschungsmanövers kommt auf, das so sinnig wie wahnwitzig erscheint: So soll die Leiche eines angeblichen britischen Agenten an die spanische Küste angespült werden, die mit Geheimdienstinformationen ausgestattet wird. In diesen soll von Plänen berichtet werden, die besagen, dass die Alliierten einen Angriff auf den Peloponnes und Sardinien planen. Die Frage ist nur, wo bekommt man eine Leiche her, die den Anforderungen entspricht und niemand vermissen wird?

Regisseur John Madden gelingt es, ein äußerst glaubwürdiges und präzise beobachtetes Bild britischer Geheimdienstarbeit, aber auch einer gezeichneten Bevölkerung, für die der Kriegszustand Normalität wurde, zu zeichnen. Dank einer exzellenten Riege britischer Charakterdarsteller und des treibenden Scores von Thomas Newman wird so auch die scheinbare Monotonie holzvertäfelter Hinterzimmertreffen interessant und spannend gestaltet. Dank distinguierter Sprachebene strahlt der Film zudem unbestreitbare Klasse und Reife aus, die den Film über den Durchschnitt hebt. Behutsam bauen Madden und seine Drehbuchautorin Michelle Ashford diese fein gezeichneten Figuren auf, während er die Spannungsschrauben im Stile eines Heist-Films konsequent anzieht. Insbesondere die Dynamik zwischen Montegu, Cholmondeley und Geheimdienstmitarbeiterin Jean Leslie (Kelly MacDonald) steht hierbei in menschlicher Sicht im Fokus.

Die Täuschung - Kelly MacDonald
Die Täuschung – Kelly MacDonald © See-Saw Films Limited

Letztere kommt zunächst ins Spiel, um ein eigenes Foto beizusteuern, das der Leiche inklusive eines privaten Liebesbriefs beigelegt werden soll, um ein glaubwürdiges Bild des scheinbar Gefallenen zu erzeugen. Doch Leslie will ihr Foto nur beisteuern, wenn sie auch aktiv an der Planung des Täuschungsmanövers partizipieren kann. So kommt nicht nur ein ungewohntes weibliches Element in diese Männerdomäne, es wird zudem auch unterschwellig eine interessante Dreierbeziehung zwischen Montegu, Cholmondeley und Leslie aufgemacht. Hier geht es jedoch interessanterweise um angedeutete und größtenteils unausgesprochene Gefühle, die Madden und seine DarstellerInnen mit feinen Tönen einfangen. So ist besonders Montegu derjenige, der seine Gefühle als verheirateter Mann unterdrückt – ein Umstand, den Colin Firth gewohnt subtil-kraftvoll vermittelt. Doch auch Junggeselle Cholmondeley deutet seine Gefühle lediglich an, während die verwitwete Leslie – auch angesichts der wichtigen gemeinsamen Aufgabe – Zurückhaltung wahrt.

Doch nun soll natürlich nicht der Eindruck geschaffen werden, dass der Fokus des Films beim Gefühlsleben seiner angenehm dreidimensionalen Charaktere liegt. Diese Konstellation gibt dem Film nur willkommene Tiefe, der sich ansonsten als wenig aufregender, aber effektiv erzählter Thriller funktioniert. So sorgt vor allem die erste Hälfte für einen unbestreitbaren Unterhaltungswert mit auch humorvollen Momenten, denn das Beschaffen der richtigen Leiche für die Operation erscheint als schwieriger als erwartet. Doch auch nach dem Finden der idealen Leiche sind längst nicht alle Probleme gelöst, denn durch den voranschreitenden Verwesungsprozess auch ein Rennen gegen die Zeit, das durch viele andere Faktoren nur weiter befeuert wird.

Die Täuschung -Matthew Macfadyen und Colin Firth
Die Täuschung -Matthew Macfadyen und Colin Firth © See-Saw Films Limited

Gerade in den Passagen des Films, in denen die Operation geplant wird, erscheinen besonders vital und schwungvoll. Jedoch gelingt es Madden schließlich nur bedingt, die absolute Dringlichkeit der Mission so darzustellen, dass man den historisch bekannten Ausgang ausblenden kann und man der Geschichte bis zum Ende angespannt folgt. Hier fehlt dann doch der ein oder andere virtuos herausgearbeitete Spannungsmoment, wodurch der Film dann vielleicht eine Spur zu routiniert daherkommt. Dennoch, wer sich nach erwachsenem und klassischem Kino für Erwachsene sehnt, das die Intelligenz seiner Zuschauer ernst nimmt, der könnte weit schlechter aufgehoben sein.

Filmwertung
7.5/10

Kurzfassung

Sehenswertes und intelligentes Historienkino mit feiner menschlicher Note

Fazit:

John Madden erzählt mit „Die Täuschung“ ein faszinierendes Kapitel britischer Militär-Nachrichtendienst-Geschichte, das dank routinierter wie stilvoller Inszenierung und starker DarstellerInnenriege zu punkten weiß. Auch wenn der Film nicht über die gesamte Laufzeit seine subtile Spannung aufrecht erhalten kann, wird hier sehenswertes und intelligentes Historienkino mit feiner menschlicher Note geboten, das über den Durchschnitt hinausragt.


von Florian Hoffmann

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. (Kommentar wird erst geprüft)


*